Das Thema Kundenzufriedenheit ist sicher seit Jahren etwas, was sich
jedes Unternehmen -- ob in B2C oder B2B -- auf die Fahnen geschrieben hat.
Zumindest postuliert man es. Ob man dann auch die Dinge tut, die zur
Kundenzufriedenheit beitragen, ist ein ganz anderes Thema. Ich erinnere
mich, dass wir zu meinen Zeiten bei der FileNet
Kundenzufriedenheitsumfragen haben machen lassen. Teile des variablen
Gehaltes waren an den Indexwert gekoppelt, so daß auch beim Management
ein monetäres Interesse daran bestand, zufriedene Kunden zu haben.
In den heutigen Zeiten des Social Business bekommt das Thema aus
meiner Sicht noch stärkeren Drive, denn vor allem durch die sozialen
Kanäle hat der Kunden deutlich an Macht gewonnen. Eine Beschwerde, die
früher oft unter den Teppich gekehrt werden konnte, wird heutzutage
leicht öffentlich. Zufriedene Kunden werden noch wichtiger. Im
Englischsprachigen wird unterdessen ein Begriff benutzt, der über die
reine Kundenzufriedenheit hinaus geht: Customer Experience. Es geht um die ganzheitliche Erfahrung des Kunden mit einem Unternehmen, dessen Produkte, Services und Dienstleistungen.
Da stellt sich natürlich die Frage: Was ist denn nun eigentlich eine gute Customer Experience? Hier eine erste Annäherung und natürlich bin ich für Anmerkungen und Ergänzungen sehr dankbar. Logischerweise kann sich Customer Experience
je nach "Business" ändern. Wenn es um meinen privaten Telefonanschluss
bei der Telekom geht, ist es etwas anderes, als ob ich im B2B mit der
Einführung einer neuen Unternehmenssoftware zufrieden bin. Trotz aller
Unterschiede mag es viele Gemeinsamkeiten geben und ich gehe das Thema
einmal generisch an.
Wichtig ist, dass das Unternehmen mich -- ob Privatperson oder
Unternehmenskunde -- kennt. Klingt banal, aber das Thema persönliche und
personalisierte Betreuung ist und bleibt extrem wichtig. Das bedeutet --
und es hört sich einfach an, ist es aber nicht immer -, dass das
Unternehmen ein ganzheitliches Bild von mir als Kunde hat. Nehmen wir
das beliebte Beispiel Telekom: Lange Jahre liefen Festnetz- und
Mobilgeschäft nebeneinander her und man wurde als Kunde auch durch
unterschiedliche Personen und Organisationen betreut, die nicht
unbedingt wussten, dass man Kunde des anderen Bereichs war, welchen
Vertrag man hatte und welches technische Equipment man einsetzte. Das
musste sich durch das Zusammenwachsen der Netze und das Netz aller
Netze, das Internet, ändern. Meine Erwartung ist heute, dass ich in
meinem Kundenportal, all meine Telekommunikationsinformationenen zur
Verfügung habe und dass der Kundenberater, den ich anrufe, ebenfalls
darauf Zugriff hat. Klingt selbstverständlich, ist es aber nicht und
kann im B2B-Umfeld beliebig komplex werden.
Damit sind wir bei einem zweiten wichtigen Thema: Heutzutage nimmt
der Kunde vermehrt über unterschiedliche Kanäle mit seinen Lieferanten
Kontakt auf. Früher ging man in die Bankfiliale, dann an den
Bankautomaten, den Kiosk. Heute ist Online Banking auch bei Älteren gang
und gebe, nicht mehr nur auf dem Computer von daheim aus, sondern auch
auf Smart Phone oder Tablet von unterwegs. Der Kunde nimmt über die
verschiedenen Bildschirme -- Computer, Tablet, Smart Phone, Fernsehen --
Kontakt mit den Unternehmen auf und will auf all diesen Endgeräten nicht
nur seine persönliche und personalisierte Information, sondern auch die
gleichen Funktionen zur Verfügung haben. Und dies sind sicher keine
einfachen Anforderungen. Auf einem Smart Phone ist eine Banking-Lösung
allein durch die grösse des Bildschirms anders zu bedienen als auf dem
normalen Computerbildschirm. Und das Tablet ist irgendwas dazwischen.
Und schnell kommt man dann je nach Branche zu Themen, ob man ein App
oder "nur" eine vernünftige Portal-Lösung, die sich dynamisch den
verschiedenen Bildschirmen anpassen kann. Ich will an dieser Stelle gar
nicht mit dem Thema Sprachsteuerung anfangen, aber es ist sicher
denkbar, dass die Bedienung bald nicht mehr nur per Maus oder
Touchscreen und Gesten, sondern auch durch Sprache erfolgen wird. Siri
und Konsorten lassen grüssen ...
Oft wird die gerade beschriebene Unterstützung der verschiedenen
Endgeräte und Bildschirme schon als "Multichannel" bezeichnet. Das ist
aber ganz sicher zu kurz gegriffen. Wenn wir über verschiedene Kanäle
und eine stringente Multichannel Experience reden, gehören ganz
sicher das Telefon oder aber auch -- je nach Branche -- der persönliche
Kontakt in Ladengeschäften oder auf Veranstaltungen dazu. Es gibt ein
gutes Gefühl, wenn man von der Kunden-Hotline, im Geschäft oder auf
Veranstaltungen "gekannt" wird. "Gekannt" kann dabei natürlich
unterschiedlichste Ausprügungen haben, vom persönlichen Kennen bis
dahin, dass der oder die Hotline-MItarbeiterin einfach die notwendigen
Informationen über einen Kunden im CRM- oder Call Center-System im
Zugriff hat.
"Kennen" ist dabei ureigenstes Interesse des Unternehmen. Wenn ich
weiss, was mein Kunde bereits gekauft hat, weiss ich auch, was ich ihm
vielleicht noch empfehlen und verkaufen kann. Und ich muss wissen, was
er gekauft hat und einsetzt, um ihm bei Problemen effizient helfen zu
können. Das sind zwei verschiedene Aspekte einer guten Customer
Experience: Service und Cross- und Upselling. Fangen wir mal dem
Verkaufen an. Noch immer genial finde ich Amazon, wo man mir aufgrund
meiner bisherigen Käufe neue Produkte vorschlägt. Amazon weiss, dass ich
Weinkrimis mag. Also werden mir diese vorgestellt und empfohlen. Diese
empfinde ich als Mehrwert und informativ, nicht als belästigende
Werbung. Demgegenüber finde ich es nervend, wenn mich diverse
Onlineshops, wo ich Wein gekauft habe, mit Werbemails, Sonderangeboten,
Newslettern geradezu bombardieren. Fazit: Personalisierte Werbung, die
auf dem aufbaut, was ich als Kunde schon besitze, Lücken identifiziert,
Erweiterungen erkennt, ist aus meiner Sucht deutlich effizienter als die
Holzhammer- und Spam-Verkaufsmethoden, die noch viel zu oft praktiziert
werden und die eher eine negative Customer Experience auslösen.
Und da sind wir beim Thema Service, Kundendienst, Dienst am Kunden ...
Ein weites Feld und wieder einige persönliche Beispiele. Dieser Tage
hatte ich eine Störung auf der Telefonleitung und bin auf Fehlersuche
gegangen. Nachdem meine eigenen Versuche nichts gebracht haben, rief ich
die Hotline der Telekom an. Zum Nerv tödenden Sprachcomputer schreibe
ich hier besser nichts. Nachdem sich dieser dann doch mit meinem
hessischen Akzent angefreundet hatte, landete ich bei einem
Servicebetreuer. Gemeinsam identifizierten wir an diesem Samstag den
Fehler (meine Uralt-ISDN-Anlage Eumex 404 hat wohl den Geist
ausgehaucht) und er schlug mir eine Lösung vor. Ich betreibe mein ISDN
nun am vorhandenen AVM Router. Das erforderte einiges Konfigurieren,
ging aber dann recht flott. Am Montag klingelte dann mein Telefon,
besagter Servicemitarbeiter der Telekom war dran und fragte nach, ob das
Problem gelöst sei. Man merke: Ein als gut empfundener Service, ich als
zufriedener Kunde. Dieser Anruf "Ist Ihr Problem gelöst" sollte trotz aller zu oft nervenden Kunden zum Standardrepertoire jedes Servicecenters gehören.
Dazu dann gleich auch das Negativbeispiel: Jeder kennt das Problem,
der schon einige Jahre fotografiert. Es sammeln sich Berge von Fotos und
in meinem Falle auch Dias an. Nun haben wir beschlossen, dass wir die
Dias digitalisieren lassen, um sie überhaupt einmal wieder anzuschauen.
Ich habe also im Netz einen Anbieter mit Hilfe von Google herausgesucht.
Besagter Dienstleister war unter den Top Treffern, befindet sich in
meiner Nähe (Man merke: Google kennt meinen Wohnort), schien ein eher
kleiner, aber kompetenter Dienstleister zu sein. Er macht auf seiner
Home Page auch eine Probeangebot, kostenlos 5 Dias und Fotos
einzuscannen. Das Angebot habe ich dann wahrgenommen und vor Weihnachten
Bilder und Dias verschickt. Einige Wochen gingen ins Land. Keine
Rückmeldung. Zweimal schicke ich eine E-Mail an das Unternehmen. Keine
Antwort. Ich rufe an. Niemand geht ans Telefon. Und schon hatte ich den
Verlust der Bilder beinahe einkalkuliert, da gehe ich heute an den
Briefkasten und siehe da, Bilder, Dias und Mini-CD mit gescannten Fotos
sind da, kommentarlos, ohne jegliches Begleitschreiben, aber immerhin,
sie sind zurück. Werde ich nun die Hunderte von Dias und Fotos bei
diesem Dienstleister digitalisieren lassen?
Der Kunde fordert heute Transparenz und Kommunikation. Das hat
besagter Dienstleister nicht erkannt. Und viele andere erkennen das auch
noch nicht. Ich empfinde es als nützlich, wenn ich informiert werde,
dass eine Warensendung an mich unterwegs ist. Ich empfinde es als noch
nützlicher, wenn man mich informiert, wenn eine Warensendung aus
bestimmten Gründen später kommt oder ein Servicefall noch nicht gelöst
werden konnte. Kommunikation im Zeitalter des Social Business sollte
Transparenz schaffen und nachhaltig sein. Der Kunde sollte wirklich
König sein ...
Natürlich kostet Service Geld und in Zeiten von Kosteneinsparungen
wird outgeourced, werden Sprachcomputer eingesetzt und Call Center in
Länder verlagert, in denen die Lohnkosten niedriger sind. Trotzdem
glaube ich, dass man in vielen Bereichen nicht um guten Service
herumkommen wird und Kunden nicht nur wegen des Preises entscheiden
werden, sondern dorthin gehen werden, wo der beste Dienst am Kunden
geleistet wird. Und ich glaube, dass man über neue, smarte Konzepte
nachdenken muss, guten Service zu bieten. Die von mir schon oft
zitierten Self Service-Communities sind für mich eine solch smarte Lösung im Sinne einer guten Customer Experience.
Hilf den Kunden, sich selbst zu helfen. Das ist das Konzept das
dahinter steht. Anbieter wie IBM, Cisco und andere haben auf ihren
Webseiten Kundencommunities zu bestimmten Produkten und Lösungen
eröffnet. In diesen Communities tauschen sich Kunden zu den Produkten
aus, geben Tipps und Tricks und helfen sich so gegenseitig. In solchen
Communities gibt es immer wieder Teilnehmer, die sich gerne als Experten
profilieren und nur zu gerne ihr Wissen teilen. Der Mensch kann
durchaus sozial sein ... Warum also nicht solche Communities einrichten,
sie fördern und auch selbst Experten und Wissen beisteuern. Die
Beispiele von IBM und Cisco haben signifikant geholfen, nicht nur Kosten
zu sparen, sondern auch einen vom Kunden so empfundenen, besseren
Service zu bieten.
Gibt es dabei Risiken? Natürlich. Potentielle Probleme werden
transparent, da sie in der Community zu lesen sind. Andere Kunden
könnten darauf aufmerksam werden. Das könnte sich hochschaukeln. Und der
Wettbewerb liest vielleicht auch noch mit. Ernsthaft, in den über 10
Jahren, in den ich Kundencommunities und -vereinigungen betreue, hat es
nie wirklich ernste Eskalationen in diesem Sinne gegeben. Im Gegenteil:
Kunden empfinden es als Mehrwert, sich mit anderen Kunden, die ein
gleiches Hobby oder Interesse haben, auszutauschen. Nicht umsonst bin
auch ich privat Mitglied einiger Communities. Toll, wenn ich von
jemandem, der sich auskennt, einen guten und preiswerten Wein empfohlen
bekomme. Gut, wenn ich als Unternehmen mich mit Mitarbeitern anderer
Unternehmen austauschen kann, wie ich eine bestimmte Software am besten
einführe. Und intelligent von einem Unternehmen, solche Communities zu
fördern, um nahe am Puls der Kunden zu sein. Wir haben vor einiger Zeit
über die Kundencommunity nachgefragt und abstimmen lassen, welche Funktionen die Kunden in der nächsten Version unserer Social Software-Plattform IBM Connections haben wollen.
Kunden sind direkt in die Produktweiterentwicklung integriert, das
Risiko, ein Produkt am Kunden vorbei zu entwickeln, sinkt. Kunden- und
Self Service-Communities sind einer der Eckpfeiler einer guten Customer Experience und ein, wenn nicht das Merkmal eines Social Business.
Dies sind einige Merkmale einer guten Kundenerfahrung, wie ich sie sehe. Ich versuche es einmal zusammen zu fassen: Eine gute Customer Experience
im Zeitalter des Social Business ist persönlich, personalisiert,
ganzheitlich, nachhaltig, transparent, unterstützt multiple Kanäle, ist
stringent, dialog-orientiert und sozial vernetzt. Eine
Bandwurmsatz und ich habe bestimmt noch einiges vergessen. Was fehlt
Eurer Meinung nach noch? Wo stimmt Ihr zu, wo seid Ihr anderer Meinung?