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Auto-Mobil: Tesla-Fahrerlebnis mit dem ganz anderen Cockpit im Model 3

25. April 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Am Freitag war es dann so weit: Ich habe einen Tesla Model 3 mit Dualmotor Probe gefahren. Nach anfänglichen Problemen mit der Online-Registrierung haben die Tesla-Mitarbeiter danach einen reibungslosen und sehr freundlichen Service geboten. Um 11:30 Uhr konnte ich den Tesla in der Hanauer Landstraße kontaktlos abholen und für eine Stunde „bewegen“. Beeindruckend ist auf jeden Fall – typisch Beurteilung eines Mannes – die Beschleunigung, selbst für den Fahrer eines durchaus flotten Diesel-Fahrzeugs ein echtes Erlebnis. Und ja, natürlich kommt es heutzutage nicht auf Beschleunigung und Höchstgeschwindigkeit an.

Was fällt dem Fahrer traditioneller Autos noch auf? Das geräuschlose Dahingleiten, gefühlt noch stiller als im ID.3, den ich vor geraumer Zeit testen durfte. Und besonders ins Auge fällt im wahrsten Sinne des Wortes natürlich der riesige Touchscreen, der das gewohnte Cockpit im Tesla ersetzt. Nahezu alle Funktionen und Informationen werden über dieses Touchscreen eingeblendet oder ausgewählt. Im linken Bereich waren Geschwindigkeit, Geschwindigkeitsbegrenzungen (nicht immer korrekt angezeigt) und optisch durch Symbole dargestellt der fließende Verkehr oder auch Ampeln eingeblendet. Den rechten Bereich des Screens nehmen dann andere Funktionen und Informationen wie die allseits eingebauten Kameras mit ihren Bildern oder die Navigationskarte ein.

Alles ist quasi wie beim iPhone zu bedienen, zu vergrößern oder verkleinern. Wer das gewohnt ist, hat keine Probleme in der technischen Bedienung des Tesla. Natürlich muss man sich daran gewöhnen, das alles, fast alles über diesen Touchscreen konfiguriert wird, die Einstellung der Außenspiegel, Sitzheizung, Klima, eben all die Dinge, die im konventionellen Fahrzeug über diverse Schalter im Cockpit gesteuert wurden. Natürlich konnte ich in der einen Stunde nicht alles ausprobieren, aber alle wesentlichen Dinge habe ich problemlos gefunden. Nur einige Funktionen meines iPhones – zum Beispiel meine Podcast-Liste – habe ich nicht zum Laufen gebracht, aber auch keine große Zeit in die Suche darauf investiert. Auch müsste ich sicher noch austesten, wie die Sprachsteuerung für die verschiedenen Funktionen genutzt werden kann. Geht bestimmt, aber mein Fokus lag mehr auf dem Fahrerlebnis.

Mit dem Wagen bin ich dann von Frankfurt nach Bad Homburg zum Kronenhof gefahren – in Erinnerung an gute alte Zeiten, wo ich dort mit den Kollegen:innen der FileNet Mittag gegessen habe. Die Navigation hat reibungslos funktioniert, die eingebauten Assistenzsysteme haben eingegriffen oder gewarnt, wenn ein Abstand etwas enger wurde oder man sich einem Fahrzeug genähert hat. Insgesamt ein sanftes Dahingleiten im Tesla mit der schon zitierten Möglichkeit, schnell auch mal zu beschleunigen. Hohe Geschwindigkeiten bin ich auf der Strecke nicht gefahren, aber davon verabschiede ich mich eh generell immer mehr.

Das Raum-, Fahr- und Sitzgefühl war insgesamt sehr positiv, auch wenn das Holzige in meinem Testwagen nicht mein Geschmack ist. Ich bin eher der Alu-Chrom-Fan. Gefühlt hat man viel Platz. Hinten sitzt man auch angenehm und der Kofferraum ist mehr als angemessen. Nicht so gut gefallen mit die Türgriffe. Da habe ich es gerne solider und traditionell. Negativ aufgefallen ist mir der Blick durch den Rückspiegel. Die Ausmaße des Tesla sind nicht sehr gut abzuschätzen, aber beim rückwärts Fahren werden dann ja auch die Kameras aktiviert.

In der einen Stunde habe ich keine Zeit damit verbracht, die Tesla Super-Charger auszuprobieren, was sicherlich auch einfach einmal eine Erfahrung wäre. Auch kann ich nicht wirklich die Software und deren hochgelobten ständige Verbesserungen einschätzen. Verarbeitung und Spaltmaße habe ich – wie auch beim ID.3 – ebenfalls nicht begutachtet, so mir Dinge dort überhaupt auffallen würden. Für eine tiefergehende Beurteilung müsste man den Tesla eine Weile fahren. Es ist ein erster, positiver Eindruck, den ich in der Kürze der Zeit gewonnen habe.

Nach der Stunde bin ich dann wieder in meinen A4 eingestiegen, um nach Hause nach Darmstadt zu fahren. Und im Vergleich zum gerade gefahrenen Tesla ist mir sofort aufgefallen, dass die Lenkung des Audi direkter anzusprechen und der Wagen etwas „brettiger“ auf der Straße zu liegen scheint. Natürlich sticht das total andere Cockpit und die verschiedenartige Bedienung in die Augen. Es ist halt nicht das typische Cockpit, wie ich es in den letzten Jahren von meinen Fahrzeugen gewohnt bin. Nun habe ich mir als Luxus vor 4 Jahren das virtuelle Cockpit im A4 gegönnt, bin in der Beziehung verwöhnt. Allerdings gab es zu meiner Zeit noch das MMI-Rad (und keinen Touchscreen), mit dem der deutlich kleinere mittig angebrachte Screen des A4 zu bedienen ist. Die neuen A4 setzen da unterdessen auch auf Touch-Bedienung.

Was ist nun in Beziehung auf Cockpit und Screens mein Zwischenfazit? Der riesige Tesla-Monitor ist mir etwas zu unübersichtlich und hektisch, gerade wenn auch die Fahrzeuge rund um einen herum ständig eingeblendet werden. Der Blick nach halbrechts ist etwas gewöhnungsbedürftig (aber wahrscheinlich eben wirklich nur Gewohnheit). Das Cockpit und die Bedienung des A4 repräsentiert die herkömmliche Weise: Viele Informationen, die angezeigt werden, Schalter und Knöpfe für Klima und andere Funktionen.

Mein Favorit: Der kleine Screen im Cockpit des ID.3 oder gar das Head-Up-Display projeziert auf die Scheibe, wo die wirklich notwendigen Informationen angezeigt werden. Daneben dann in der Mitte einen Screen zur Bedienung der anderen Funktionen. Nur ein erster Eindruck, aber nach meinem derzeitigen Gefühl die gefühlt beste Lösung.

Würde ich den Tesla Model 3 fahren? Ja, als Dienstwagen würde ich ihn ohne weiteres für 3 bis 4 Jahre nehmen. Gerne sogar. Und unterdessen VW und anderen die Chance geben, deren Software reifen zu lassen. Tesla-Fahrer, besonders die mit IT-Affinität, loben ja immer wieder die Over-The-Air-Updates mit neuen Funktionen. Das will VW ja jetzt auch bieten und hier ist ein Bereich, wo man dann sozusagen live nachvollziehen kann, ob die Wolfsburger zu einem Autohersteller und Softwareexperten werden – was ja erklärtes Ziel ist. Ich habe allerdings auch gewisse Bedenken, wenn ich immer wieder lese, dass man über die Software neue Dienste anbieten wolle. Da sehe ich dann schon die Euro-Zeichen in den Augen vieler Autohersteller. Was wird also eine ständige, kostenlose Verbesserung sein und für was werden die Konzerne irgendwann zur Kasse bitten? Auch das wird ein spannendes Thema.

Wäre mir der Tesla Model 3 im Vergleich zum voll ausgestatteten ID.3 mit großer Batterie und Reichweite die rund 60 Euro im Monat oderdie knapp 3.000 Euro mehr auf 4 Jahre wert? Ich weiß es nicht. Und noch bleibt Zeit zum Überlegen.

(Stefan Pfeiffer)

Können die deutschen Autobauer den Software-Vorsprung von Tesla überhaupt noch aufholen?

3. August 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Das Thema E-Autos beschäftigt mich derzeit beruflich und privat. Im Job durfte ich kürzlich im IBM Livestudio Magazin einen ersten Schwerpunkt zum Thema Automotive* moderieren und hatte dort den deutschen Autopapst Friedrich Dudenhöffer und auch Sascha Pallenberg vom Daimler zu Besuch, die neben meinen Kollegen Dirk Wollenschläger und Salvatore Romeo interessante Einblicke in das Thema Automobilindustrie und Mobilität gaben. Natürlich wurden das Thema Corona und Einfluss auf den Verkauf von Wagen oder auch das Auto als fahrender Computer behandelt. Wie nicht anders zu erwarten, gab es knackige Aussagen, wie den Tweets zu entnehmen ist:

Gerade der letzte Tweet beschreibt die Zwickmühle, in der sich gerade auch die deutschen Automobilhersteller befinden. Der Daimler und natürlich auch Volkswagen wollen aufholen, aber zumindest VW Chef Herbert Diess gesteht Tesla im einem aktuellen Interview vom 1. August 2020 in der FAZ Tesla den Vorsprung zu:

Im Sammeln von Daten und bei der Vernetzung des Autos, da ist uns Tesla schon ein paar Jahre voraus. Tesla ist der einzige Hersteller, der das Auto von der Software her erdacht hat, als ein Device im Datennetz, das Kundendaten sammelt, das Daten auswertet und schnell reagiert. Da ist Tesla der Autoindustrie voraus.

VW-Chef Herbert Diess über seinen neuen Führungsstil

Nicht verborgen geblieben ist, dass VW gerade auch mit der Software noch Herausforderungen hat. Glaubt man den Presseberichten, so werden einige fortschrittliche Software-Funktionen im neuen ID.3 erst später nachgeliefert und auch beim Golf 8 gab es Software-Probleme. Man will die die eigene neue Einheit, die Car.Software-Organisation, personell aufbauen und deutlich verstärken. Und der gerade ernannte neue Chef der Unit, Dirk Hilgenberg, betont die Bedeutung der Software:

Wir läuten momentan die größte Revolution in der Automobilbranche ein. In wenigen Jahren werden das Betriebssystem eines Autos und seine Vernetzung mit einer hochsicheren Daten-Cloud den entscheidenden Unterschied ausmachen

Volkswagen: Dirk Hilgenberg leitet Car.Software-Organisation | Automobilwoche

Das hat ja auch Sascha Pallenberg in unserem Gespräch betont. Man will Google, Apple – und natürlich auch Tesla – nicht den Software-Markt überlassen, sondern „Smartphones auf Rädern“ mit eigenen Betriebssystem und entsprechender Wertschöpfung entwickeln. Das ist der Anspruch von Volkswagen, dem Daimler und wahrscheinlich auch BMW. Sie blasen zu einer sehr herausfordernden Aufholjagd, denn Tesla scheint derzeit Jahre voraus und hat als einziges Unternehmen eine zentrale Recheneinheit und Software aus eigener Entwicklung. Selbst beim neuen ID 3 von VW kommen dagegen wohl mehrere Betriebs­systeme ­und Recheneinheiten zum Einsatz.

Der Daimler-Vorstandsvorsitzende Ola Källenius betont beispielsweise im F.A.Z. Digitec-Podcast vom 18. Juli 2020, wie wichtig ein neues modulares Betriebssystem für den Daimler ist, um auch die Vielzahl der Steuerungsmodule – Källenius spricht, wenn ich mich recht erinnere von 100 Steuereinheiten in der S-Klasse – zu integrieren und zu vereinheitlichen. Auch deshalb wurde die Kooperation mit Nvidia, einem der führende Anbieter von GPUs (Graphics Processing Units), eingegangen, um bei der Entwicklung eines fahrzeuginternen Computersystems sowie einer KI-Computing-Infrastruktur zu kooperieren. Sinnigerweise hat Tesla wohl auch mit Nvidia in seiner Hardware 2.5 gearbeitet, aber produziert wie gerade geschrieben nun Hardware und Software selbst …

Man wird aber den Eindruck nicht los, dass es in den deutschen Automobilkonzernen massiv rumpelt. Die Corona-Krise deckt dabei Versäumnisse auf, die wohl schon vor Jahren gemacht wurden. Wie kommentiert Holger Appel süffisant in der FAZ den Sanierungsfall Mercedes:

Weil der Sonnyboy Dieter Zetsche Elektromobilität und Digitalisierung verschlafen hat und sein Nachfolger Ola Källenius den ihm überlassenen Mercedes-Karren nicht aus dem Dreck kriegt.

Schlusslicht: Saniert mit Strategie

Und Ola Källenius will jetzt wohl statt auf A- und B-Klasse mehr auf die S-Klasse setzen, um sich über das Luxussegment zu differenzieren: „Luxury is Profit ist die neue Strategie von Källenius,“ kommentiert Ferdinand Dudenhöffer. Vielleichtb hofft man, dass den Autofahrern irgendwann doch angeblich vorhandene Verarbeitungsmängel bei Tesla-Fahrzeugen auffallen? Derzeit nehme ich gefühlt immer mehr Teslas wahr … Und Tesla schläft sicher nicht – und baut im Herzen Europas die neue „Giga Factory“ in Brandenburg.

Die kommenden Jahre dürften also spannend und herausfordernd für den Automobilstandort Deutschland werden. So weit eine kurze Bestandsaufnahme aus der Megaperspektive. Und in Kürze dann meine persönliche Bestandsaufnahme als gemeiner Autofahrer.

* Im IBM Livestudio ist noch ein weiterer Schwerpunkt für Mitte August 2020 angedacht. Dort werden wir uns aber wahrscheinlich nicht so mehr mit den Fahrzeugen selbst, sondern eher mit Lieferketten und Produktion auseinandersetzen.