Interview Maria Gomez mit Ivo Körner zu Führung 2.0

14. November 2012 Posted by Maria Gomez

 

Führung im Social Business: „Der Abstand in der Vertikale wird geringer"


Immer mehr Unternehmen in Deutschland haben mit der Transformation in ein Social Business begonnen. Soziale Netzwerke und Tools wie Team-Rooms, Blogs, Wikis oder Profile verändern die Art und Weise der Zusammenarbeit drastisch. Was diese Veränderung für Führungskräfte bedeutet, habe ich meinen Kollegen Ivo Körner, VP Software Group bei der IBM Deutschland, gefragt.


Maria Gomez: Deutsche Unternehmen wie Bosch, Continental oder Bayer drücken auf ihrem Weg ins Social Business mächtig aufs Gas. Was verändert sich hier für die Mitarbeiter ganz konkret in ihrer täglichen Arbeit?

Ivo Körner: Vor allem können sie sehr viel produktiver arbeiten. Klassische Zeitdiebe wie E-Mails, Telefonkonferenzen oder das Handling von Dokument-Versionen werden sie sehr viel weniger belästigen. Das ist aber nur ein Aspekt der Transformation. Ein anderer betrifft die gesamte Arbeitskultur. Bislang war Arbeiten ein lineares Abarbeiten einzelner, von den Vorgesetzten geschnürter Arbeitspakete. Jeder Mitarbeiter hatte eine ganz bestimmte Vorgabe zu erfüllen. Dieser starre Prozess wird in einem Social Business aufgeweicht, genauso wie die alten hierarchischen Strukturen in Abteilungen. Denn mit der Facebookisierung ziehen auch die Regeln des Mitmach-Netzes in die Unternehmen ein. Aufgaben werden nicht mehr stillschweigend erledigt, sondern gemeinschaftlich und im stetigen Dialog mit der Community. Zugleich werden die Aufgaben sehr viel stärker in Form von Projekten organisiert, für die sich spezielle Teams zusammenfinden und nach erfolgreicher Erledigung wieder auseinander gehen. Für die Mitarbeiter bedeutet das sicherlich eine enorme Umstellung, aber zugleich wird der Job dadurch abwechslungsreicher und eigenverantwortlicher und damit auch attraktiver für diejenigen, die es nicht mehr anders kennen, sprich: die Digital Natives.


Maria Gomez:Welche Rolle spielt die Führungsperson angesichts dieser Veränderung? Was ändert sich im Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter?

Ivo Körner: Der Abstand in der Vertikale wird geringer, die Zusammenarbeit zwischen Führungskraft und Mitarbeiter geschieht mehr und mehr auf Augenhöhe. Führungskräfte müssen in viel stärkerem Maße als zuvor Team-Player sein -- das ist ein entscheidender Unterschied zu den alten Verhältnissen. Führungsqualitäten werden sehr viel weniger an äußeren Symbolen festgemacht, sondern an der Sachkompetenz und an sozialen Kriterien wie Teamfähigkeit und Kommunikationsstil. Von beiden Seiten wird ein Stück weit erwartet, Teile des jeweils anderen Rollenmusters zu übernehmen: Die Führungskraft muss kritikfähig und offen sein. Der Mitarbeiter arbeitet hingegen viel eigenständiger, muss aber zugleich seine Arbeitsergebnisse transparenter und messbarer machen und dafür einstehen.


Maria Gomez: Besteht damit nicht die Gefahr, dass Führungskräfte ihre Verantwortung ans Team delegieren? Wie gestaltet sich die Rolle einer Führungskraft 2.0 genau?

Ivo Körner: Führungskräfte sollten vor allem das machen, was eigentlich ihre natürliche Rolle ist: mit gutem Beispiel vorangehen, also: Leading by example. Viele Nicht-Digital-Natives unter den Managern müssen daher lernen, sich geschickt in dieser neuen Welt zu bewegen. Auch ich habe mir viele Fertigkeiten aneignen müssen. Die Kommunikation über unseren Instant Messaging Dienst IBM Sametime zum Beispiel ist oftmals viel effizienter als Mailen. Die Anzahl meiner Emails hat sich um etwa 60 Prozent reduziert, ich nutze sie fast nur noch für Formales wie offizielle Anweisungen. Aber wichtiger als der Umgang mit den Tools ist die Akzeptanz neuer Rolleneigenschaften: Die Führungskraft ist heute eher Moderator als Boss, also einer, der Entwicklungen einschätzen kann, auch wenn andere im Detail, gerade in Sachen digitaler Zusammenarbeit, vielleicht mehr wissen. Die inhaltliche Führung wird sich von formaler Führung abkoppeln. Das bedeutet aber nicht, dass die Führungskraft am Ende ihre Verantwortung weg-delegieren kann. Und deswegen hat sie natürlich auch nach wie vor das Recht auf souveränes Entscheiden.

Social Business made in Germany

6. November 2012 Posted by Maria Gomez

Deutsche Unternehmen genießen im Ausland einen hervorragenden Ruf -- „Made in Germany" gilt ja seit langem gemeinhin als Prädikat für Wertarbeit. Ein leuchtendes Beispiel ist hier etwa die Automobilbranche -- deutsche Autos sind Exportschlager auf der ganzen Welt.

Damit verbunden ist im Ausland häufig das Bild des traditionellen, eher konservativen Unternehmens: zwar gründlich und innovativ, aber auch ein bisschen starr, um nicht zu sagen langweilig. Der Gedanke des Social Business mit seiner offenen Kultur der Vernetzung, seinen abgeflachten Hierarchien und der Betonung auf partnerschaftlichen Wissensaustausch scheint bei oberflächlicher Betrachtung nun wirklich nicht auf Anhieb zu diesem Bild zu passen.

Daher überrascht es manche vielleicht, dass deutsche Unternehmen in Sachen Social Business-Transformation durchaus mit den anderen Nationen mithalten. Ja, viele gelten sogar als Vorreiter.

Zu ihnen zählt zum Beispiel Continental. Das Unternehmen vernetzt mit Social Business-Tools seine 190 Standorte in 39 Ländern. Auch Bosch integriert Social-Software in die bestehenden Arbeitsplätze und Prozesse, um die Transformation in ein Social Business voranzutreiben. Interessant ist ebenso das Beispiel Bayer MaterialScience. Das Unternehmen des Bayer-Konzerns nutzt Social-Tools besonders aktiv für den Wissensaustausch. Mit Hilfe von IBM Connections entstehen hier Communities, in denen die Mitarbeiter Wissen und Ideen über Blogs, Wikis und Activities austauschen.

All diese Unternehmen haben im September auf der IBM Connect in Stuttgart ihre Social Business-Projekte vorgestellt. Und neben den wirklich interessanten Beispielen hat mich vor allem die Reaktion im Publikum gefreut: Ich habe kein ungläubiges Kopfschütteln oder leicht genervtes Abwinken gesehen, wenn die Praktiker in diesen Unternehmen über interne Blogs, flache Hierarchien oder grenzenlosen Wissensaustausch gesprochen haben. Vielmehr war da echtes Interesse an einem Überdenken traditioneller Arbeitsweisen.

Und vielleicht liegt hier auch der Grund, warum die Social Business-Transformation in Deutschland offensichtlich so gut funktioniert: Unternehmen hierzulande haben erkannt, dass sie Dinge anders machen müssen, um weiterhin in Sachen Innovationen global mitreden zu können. Und nun gehen sie es in der gewohnten deutschen Gründlichkeit an, ohne viel Aufhebens und offenen Mutes.

Denn Innovationen zu fördern ist eine elementare Funktion des Social Business. Neue Ideen entstehen heute nämlich nicht mehr einsam im Labor eines Erfinders, sondern eher im Teamwork. Tatsächlich arbeiten 53 Prozent der CEOs in großem Umfang mit Partnern zusammen, um Innovation zu schaffen, wie die aktuelle CEO-Studie zeigt. Deutsche Unternehmen haben den Trend erkannt. Und da Ideenreichtum in einer Erfindernation das wichtigste Gut ist, haben sie den Gedanken des Social Business adoptiert.

Und die Möglichkeiten des Social Business umfassen das gesamte Unternehmen, von der Personalabteilung bis ins Marketing. Als Spezialisten für das Change-Management und verantwortlich für die Erschließung des Bestmöglichen in jedem Mitarbeiter sollte die Social Business-Transformation sogar ganz besonders der Personalabteilung am Herzen liegen. Wenn sie hier ihre Rolle als Enabler wahrnimmt, ergreift sie eine große Chance, ihren eigenen Wert für das Unternehmen zu steigern. Ähnliches gilt für das andere Ende der Skala: Mit den Social Tools erwachsen den Marketingverantwortlichen eine Fülle an neuen Möglichkeiten, die Interaktion mit den Kunden zu verbessern und zugleich ihre Arbeit, ihren Wertbeitrag messbar zu machen.

Es gibt für all dies schon sehr gute Musterunternehmen hierzulande. Und natürlich noch jede Menge Ausbaupotenzial. Denn eines zeigen diese sehr konkreten Beispiele aus den Unternehmen meiner Meinung nach auch: Die Zeit des Zweifelns und Zögerns ist endgültig vorbei. Es geht nun vielmehr darum, voneinander zu lernen und dann die Dinge anzupacken. Und wenn dann dem Social Business das Prädikat „Made in Germany" als Qualitätsmerkmal dauerhaft angehört, würde mich das umso mehr freuen.