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Es geht nicht um #OutsidetheInbox und Tools. Es geht um ein gemeinsames Verständnis von Zusammenarbeit!

10. Februar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Quer über all Generationen nutzen rund 90 Prozent aller US-Amerikaner weiter E-Mail. Auf diesen Zahlen bin ich einem Artikel auf CMSWire gestoßen. Und auch die Jungen lesen weiter E-Mails. Eine Zeile tiefer in meinem Feedly RSS Reader stoße ich dann auf die Überschrift Personal productivity 2020 – Slack and Microsoft Teams didn’t ruin work – but they didn’t fix work either, ein Beitrag von Jon Reed auf diginomcia. Und ich muss an meinen ehemaligen Kollegen Luis Suarez denken, der das Leben außerhalb des (E-Mail) Posteingangs, Outside the Inbox jahrelang postuliert hat und es mit dem Thema bis in die New York Times geschafft hatte.

Es war einmal … die Vision vom Enterprise 2.0, Social Enterprise, Social Business

Und natürlich denke ich an meine zahllosen Beiträge, in denen ich davor gewarnt habe, E-Mail-Archive und abgeschottete Informationssilos aufzubauen. Große Teile meiner Laufbahn habe ich dafür geworben, Informationen und Wissen zu teilen, in Dokumenten Management Systemen (DMS, ECM) oder in Social Software. Ich habe für PC Docs, FileNet, Connections oder Watson Workspace geworben und versucht die Werkzeuge auch selbst einzusetzen, Vorbild zu sein und andere entsprechend zu motivieren. Die Vision des Enterprise 2.0, wie es einmal Andrew Mcafee definiert hat, fand ich notwendig und ansprechend: „It was the next phase of knowledge management but with freedom, transparency, and the engagement of people.“

Die Begriffe haben sich dann immer mal wieder geändert: Enterprise Collaboration, Social Collaboration, Social Business. Jetzt ist gerade “Digital Workplace” modern und en vogue. Die grundsätzlich ist aber geblieben und noch immer arbeiten wir mehr oder weniger intensiv an der Umsetzung. Oder sollte ich schreiben, noch immer scheitern wir mehr oder weniger deutlich an der Umsetzung?

Nicht neue Tools sind die Lösung für bessere Zusammenarbeit und Kommunikation

Die Anbieter (und ich bekenne mich da durchaus mit schuldig) postulieren immer neue Lösungen. Jetzt sollen Slack und Microsoft Teams die Lösung sein und Microsoft schaltet sogar entsprechende TV-Anzeigen. Und Trello ist das Wundermittel, um Projekte und Aufgaben zu managen, natürlich total agil.

Dion Hinchcliffe identifiziert in seinem Artikel auf ZDNet vier Modelle, die der Digital Workplace organisiert und betrieben werden kann:

  1. Community und Social Business: Aus der Enterprise 2.0-Vision entstanden ist es ein Modell, das stark auf Communities und Social Software setzt und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Transparent teilen und kommunizieren steht im Mittelpunkt. Klassische Werkzeuge dieser Kategorie sind Jive oder Connections.
  2. Der dokumentenzentrierte Arbeitsplatz: In vielen Unternehmen und Branchen steht immer noch Inhalte (Content) und Dokumente im Zentrum der Arbeit. Sie werden als Lebensader der Arbeit und des Unternehmens angesehen. Klassische Werkzeuge waren oder sind Sharepoint oder Documentum. Anbieter wie Box oder Dropbox sind moderne Wettbewerber in diesem Segment.
  3. Das anbieter-abhängige Modell: Die Diskussion um Best-of-Breed- (nimm immer die besten Produkte für das jeweilige Projekt oder Einsatzgebiet) und Alles-aus -einer-Hand ist nicht neu. Microsoft ist mit Office365 in diesem Umfeld der derzeit klar dominierende Anbieter und bietet ein Portfolio an Produkten. Besonders IT-Abteilungen scheinen dieses Modell zu bevorzugen, denn wie hieß es schon früher, für den Einsatz von Microsoft wird man nicht gefeuert.
  4. Der hybride Digital Workplace, beeinflusst von der IT-Abteilung, den Fachabteilungen und den Mitarbeitern: Der Geist der Schatten-IT wabert schon geraume Zeit durch Unternehmen. Fachabteilungen und Mitarbeiter nehmen einfach die Tools, die sie mögen und oft aus privater Nutzung auf dem Smartphone oder aus der Cloud kennen, um ihre Arbeit zu erledigen. War die IT-Abteilung ursprünglich gar nicht involviert, so ist unterdessen die Empfehlung, diesen neuartigen Digital Workplace zu kuratieren und orchestrieren – und auf die großen Herausforderungen Datenschutz, Sicherheit und Governance zu achten.

Ich wage die Prognose, dass der Fokus auf Arbeitsplatzwerkzeuge nicht die eigentlichen Probleme lösen werden. Mangelhafte Produktivität am Digital Workplace, fehlendes Knowledge und Innovationsmanagement haben andere Gründe. Es ist ein komische Mixtur aus Gewohnheit und Trägheit der Mitarbeiter:innen, aus hierarchischen Kontroll- und Mikromanagement-Praktiken, die noch immer in Unternehmen vorherrschen. Nur zu oft scheint mir „agile“ nur ein Lippenbekenntnis für mehr Kontrolle zu sein, statt vertrauensvolle Zusammenarbeit und Coaching wirklich zu fördern.

Egal welches Tool: Vom Wildwuchs an Datenbanken, Workspaces und Kanälen

Bei den Tools muss ich an meine eigenen Erfahrungen denken. Was ist der wesentliche Unterschied zwischen den unzähligen Notes-Datenbanken von vor Jahren, den zahllosen Sharepoint-Inseln, den vielen Communities in Connections und heute den immer weiter wachsenden Workspaces und Kanälen auf Slack? Wir generieren immer neue Kanäle und Posteingänge. Wo ist bis heute die Suchmaschine, mit der ich die Informations- und Wissenstöpfe meines Unternehmens durchsuchen kann? Und durch verschärfte Compliance- und Datenschutzanforderungen wird es nicht einfacher.

Ohne gelebte Regeln zu Kommunikation und Zusammenarbeit wird es nichts

Kaum ein Unternehmen hat eine dokumentierte und gelebte Governance, wie welches Tool wofür genutzt werden sollte. So wird Slack zum neuen Posteingang, die Benachrichtigungen laufen im Sekundentakt ein und auch dort werden Dokumente und Dateien gespeichert. Kennen wir doch? Dateianhänge sind der Tod effizienter digitaler Zusammenarbeit, habe ich mal über E-Mail-Attachments geschrieben. Slack ist kein schlechtes Werkzeug. E-Mail ist kein schlechtes Werkzeug. Wie wir die Tools benutzen, ist schlecht. Ohne gelebte Regeln wird es nichts werden und so befinden wir uns noch immer im Kommunikations- und Collaborations-Koma und hatten noch nie wirklich die Kontrolle über unsere Informationen und unser Wissen.

Ich selbst bin weiter ein Freund von Social Software wie Connections als einer Plattform zur Zusammenarbeit und zum Teilen von Wissen. Die Module sind da: Wiki, Blogs, Communties, Aktivitätenmanagement, Dateiverwaltung, Lesezeichen. Benutzerprofile … Jedoch müsste die Bedienung deutlich modernisiert und vereinfacht werden. Da wurde lange Jahre nichts oder nicht genug gemacht. Und auch ein Slack und E-Mail haben ihre Berechtigung.

Doch STOP. Ich rede schon wieder über Tools. Nochmals: Es geht um ein gemeinsames Verständnis, wie man zusammenarbeitet, wie man führen und teilen, wie offen und transparent man sein will und dann erst darum, welches Werkzeug man wofür nimmt. Dieses Übereinkommen – nennt es von mir aus Vertrag – für Collaboration und Kommunikation sollte in jedem Unternehmen getroffen werden, zwischen Mitarbeitern, Middle Management und Unternehmensführung. Und wo immer möglich, sollten Lieferanten, Kunden und Geschäftspartner mit einbezogen werden.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von Catkin auf Pixabay