Wenn es um Homeoffice oder Themen rund um HR geht, dann ist gern gesehener Stammgast, ja Co-Moderator bei #9vor9: Peter M. Wald, Professor für HRM an der HTWK Leipzig. Und bei #9vor9 vom 16. März haben wir das uns das Thema Talent Management in diesen besonderen Zeiten der Pandemie vorgenommen. Talent Management und entsprechende Lösungen waren ja auch einmal Teil meiner Marketingarbeit in der IBM.
In unserem Gespräch haben wir die verschiedenen Aspekte, vom Finden und der Rekrutierung neuer Mitarbeiter:innen über die Einarbeitung bis hin zum Halten und Motivieren besprochen. All diese Phasen sind natürlich jetzt deutlich schwieriger geworden, wie auch gerade mein Freund Henry Walther bestätigt, dem es auch schwer einfällt neue Kollegen:innen in die Firma einzuarbeiten. Dabei geht es gar nicht nur um die fachliche Einarbeitung. Vielmehr ist der soziale Aspekt offenbar wesentlich relevanter und wichtiger. Wie soll man über virtuelle Verbindungen den Stallgeruch des Unternehmens oder der Abteilung einatmen und sich im positiven Sinn gesprochen sozialisieren und wohl fühlen?
Peter hat natürlich durch seine Tätigkeit die Herausforderung, die Studenten:innen virtuell zu unterrichten. Er legt wert auf persönliche „Open Peter-Stunden“, wo Studierende das persönliche Gespräch mit ihm führen können. Mehr Privates preis geben und so mehr Nähe schaffen, das ist eine seiner Empfehlungen. Der Arbeitstag kann und sollte nicht nur aus den formellen Meetings, Webex’en und Zooms stattfinden. Gerade Führungskräfte sollten auch auf informelle, virtuelle Kaffeepausen und Gespräche Wert legen, so unisono die Meinung des #9vor9 Plenums. Nur so kann eine gewisse Atmosphäre, Vertrauen, Motivation, Mitarbeiterzufriedenheit, Bindung an das Unternehmen erzielt werden.
Meine 2 Cents: Wenn ich im Büro bin, dann genieße ich auch die informellen, sozialen Kontakte. Mit denen, mit denen ich eng zusammenarbeite, versuche ich das auch heute virtuell zu leben. Man redet auch so mal unter vier Augen, egal mit welchem Werkzeug. Das muss sein. Auch das Gelästere über manche Zustände. Ausk…tzen gehört dazu und befreit. Was mir „on top“ fehlt sind die spontanen Treffen mit Kollegen :innen, denen man auf dem Flur begegnet und wo man einfach mal einen Kaffee trinken geht. Das gelingt mir eher selten in der komplett virtualisierten Homeoffice-Umgebung. Der Zufall ist schwer virtuell nachzubauen …
Und natürlich gibt es #9vor9 auch wieder als Podcast auf den bekannten Plattformen und hier im Netz.
Wie versprochen (oder angedroht) haben sich Peter M. Wald, Lars Basche und ich nochmals zu einer Sondersendung von #9vor9 unter dem Thema Führung in Zeiten von Covid-19 und Homeoffice getroffen. Was ist das Fazit (wenn es eines geben sollte)? Wir lernen alle dazu, ständig. Vor allem aber sollten wir Empathie und Vertrauen vermitteln. Unten unser Gespräch von schlappen 17 Minuten. Und wer Wünsche oder Ideen für einen weiteres Thema hat, das wir behandeln sollten, einfach melden.
Zeit für ein neues Leipziger, nein Homeoffice-Allerlei, denn mir sind wieder einige Beiträge aufgefallen, ja oft auch aufgestoßen. Und ich schicke noch einmal meine Meinung vorweg. Die leider sehr oft schwarz-weiß geführte Diskussion mit den Parametern „nur Büro“ oder „nur Homeoffice“ ist nicht zielführend. Es geht um einen gesunden Mix von Remote Work und Arbeiten im Büro, basierend auf den zu erledigenden Aufgaben, den Lebensumständen und auch auf den Präferenzen des Arbeitnehmers.
Gerade letzten Satz schreibe ich sehr bewusst und bin deshalb auch dafür, ein Rechte auf Heimarbeit gesetzlich zu verankern. Wer daheim arbeiten will, die:der soll das dürfen, dem soll es nicht verboten werden können , solange sie:er es wollen. Und da ecke ich natürlich wieder bei denjenigen an, die auf der einen Seite scheinbar die Selbstausbeutung der Arbeitnehmer oder aber einen Eingriff in unternehmerische Freiheiten befürchten.
Gegen das Recht auf Homeoffice
Und hier widerspreche ich explizit Dietrich Creutzburg, der in der FAZ von politischer Überheblichkeit spricht und gegen ein „Recht auf Homeoffice“ kommentiert. „Ein Rechtsanspruch zöge hingegen nur dort, wo Arbeitgeber Wünsche nach Homeoffice mutwillig abblocken,“ schreibt Creutzburg, um das Recht abzubügeln. Aus meiner Beobachtung heraus, haben aber Arbeitgeber durchaus bewusst wieder Präsenz im Büro eingefordert, angeblich weil mein gemeinsam Schulter an Schulter produktiver sei.
Online-Umfrage in der FAZ, Stand 14.62020, ca. 11 Uhr – sicherlich keine repräsentative Umfrage, aber ein Schlaglicht
Solche Anordnungen treffen dann dabei meist die Teilzeitbeschäftigten, meist Frauen, deren Lebensrhythmus inklusive Kinderbetreung nicht mehr funktioniert kann – und die dann von sich gehen. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt? Ein noch größeres Schelm, wer angesichts solcher Ereignisse dann das Recht auf Heimarbeit ablehnt.
Und natürlich malt Creutzberg wieder den Teufel an die Wand: Entgrenzung, Isolation und Depression. Es geht um ein verbrieftes Recht auf Homeoffice, nicht darum Heimarbeit vorzuschreiben, Herr Creutzburg. Wer nicht will, der kann ja im Büro arbeiten. Und ich fange hier gar nicht von den Pendelzeiten oder dem Umweltschutz an.
Am Heimarbeitsplatz derzeit am produktivsten – Studie der TU Darmstadt
Auch in der FAZ – deren Onlineversion ich nun einmal abonniert habe – habe ich den Bericht über eine aktuelle Langzeitstudie der TU Darmstadt gefunden, nach der Heimarbeit gut ankommt. Mehr als jeder zweite deutsche Befragte gibt demzufolge an, im Homeoffice zufriedener und auch entspannter als im Büro zu sein. Und man arbeitet in der Pandemie daheim im Vergleich am produktivsten. Auch ein interessantes Ergebnis.
Entnommen der FAZ – alle Rechte bleiben dort
Der Vollständigkeit halber sei bemerkt, dass Ruth Stock-Homburg, Professorin für Marketing und Personalmanagement und Leiterin der Studie, vor einem Boreout, einer Sinnkrise und Langeweile durch Heimarbeit warnt. Da frage ich mich, ob ein solches Boreout denn nur auf Homeoffice beschränkt ist oder gar ein generelles Phänomen sein kann. Und mir stellt sich hier die Frage einer aktiven Führung, eines aktiven Coachings und Managements.
Büros: Hort der Gemeinsamkeit und Zusammenarbeit, gebauten Identität
Und los zur nächsten Studie, eine internationale Umfrage der Kommunikationsberatung Kekst CNC, die die FAZ unter dem BILD-enden Titel Lasst uns wieder ins Büro vorstellt. Demzufolge wollen die Deutschen wieder an ihren geliebten Arbeitsplatz, haben Lust aufs Büro. Immerhin – und die reißerische Überschrift korrigierend – wünschen sich laut Bericht insgesamt mehr als 70 Prozent der Deutschen, dass Heimarbeit grundsätzlich öfter, und flexiblere Arbeitszeiten (mit 77 Prozent Zustimmung) häufiger werden.
Und keine Sorge, ich lese und kuratiere nicht nur die FAZ. Schon länger zum Kuratieren markiert ist ein Gastbeitrag von Sabine Hübner im WiWo Management-Blog der geschätzten Claudia Toedtmann: Büros sind Orte der Zugehörigkeit für Rückhalt und Zusammenarbeit – und damit unverzichtbar. Menschen brauchen ihre Höhlen und nicht den Chef am Küchentisch, so der Titel. Do hauts mi nieder. Immerhin gesteht Hübner dann doch Heimarbeit zu, wenn es passt. Der Überhöhung des Büros allerdings als „gebaute Identität“ kann ich nur sehr beschränkt folgen, wenn ich an die üblichen Großraumbüros und Kontrolle und Führung am Arbeitsplatz vor Augen denke. Nicht jedes Büro ist eine gestyltes Google-Headquarter oder ein Apple-Shop.
Im normalen Bürogebäude ist dann eher der Flurfunk noch der größte Hort der Identität. Und Kundenorientierung, liebe Frau Hübner, hat absolut nichts damit zu tun, ob man im Büro sitzt. Kundenorientierung und Servicegedanke sind eine Haltung, und zwar nicht eine per Order Mufti vom Marketing formulierte „Customer First“-Webseite, sondern eben eine innere Einstellung und Selbstverständlichkeit. Auch ob ein Büro zum seelischen Wohlbefinden beitragen muss, wage ich doch leicht zu bezweifeln. Die Realität in manchem Bürogebäude mag eher von anderen Aspekten geprägt sein.
Führungskräfte mit Gespür und Einfühlungsvermögen
An dieser Stelle sei dann Randstad-CEO Richard Jager zitiert – wieder ein Gastbeitrag bei Claudia Tödtmann:
Denn die Zeiten, in denen möglichst viele Menschen gleichzeitig und eng an eng in einem großen Raum arbeiten, sind vorerst vorbei – wenn sie es nicht schon längst waren. Es stellt sich also die Frage, wie beispielsweise die oft ungeliebten Großraumbüros so umgestaltet werden, dass Arbeitssicherheit unter Corona-Gesichtspunkten gewährleistet ist.
Neben der Umgestaltung der Büros und Arbeitszeiten angesichts von Corona fordert er richtigerweise eine gute Führungskultur:
Und es braucht Führungskräfte mit sozialem Gespür und Einfühlungsvermögen, die gezielt den Austausch mit ihren Mitarbeitern suchen. Ihre Aufgabe ist es, sich um die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiter stärker zu kümmern und ein Arbeitsklima zu schaffen, in dem sie sich sicher und wertgeschätzt fühlen. Das ist das Gebot der Stunde.
Meiner Ansicht nicht nur ein Gebot dieser Stunde, denn vergessen wir nicht, dass schon vor Corona 40 Prozent der Mitarbeiter weltweit sagten, sie litten unter arbeitsbedingtem Stress (Randstad Studie Sustainability@Work 2020).
Niemand will für einen Dinosaurier arbeiten – gestaltet ein neues Arbeitsplatz- und Arbeitszeitmodell
Nochmals: Ich warne vor einer Überhöhung des Büros ebenso wie vor dem Homeoffice als Allzweckarbeitplatz für jede und jenen. Lasst uns endlich differenziert an das Thema herangehen und die Chancen gestalten, für ein anderes Büro, das für Kreativität, produktive Meetings und sozialen Austausch steht, und für einen Heimarbeitsplatz, der vernünftig organisatorisch und technisch gestaltet, beispielsweise Zeit für konzentriertes Arbeiten schafft, und auch Familien und besonders Frauen mindestens gleichberechtigte Karrierechancen bietet.
Marcus K. Reif hat einen absoluten lesenswerten Beitrag geschrieben, der Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften, uns alle zum Nachdenken und Gestalten anregen sollte. Ein Kernsatz: Niemand will für einen Dinosaurier arbeiten! Und er formuliert es sehr plastisch:
Wie geht ein Unternehmen mit dem Bedürfnis eines Mitarbeiters um, der gerne und viel joggt und am Nachmittag um 14:00 Uhr seine beste Zeit läuft? Wie geht ein Unternehmen mit einem Mitarbeiter um, der gerne um 16:00 Uhr nach Hause fährt, um abends um 22:00 Uhr noch eine Stunde zu arbeiten? Wie ist die gängige Praxis der Präsenz im Büro? Wird die Arbeit von zum Beispiel zu Hause toleriert, akzeptiert und gewünscht? Akzeptieren die Unternehmen die gewünschte Flexibilität auf der einen Seite, deren Widerstreit mit z. B. dem Arbeitszeitschutzgesetz auf der anderen?
Fast zum Abschluss und zur Erheiterung sei noch die Kolumne Business Class Trau keinem at home von Martin Suter empfohlen, denn welcher Chef weiß schon, was die lieber Mitarbeiter:innen so im Homeoffice treiben …
Was Decker am meisten beschäftigt am Homeoffice, ist die Frage: Was machen die at home? Sind die überhaupt at home? Kann man sich bei Leuten wie Klemm oder Hagemann, vor allem bei Hagemann, darauf verlassen, dass die at home sind?
Ist da gar manchmal ein Stückchen Wahrheit … Nein, garantiert nicht.
Noch einige Tweets, die ich mir zum Re-Tweeten bzw. -Bloggen markiert hatte. Man möge mir die Auswahl verzeihen – oder auch nicht.
Auf dem Weg zum Büro. Maskengebot, Einbahnstraßen, Social Distancing. Alles nötig und sinnvoll. Aber Spaß ist was anderes. Ich prophezeie dem Homeoffice eine goldene Zukunft … pic.twitter.com/vutW0GnvkZ
— Christian Buggisch (@Chris_Buggisch) May 25, 2020
Heute erster (freiwilliger) Büro-Tag seit dem 12.3. – fast nix los; und Kantine mit "Not-Essen" usw…. gerade mit einem Kollegen jeweils am Kopfende vom Tisch sitzend essen gewesen… allzu oft werde ich in den kommenden Wochen wohl nicht wieder hier sein… #HomeOffice#Corona
auf der Prof. Peter M. Wald, Gunnar Sohn, Lars Basche und ich regelmäßig Beiträge und Referenzen zum Thema Homeoffice und Remote Work kuratieren. Rein schauen und kommentieren!
Und hier die Links zu meinen vorhergehenden Homeoffice-Allerleis (wobei ich ja schon lange Jahre vorher zum Thema geschrieben habe.
Der Artikel von Claudia Tödtmann zu immer mehr Arbeit für immer weniger Mitarbeiter ist schon ewige Zeiten im einem Browser-Tab offen.
Und wie begegnen die Manager dem stillen Stöhnen der Mitarbeiter? Wie werden sie dem Arbeitsschutz gerecht? Pustekuchen! Fürsorgepflicht gegenüber Arbeitnehmern? Bloß nicht. Sie drehen den Spieß flugs um und werfen ihnen nötigenfalls vor: Wer die viel mehr Arbeit nicht mehr schafft, hat selbst schuld – denn er priorisiert / organisiert nur seine Arbeit selbst falsch. Dann kann der Betroffene noch froh sein, nicht als Minderleister an den Pranger gestellt zu werden.
Frei nach dem Motto, die Top-Manager streichen Stellen. Sie werden dafür mit Boni belohnt und ausbaden tun es die verbliebenen Mitarbeiter, die dasselbe Arbeitspensum oder gar mehr in derselben Zeit bewältigen müssen.
Hier die zugehörige Grafik, die die Ergebnisse der Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der Hans-Böckler-Stiftung zur gestiegenen Arbeitsbelastung visualisiert:
Auch Gunter Dueck hat sich in einem Interview mit dem SPIEGEL (leider hinter dem Paywall) skeptisch zur fortschreitenden Digitalisierung des Arbeitslebens geäußert:
Theoretisch sollte sie uns das Arbeiten erleichtern, aber in der Realität führt sie dazu, dass das Management seine Mitarbeiter mit Dauerkontrollen und ständiger Optimierung quält. Die Firmen übertreiben es einfach. Sie hetzen die Mitarbeiter durchs Tagesgeschäft.
Prozessknechte oder sinnvolle Entlastung von Routinetätigkeiten
Der von mir sehr geschätzte Dueck prangert die fortschreitende Automatisierung an und schüttet meiner Meinung das Kinde mit dem Bade aus. Er prangert an, dass „vor allem Routineaufgaben werden gewissermaßen mcdonaldisiert“ würden. Da musste ich natürlich an mein Gespräch mit Peter Collenbusch und auch an viele meiner Vorträge oder Beiträge denken, in denen wir genau die Entlastung von Routinetätigkeiten positiv bewerten – wenn dadurch mehr Zeit für die eigentliche, wert- und sinnschöpfende Tätigkeiten geschaffen wird.
Werden die Mitarbeiter immer mehr zu Knechten der Prozesse, wie es Dueck sagt? Und die Zahlen und die täglichen Messlatten bestimmen demnach den Wert der Mitarbeiter. Multitasking werde zur Regel. Ja, lieber Gunter Dueck, wenn es so praktiziert wird, ist Automatisierung fragwürdig. Und, liebe Claudia Tödtmann, auch ich nehme es so wahr, dass mit immer weniger Mitarbeitern immer mehr geleistet werden soll. Das ist ein Management-, ein Führungsproblem, vor allem auch ein Problem im Umgang mit Menschen, aber kein Problem von Digitalisierung an sich. Automatisierung und Prozessoptimierung gab es immer, ist unausweichlich. Sie möglichst human zu gestalten, dass muss die Maxime sein.
Sich im Homeoffice neu selbst organisieren
Beide, Claudia Tödtmann und Gunter Dueck, haben sich übrigens vor der heißen COVID-19-Phase geäußert. Warum erwähne ich das? Gerade auch in der heißen Diskussion um Horror Office und Homeoffice wird besagter vermehrter Druck und das Thema Arbeitsverdichtung erneut thematisiert. Remote Working sollte nicht zu (noch) mehr Stress führen. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen Homeoffice noch „lernen“. Sie müssen sich und ihre Arbeit daheim strukturieren, die notwendigen Pausen und Auszeiten nehmen und bewusst auch ihren Computer und ihr Smartphone ausschalten.
Nur zu knechtet uns unser eigenes Arbeitsethos
Der Druck durch Managerinnen und Manager, denen es an Empathie und Menschlichkeit fehlt, ist sicher weiter da, gefühlt sogar größer geworden. Doch ich merke auch immer wieder, dass ich mir selbst zu viel Stress mache. Man will seine Aufgaben einfach doch gut machen und erledigen, auch wenn die Arbeit immer mehr wird. Man lässt sich durch das eigene Arbeitsethos knechten. Und oft gewinnt man den Eindruck, dass genau darauf gezählt wird. Aber das war auch vor dem Virus so.
So kommen einige Faktoren zusammen: Arbeitsverdichtung bei immer weniger Mitarbeitern, immer höherer Druck durch das Management und Selbstknechtung aus falsch verstandenem Arbeitsethos. Digitalisierung und Automatisierung scheinen mir deshalb nicht das eigentliche Problem zu sein. Dass diese aber mit Hirn und Verstand, mit der Frage nach Sinnhaftigkeit umgesetzt werden sollten, ist natürlich unbestritten. Doch zeigt sich auch gerade jetzt, dass Digitalisierung in vielen Bereichen notwendig und sinnvoll ist.
Gut gebrüllt, Löwe. Marcus K. Reif nimmt in seinem Beitrag das Mikromanagement auseinander, das manche Führungskräfte, ja was Managementkultur in manchem Unternehmen ist. Ich bin der Überzeugung, dass diese Firmen auf Dauer nicht erfolgreich sein werden und in einem Zeitalter immer schnelleren Wandels sein können. Den ganzen Beitrag lesen.
Marcus schreibt u.a. zu Micromanagement:
Dies kommt einer Enteierung der Mitarbeiter gleich. Sie können die Motivation der Mitarbeiter nicht schneller sinken lassen als durch ausgedehntes Micromanagement und einem hohen Regulierungsgrad. Das Bedürfnis nach Details und regelmäßigen Reportings, ausgiebigem Tracking und Einschreiten mit Zwischengesprächen kennzeichnet den Micromanager ebenfalls, wie die fehlende Fähigkeit zuzuhören oder der zu hohe Fokus auf Fehler und die Suche nach der Fehlerquelle.
Im Handelsblatt ist gestern (22.3.2018) ein Beitrag unter dem Titel „Führungs-Know-How – Mittelmanager brauchen mehr Mut und Widerspruchsgeist“ erschienen. Premium-Inhalt, also kostenpflichtig, egal, hab ich mal erworben, da mich das Thema aktuell umtreibt und ich auch vor einigen Jahren selbst als Mittelmanager entsprechende Erfahrungen sammeln durfte. Jetzt bin ich nur „normaler“ Manager ohne Personalverantwortung und damit auch weitgehend Führungsverantwortung. In meiner Company zählt wie in vielen anderen Unternehmen doch eher das Personal, dass an einem berichtet, denn die fachliche, Führungs- oder menschliche Kompetenz.
Und ja, der Mittelmanager ist nicht zu beneiden, denn sie oder er sitzt im Sandwich: Druck von allen Seiten. Im Handelsblatt-Artikel fordert Managementexperte Reinhard Sprenger mehr Mut:
Ob Mitsprache oder Gestaltungsmöglichkeiten – „für Mittelmanager gibt es sehr viel mehr Spielraum, als mancher denkt“, sagt Sprenger. „Loyale Reparaturintelligenz von unten“ nennt er das auch. „Nicht auszudenken, wenn der ganze Blödsinn von oben immer eins zu eins umgesetzt würde“, sagt er.
Klingt gut, das braucht aber Rückgrat. Funktionieren und Exekutieren ist natürlich einfacher und viel bequemer. Wird auch eher goutiert. Und ob der Mittelmanager in seinen hoffentlich stattgefundenen Managementtrainings zum Rückgrat erzogen wurde? Ich habe da meine Zweifel.
Sicherlich kann man den/die Mittelmanager/in nicht generalisiert betrachten und über einen Kamm scheren. Es hängt vom Unternehmen, dessen Struktur und Branche, vom Vorgesetzten des Mittelmanagers, dem eigenen Profil ab und auch von den Mitarbeitern ab. Meiner Erfahrung und Beobachtung nach ist jedoch Rückgrat, Widerspruchsgeist und Mut eher rar gesät und wenn vorhanden um so lobenswerter. Und ich habe auch die Mittelmanager, die Rückgrat besaßen, nicht selten frustriert gehen sehen. Oder man macht den Job als Mittelmanager halt besser erst gar nicht.
Öfter zu beobachten scheinen mir die Mittelmanager zu sein, die nach oben … und nach unten … Und die ihre Macht und ihre Stelle bei Restrukturierungen und auch der digitalen Transformation mit Händen und Füssen zu verteidigen suchen. Nochmals, ich will hier nicht pauschalisieren, lieber Jörg Allmann, aber von der hierarchiefreien oder flachen Organisation, die eben nicht nach Command-and-Control funktioniert, scheinen wir meiner Ansicht nach in der Regel meist weit entfernt zu sein.
Vor jedem Mittelmanager mit Rückgrat ziehe ich den Hut. Respekt.
Respektieren tue ich persönlich menschliche, fachliche und kommunikative Kompetenz, nicht Hierarchie. Der muss man notgedrungen manchmal einfach gehorchen.
Dieser Beitrag von Gartner, der in meinem Posteingang gelandet ist, passt zu den Dingen, die mich derzeit umtreiben und bewegen. Hoffe mal, dass manche wirkliche Führungskraft das ernst nimmt:
Adopt the principle of “people first”’
In the digital environment, leaders cannot simply “manage” work. They have to engage their workforces and inspire people to participate. It’s not enough for leaders to know what they want to achieve when starting new initiatives; leaders have to listen to employees from the outset, asking them how they see proposed outcome.
Leaders can inspire employees by removing individual insecurity or personal restrictions, helping them define their part in the mission and providing a perspective of personal rewards. The next part for leaders is to work with employees, determine the nature and volume of their work and get them to commit to it. Develop trust and collaboration continually
Collaboration is the key to success for leadership in the digital age. But collaboration is simply not possible without shared purpose, individual and collective engagement, and commitment.
Vorab, Euer Ehren: Ich bin schuldig im Sinne der Anklage. Ich bestelle selbst immer wieder bei Amazon. Und das Thema Niedriglöhne und nicht unbedingt erstrebenswerte Arbeitsverhältnisse bei Amazon ist ja auch nicht neu. Jetzt bin ich durch zwei Ereignisse auf das Thema gestoßen.
In der heute SHOW von Oliver Welke gab es einen Beitrag zum Thema Weihnachtssklaverei, Paketdienste und Onlinebestellungen. Natürlich ist hier auch Amazon – die HTML-Seite heisst sinnigerweise https://www.zdf.de/comedy/heute-show/amazon-crime-102.html – mit seinen Tarifen und seiner offensichtlichen Knechtung und Überwachung der Mitarbeiter im Versandhandel – ich benutze bewusst Versandhandel – ein Thema. Das Thema schwelt schon seit Jahren und ist auch wohl dokumentiert. Amazon zahlt den Mitarbeitern den Logistiktarif, die Gewerkschaft verdi fordert den Tarif des Einzel- und Versandhandels.
Das Video unbedingt anschauen. Laut ZDF Mediathek ist es bis 08.03.2018, 23:00 online. Aus technischen Gründen – es ist wohl nicht auf YouTube verfügbar – kann ich es nicht direkt einbetten. Doch jenseits der Tariffrage – ich komme auf meine Schuld zurück – klagt das Video auch unser Verhalten, das Verhalten der Konsumenten an. Wir kaufen immer mehr Produkte online und das schon seit Jahren. Auch ich habe das und tue das noch viel zu oft aus Bequemlichkeit.
Vom Schreibtisch im Home Office ist schnell etwas bestellt. Man muss sich nicht in das nächste gelegene Geschäft bewegen, um eine Artikel zu suchen, der dann doch nicht da ist. So werden mir Bücher, IT Gadgets, Sportshirts und andere Dinge per Paketdienst ins Haus geliefert und das funktioniert bis auf wenige Ausnahmen – als Home Office-Arbeiter bin ich oft daheim – meist zeitnah und reibungslos.
Gut, aufgrund der Marktdominanz und besagter Praktiken versuche ich und habe ich meine Bestellungen unterdessen eingeschränkt und stärke wo immer es geht den lokalen Einzelhandel, auch wenn dort die Erfahrungen mit Service und Auswahl oft nicht berauschend sind und es durchaus meist mehr Zeit und Benzin kosten kann. Bücher kaufe oder bestelle ich entweder bei der lokalen Buchhandlung oder anderswo und auch bei anderen Artikeln suche ich nach Alternativen. Leider gibt es diese Alternativen nur in sehr beschränktem Maße. Amazon hat hier ein Monopol geschaffen und ob das noch einmal angekratzt werden kann, ist fraglich.
Trotzdem auch hier mein Appell, wirklich zu schauen, was man vor Ort oder auch bei anderen Quellen kaufen kann. Monopole sind gefährlich. Das gilt für Amazon und auch andere Online-, Office- und Internetgiganten, die diese Position unterdessen mehr oder weniger offen ausnutzen. Meine zunehmende Skepsis gegenüber Amazon und Datenschutzbedenken sind übrigens auch der Grund, warum bei mir noch kein Alexa in der Wohnung steht. Und das, obwohl ich neue Gadgets immer gerne und zeitnah ausprobiere.
An den lokalen Einzelhandel und den europäischen Versandhandel kann man nur appellieren, vor allem einen guten Service zu bieten, der möglichst einen fühlbaren Mehrwert gegenüber der Online-Bestellung oder der Bestellung bei Amazon offeriert. Ich weiß, es ist oft problematisch, den Laden offen zu halten, aber ich gehe beispielsweise ganz bewusst zu der Apotheke vor Ort, die auch mittags den Laden offen hält. Fön und kleine technische Geräte kaufe ich bei einer älteren Dame in Eberstadt, wo man seine Geräte auch noch – man mag es kaum glauben – zur Reparatur vorbeibringen kann. Wie lange sie und ihre „Nachfahren“ den Laden noch offen halten kann … Ich drücke die Daumen. Ich weiß, das sind alles nur kleine, hehre Beispiele, ein Tropfen auf den berühmten heißen Stein und das dicke Brett ist nicht gebohrt, aber es fühlt sich gut an und irgendwie muss man ja anfangen.
Zur Ilustration: Wer weiß im Netz was …
Traurig ist es halt, wenn gerade auch der lokale Einzelhandel den Servicegedanken nicht mehr verfolgt. Der lokale Bad- und Sanitärhandel wollte halt die Leiste meiner Dusche nicht mehr bestellen, weil man dazu in den Katalog schauen, bestellen und nur für schlappe 10 Euro Geschäft macht. Ok, der Laden sieht mich bei größeren Neuanschaffungen sicher nicht wieder und ich habe die Leiste online bestellt. Nicht bei Amazon. Und auch das ein Appell: Man muss kein Amazon sein. Man kann auch in Nischen durchaus heute attraktive Angebote machen, die erfolgreich sein können. Da gibt es sicher noch eine große Chance für Kleinunternehmer mit Phantasie.
Zurück zu Amazon. Das zweite Ereignis ist viel persönlicher und ich bin mir auch gar nicht sicher, ob es hier publiziert gehört. Da es aber anonymisiert ist … Ein Freund in meinem Alter hat enorme Probleme mit einem Vorgesetzten, der ihn wohl bewusst extrem unter Druck setzt. Das hat zu enormen psychischen Problemen mit entsprechenden Aufenthalten geführt.
Nein, er ist nicht Packer am Fließband, sondern in einer mittleren Managerposition. Obwohl er durch seine Problem „geschützt“ sein sollte, wird er wieder pressiert und das Unternehmen bei entsprechendem Angebot auch verlassen. Was soll man auch tun, wenn man jeden Tag mit Schmerzen und Problemen an den Arbeitsplatz gehen soll? Mal schauen, wie es dort weiter geht. Und ich hoffe, er kommt gut raus und findet eine andere adäquate Stelle. Mit Mitte Fünfzig ist das ja auch nicht einfach.
Druck und Unter-Druck-setzen oder gar Mobbing gibt es sicher nicht nur bei besagtem Unternehmen. In jedem Fall und in jedem Unternehmen muss man aber anprangern, wenn Mitarbeiter zu sehr „gedrückt“ werden oder aber auch Manager gehalten werden, immer mehr über das Erträgliche aus den Mitarbeitern herauszuquetschen. Der Gewinnoptimierungs- und Rationalisierungsanspruch ist ja bei allen Unternehmen, gerade börsenbasierten, sehr stark. Doch müssen sich Führungskräfte auch gewissen Grenzen bewusst sein, die man nicht überschreiten sollte. Man könnte auch fast das Wort von der Sorgfaltspflicht für die Mitarbeiter, guter Mitarbeiterführung oder gar dem Vorteil motivierter Mitarbeiter in den Ring werfen, aber machen wir dieses Fass nicht auf.
Fast ist also hier ein Weihnachtsbeitrag erschienen, der ebenso im privaten Block und auch auf dem CIOKurator für die CIOs dieser Republik hätte erscheinen können. Da ich besagtes Video aus der heute SHOW nicht hier einbetten kann, greife ich auf den Klassiker von Charlie Chaplin zurück, den ich kürzlich auch auf dem CIOKurator verwendet habe.
Führung im Social
Business: „Der Abstand in der Vertikale wird geringer"
Immer
mehr Unternehmen in Deutschland haben mit der Transformation in ein
Social Business begonnen. Soziale Netzwerke und Tools wie Team-Rooms,
Blogs, Wikis oder Profile verändern die Art und Weise der
Zusammenarbeit drastisch. Was diese Veränderung für Führungskräfte
bedeutet, habe ich meinen Kollegen Ivo Körner, VP Software Group bei
der IBM Deutschland, gefragt.
Maria
Gomez: Deutsche Unternehmen wie Bosch, Continental oder Bayer
drücken auf ihrem Weg ins Social Business mächtig aufs Gas. Was
verändert sich hier für die Mitarbeiter ganz konkret in ihrer
täglichen Arbeit?
Ivo
Körner: Vor allem können sie sehr viel produktiver arbeiten.
Klassische Zeitdiebe wie E-Mails, Telefonkonferenzen oder das
Handling von Dokument-Versionen werden sie sehr viel weniger
belästigen. Das ist aber nur ein Aspekt der Transformation. Ein
anderer betrifft die gesamte Arbeitskultur. Bislang war Arbeiten ein
lineares Abarbeiten einzelner, von den Vorgesetzten geschnürter
Arbeitspakete. Jeder Mitarbeiter hatte eine ganz bestimmte Vorgabe zu
erfüllen. Dieser starre Prozess wird in einem Social Business
aufgeweicht, genauso wie die alten hierarchischen Strukturen in
Abteilungen. Denn mit der Facebookisierung ziehen auch die Regeln des
Mitmach-Netzes in die Unternehmen ein. Aufgaben werden nicht mehr
stillschweigend erledigt, sondern gemeinschaftlich und im stetigen
Dialog mit der Community. Zugleich werden die Aufgaben sehr viel
stärker in Form von Projekten organisiert, für die sich spezielle
Teams zusammenfinden und nach erfolgreicher Erledigung wieder
auseinander gehen. Für die Mitarbeiter bedeutet das sicherlich eine
enorme Umstellung, aber zugleich wird der Job dadurch
abwechslungsreicher und eigenverantwortlicher und damit auch
attraktiver für diejenigen, die es nicht mehr anders kennen, sprich:
die Digital Natives.
Maria Gomez:Welche
Rolle spielt die Führungsperson angesichts dieser Veränderung? Was
ändert sich im Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter?
Ivo Körner: Der
Abstand in der Vertikale wird geringer, die Zusammenarbeit zwischen
Führungskraft und Mitarbeiter geschieht mehr und mehr auf Augenhöhe.
Führungskräfte müssen in viel stärkerem Maße als zuvor
Team-Player sein -- das ist ein entscheidender Unterschied zu den
alten Verhältnissen. Führungsqualitäten werden sehr viel weniger
an äußeren Symbolen festgemacht, sondern an der Sachkompetenz und
an sozialen Kriterien wie Teamfähigkeit und Kommunikationsstil. Von
beiden Seiten wird ein Stück weit erwartet, Teile des jeweils
anderen Rollenmusters zu übernehmen: Die Führungskraft muss
kritikfähig und offen sein. Der Mitarbeiter arbeitet hingegen viel
eigenständiger, muss aber zugleich seine Arbeitsergebnisse
transparenter und messbarer machen und dafür einstehen.
Maria Gomez: Besteht
damit nicht die Gefahr, dass Führungskräfte ihre Verantwortung ans
Team delegieren? Wie gestaltet sich die Rolle einer Führungskraft
2.0 genau?
Ivo Körner: Führungskräfte
sollten vor allem das machen, was eigentlich ihre natürliche Rolle
ist: mit gutem Beispiel vorangehen, also: Leading by example. Viele
Nicht-Digital-Natives unter den Managern müssen daher lernen, sich
geschickt in dieser neuen Welt zu bewegen. Auch ich habe mir viele
Fertigkeiten aneignen müssen. Die Kommunikation über unseren
Instant Messaging Dienst IBM Sametime zum Beispiel ist oftmals viel
effizienter als Mailen. Die Anzahl meiner Emails hat sich um etwa 60
Prozent reduziert, ich nutze sie fast nur noch für Formales wie
offizielle Anweisungen. Aber wichtiger als der Umgang mit den Tools
ist die Akzeptanz neuer Rolleneigenschaften: Die Führungskraft ist
heute eher Moderator als Boss, also einer, der Entwicklungen
einschätzen kann, auch wenn andere im Detail, gerade in Sachen
digitaler Zusammenarbeit, vielleicht mehr wissen. Die inhaltliche
Führung wird sich von formaler Führung abkoppeln. Das bedeutet aber
nicht, dass die Führungskraft am Ende ihre Verantwortung
weg-delegieren kann. Und deswegen hat sie natürlich auch nach wie
vor das Recht auf souveränes Entscheiden.