Posts Tagged: ‘Konzentration’

Unter Schaudern zitiert: Blinkende Stirnbänder für fleissige Bienchen … und Träumer

26. Januar 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Beruf und Chance in der FAZ vom 26./27. Januar 2019: Nadine Bös schreibt in Nine to Five [Link folgt, sobald verfügbar] über ein Stirnband der US-amerikanischen Firma Brainco. Dieses Stirnband ist in der Lage, direkt am Kopf des Benutzers zu messen, wie konzentriert man ist. Das Stirnband sei bereits in chinesischen Schulen getestet worden. Die Lehrer hätten aufgrund von verschiedenenfarbigen Lichtern sehen können, wie aufmerksam die Schüler gewesen seien. Also nix mehr mit ablenken lassen oder gar vor sich hin träumen. Es schaudert einem. Auch wenn man die animierten GIFs im Pressekit sieht.

Focus EDU_2.gif

Focus EDU.gif

Nadine Bös treibt es in ihrem Beitrag gedanklich dann noch weiter:

Und wer es ganz futuristisch weiterdenkt, der sieht schon die Bürotäter künftig blinkende Stirnbänder an den Köpfen tragen, während sie am Computer ihrem Tagewerk nachgehen. Grünes Licht für die fleißigen Bienchen, gelbes für die Zwischendurch-E-Mail-Checker, rotes für die Ans-Tennisspiel-Denker.

Brainco bietet auf seiner Webseite drei verschiedene Produkte an: FocusEdu für Schulen, um die Aufmerksamkeit von Schülern zu „steigern“, FocusFit unter dem Motto „Stronger mind, stronger body“ und FocusNow!, um die eigene Konzentrationsfähigkeit zu steigern.

“During my research at Harvard Center for Brain Science, I realised that EEG (electroencephalography) can help train the brain and improve focus. So I founded BrainCo to give everyone access to the latest technology,”

so BrainCo Founder and CEO, Bicheng Han in: BrainCo Raises $5.5 Million in Pre-a Funding | Newswire

Die Vision gehen deutlich weiter. In einem Bild wird der Versuch gezeigt, wie man per Stirnband und Gedanken eine Computerhand steuern will.

lucy

instruction-with-light-change

© Die verwendeten Bilder entstammen dem PressKit von Brainco.

Weitere Beiträge zum Thema:

Vom Second Screen, der Aufmerksamkeit und fehlender Moral von der Geschicht

9. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Erlebnis #1:Die Tage durfte ich nach einer Augen-OP nicht lesen. Also vor der Glotze gesessen. Und dabei ist mir wieder einmal bewusst aufgefallen, wie nervig doch die Werbepausen sind. Und was mache ich während eines normalen Abends mit vollem Durchblick? ich schaue während der Werbepausen auf mein Smartphone oder einen anderen Second Screen (Tablet oder Notebook).

Erlebnis #2: Eines Abends, Babylon Berlin läuft ganz konventionell auf der ARD und das auch ohne Werbung. Mein Smartphone leuchtet auf. Eine Nachricht, die ich lese und beantworte. Und schon habe ich den Faden verloren. Wolf Lotter spricht von der Ablenkungsgesellschaft. Das gilt privat und im Job.

Was zeigt mir das? Smartphones oder Tablets vor der Glotze sind nicht nur normal-  Es ist mittlerweile gar nicht mehr sicher, was dann erster und was zweiter Bildschirm ist, wo also wirklich meine Aufmerksamkeit und Konzentration liegt. Wenn man überhaupt von Konzentration sprechen kann. Vielleicht ist es unterdessen ein sich dahinfließen lassen in einer Flut von Reizen, die sich gegenseitig auszustechen versuchen. Die Aufmerksamkeitsspanne des Menschen ist ja nicht so groß, wie eine Microsoft-Studie vor geraumer Zeit herausgefunden hat: Goldfische haben demnach bereits eine längere Aufmerksamkeitsspanne als Menschen.

Facebook – ja wirklich – hat zum Second Screen in verschiedenen Ländern eine Studie durchgeführt. In Deutschland nutzen demnach Zuschauerinnen und Zuschauer 18 Prozent der Zeit ihr Smartphone, in Werbepausen steigt dieser Wert auf 44 Prozent. Rund die Hälfte ihrer Zeit sind sie demnach auf Facebook, Instagram, WhatsApp und Messenger.

Multiscreening-Verhalten_weltweit_Facebook_for_Business.png
© Facebook – Screenshot von der Webseite

Ob First und Second Screen wirklich sich ergänzende Bildschirme sind, wie es Facebook im Blogeintrag schreibt, wage ich zu bezweifeln. Ja, bei Live-Events kann das der Fall sein, wenn man sich in Echtzeit austauscht. Wenn aber eine spannende Sendung oder ein aufregender Film läuft? Also dann möchte ich persönlich nicht gestört werden. Facebook postuliert in der Studie jedoch, dass Unternehmen sich ergänzende Werbestrategien in TV und mobil haben sollten (um einen maximalen Werbeerfolg zu haben).

Und die Moral von der Geschicht? Gibt es wohl nicht. Verschiedene Bildschirme, Multiwatching (ich nenne es bewusst nicht Multitasking, weil das „arbeiten“ suggeriert) sind Realität und werden auch nicht mehr verschwinden. Auch gegen das Sich-treiben-Lassen im Fluss der Unterhaltungsreize und des Nachrichtenstroms ist aus meiner Sicht im Prinzip nichts zu sagen, wenn es der eigenen Entspannung dient. Und was ist mit dem sozialen Aspekt? „Gemeinsam“ fernsehen ist ja durchaus ein geläufiger Begriff. Vielleicht war der Begriff „nebeneinander fernsehen“ schon immer korrekter?

Doch zurück zur Geschichten-Moral: Bewusst eine Sendung oder einen Film möglichst ohne Unterbrechungen sehen, ist weiter ein Anspruch, den ich an mich habe, weil es mir Genuss bringt. Und der bewusste soziale Austausch mit dem Partner, der Familie oder Freunden (nicht nur) auf dem Sofa ist wünschenswert. Gemeinsam Fussball mit Freunden gucken, kann ein schönes, unterhaltsames Erlebnis sein. Ob die kontroverse Diskussion über Merz, Habeck & Co während einer Talkrunde so unterhaltsam ist? Sie ist aber durchaus wichtig. In diesem Sinne …

(Stefan Pfeiffer)

Können wir uns denn überhaupt richtig konzentrieren?

26. Oktober 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Hier im Blog habe ich die Ablenkungsgesellschaft von Wolf Lotter, die Aufmerksamkeitsfalle von Klaus Eck zitiert und mehr Konzentration eingefordert. Doch so einfach scheint es mit der Konzentration nicht zu sein, wie jetzt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Princeton University (Neuron: Fieberkorn et. al., 2018; Neuron: Helfrich et. al., 2018), herausgefunden haben. Konzentration ist wohl nicht der Menschen Stärke. Stattdessen wechselt unser Gehirn mehrmals pro Sekunde den Fokus – ohne dass wir es merken. ZEIT ONLINE hat Sabine Kastner, Professorin für Neurowissenschaften und Psychologie am Neuroscience-Institut in Princeton, interviewt.

Wir Menschen glauben ja, dass wir unsere Aufmerksamkeit bewusst auf einen Punkt richten, dass das sozusagen ein Willensakt ist. Wenn ich im Büro sitze, dann kann ich entscheiden, ob ich auf den Computerbildschirm vor mir oder auf mein Smartphone gucke. Was wir in dieser Studie aber sehen, ist das genaue Gegenteil: Unserer Aufmerksamkeit liegen automatische Prozesse zugrunde. Natürlich richten wir erst einmal die Aufmerksamkeit irgendwohin. Doch was dann abläuft, liegt jenseits unserer Wahrnehmung. Es passiert unbewusst.

über Sabine Kastner: „Unsere Vorstellung von Aufmerksamkeit ist eine große Illusion“ | ZEIT ONLINE

Es wird interessant sein, was die Forschung hier noch heraus bekommt.

Und die Ergebnisse sollten keine Entschuldigung sein, es nicht mit der Konzentration zu versuchen 😉

(Stefan Pfeiffer)

Ladies and Gentlemen, meine Damen und Herren, Konzentration bitte!

16. Oktober 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Ja, Konzentration auf eine Sache ist im Zeitalter des Smartphones eine Herausforderung. Wer ehrlich ist, wird es an sich selbst beobachten. Zu gerne lässt man sich durch Notifications von Whatsapp & Co, von E-Mail und all den Apps ablenken, bei denen der mehr oder weniger unbedarfte Anwender das Senden von Benachrichtigungen erlaubt hat. Wie soll man da auf dem Smartphone konzentriert lesen können, fragt sich , Redakteur im Feuilleton der FAZ, in seinem Kommentar vom 13. Oktober auf der Titelseite der Samstagsausgabe, und sucht die App, die alle Apps auf stumm schaltet und einem lesen lässt.

Doch auf eine Einstellung bei Lese-Apps, die alle Eilmeldungen für die Dauer der Lektüre ausblendet, warten wir bislang vergeblich. … Und jede Lektüre leidet, wenn das Smartphone dabei in Sicht- und Griffweite – und im Kopf – bleibt.

über Debatte um Lesen und Digitalisierung fehlt Differenziertheit – FAZ.net

Küchemann geht natürlich als Feuilletonist davon aus, dass man Lidddderradddddurrr (Versuch der Persiflage auf Marcel Reich-Ranicki, Literatur ist gemeint), ein wertvolles Buch liest, in dem sich der Leser beglückt verliert. Jenseits des unbestrittenen Genusses eines guten Buches (was gut ist, mag jeder für sich entscheiden) gilt die Frage der wirklichen Konzentration auf eine Sache natürlich auch darüber hinaus in anderen Lebensbereichen, privat und auf der Arbeit. Wir lassen uns leicht ablenken. Und die Verführung ist ja auch heutzutage groß

Hier und auf CIOKurator habe ich oft darüber geschrieben, wie sich Mitarbeiter auf der Arbeit durch E-Mail immer wieder in ihrer jeweiligen Tätigkeit stören lassen. Man könnte ja was verpassen. Es ist die Vorstufe dessen, was wir gerade potenziert auf und durch das Smart Phone erleben. Es ist das, was Lehrer heute täglich in der Schule erleben, von der Konzentrationsfähigkeit bis zu Rechtschreibung und Sprachschatz (womit wir wieder beim Thema Lesen wären).

Und es ist (wahrscheinlich) nur der Anfang und der (durchaus lobenswert gemeint) kulturbeflissene Redakteur springt (wahrscheinlich) zu kurz. Lesen und Lesefähigkeit sind wichtig und (gerade) ich bin immer noch altmodisch ein Mann des geschriebenen Wortes, trotz Videoexperimenten wie in IBM Livestudio@CEBIT oder #9vor9. Ich persönlich bewege mich nur langsam hin zu Livestreaming oder Podcasts, aber der Informationskonsum via Video (und Audio) gehört ganz offensichtlich die Zukunft, gerade, wenn wir an die jüngere Generation denken.

Im weiteren Kontext geht es also nicht mehr nur um digitales Lesen. Es geht nicht mehr nur um Leseforschung, wie man auf und um die Buchmesse glauben mag. Es geht um einen grundlegenden Wandel, wie Literatur, „Gehaltvolles“, Nachrichten, relevante Informationen und Schund konsumiert, verarbeitet  und behalten werden, ja auch, wie konzentriert gearbeitet wird (ohne Arbeit zu überhöhen). Das Thema ist ernst und wir sollten, ja müssen uns damit auseinandersetzen.

Wir lassen uns viel leichter ablenken. Nach einer Deloitte Studie schauen wir 47 mal am Tag auf den Bildschirm unseres Smart Phones. Junge Leute tun es, so die Studie, 82 mal. Der „2nd Screen“, der zweite Bildschirm, auf denen wir schauen, während wir TV schauen, ist nur zu oft Realität. Klaus Eck nennt es am Beispiel Ablenkung durch Social Media die Aufmerksamkeitsfalle. Die Prinzipien der Ablenkung sind gleich. Nur ein Bündel von Massnahmen und Selbstdisziplin werden helfen, sich konzentriert mit einer Sache (vertieftes Lesen, Film schauen, Podcast/Hörspiel lauschen) zu befassen. Ganz sicher sind Schule und Eltern gefragt, auch wenn es denen oft wie ein Kampf gegen Windmühlen erscheint und ihnen Forderungen, wie die von Hirnforscher Wolf Singer, dass Schüler irgendwann lernen müssen, sich eine halbe Stunde lang mit reinem Text zu befassen, utopisch vorkommen: „Lesen ist ein kreativer Akt, der trainiert werden muss.“

Nicht nur Leseforscher stehen vor der Herausforderung, wie es sehr plastisch formuliert „Menschen zu informieren, die sich längst auf eine Seite geschlagen haben, wo es gar keine Seiten geben sollte.“ Smart Phone, Bildschirme und digitaler Medienkonsum bestimmen den Alltag, privat und auf der Arbeit. Wir müssen uns den Herausforderungen stellen. Das Rad werden wir nicht zurückdrehen können.

Und was mag noch alles kommen? Die gleiche FAZ titelt in der Sonntagsausgabe „Es gibt ein Leben nach dem Smartphone – Das Smartphone hat unseren Alltag revolutioniert. Doch seine besten Zeiten sind vorbei. Was kommt als nächstes?“ …

P.S. Wenn mich ein Autor, ein Thema, ein Buch wirklich fesselt, dann lasse ich mich in der Regel auch nicht ablenken und lese wirklich vertieft bis zum Ende, egal ob digital oder auf Papier.

(Stefan Pfeiffer)