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Parteien und das Netz heute: „Völlig losgelöst, von der Erde, zieht …“ – ein „Pressespiegel“ #ForTheWeb

31. Mai 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Die Äußerungen von AKK zur Regulierung von Meinungsäußerungen im Internet vor Wahlen habe ich ja hier im Blog kritisiert. Ein Zensur kann und darf es nicht geben, wenn Meinung sich im Rahmen unserer Grundwerte bewegen. Und das tut Rezo. Punkt.

Doch sind die Ereignisse darüber hinaus sehr relevant. Die heutige Politik ist völlig losgelöst von der Erde und von vor allem der jüngeren Generation. Hier einige aus meiner Sicht relevante Zitate von Bloggern, Journalisten, Politikern, kurz nicht nur netzpolitisch Engagierten.

Marvin Strathmann schreibt pointiert, höhnisch und treffend auf heise zu AKK:

Sie wundert sich, warum denn in Deutschland jeder seine Meinung sagen darf. Einfach so. Ohne vorher die CDU zu fragen. Und das auch noch in diesem Internet.

Damit greift Kramp-Karrenbauer die Grundlage unserer Freiheit an: das Grundgesetz und die Meinungsfreiheit.

über Kommentar zu AKKs Netz-Schelte: Ein Angriff auf die Grundlage jeder Freiheit | heise online

Die Aussagen von AKK mögen – wie es „Digitalministerin“ Doro Bär sagt – unglücklich sein, zeugen aber auch von einer Ignoranz und Unkenntnis der nicht mehr ganz so neuen sozialen Medien, die erschreckend ist. Leider sehr wahr, was CSU-Bär im Interview der FAZ sagt:

Die Debatten laufen einfach auf Plattformen, von denen der normale F.A.Z.-Leser ebenso wenig Notiz nimmt wie der normale Politiker, der seinen Pressespiegel liest.

über Rezo-Video: „Jugendliche wollen kein endloses Gerede“

Philipp Jessen, Geschäftsführer von Storymachine, stellt im Tagesspiegel fest, dass der Pressespiegel heilig ist, die durchaus lebhafte Diskussion nicht der Jüngeren auf den sozialen Kanälen von etablierten Politikern oft gar nicht wahrgenommen wird. Aus Ignoranz. Aus Unkenntnis. Aus Verharren auch in einem System Merkel (so viel durchaus Gutes die Kanzlerin getan hat).

„Die Jugend“ ist wieder politischer, aber keiner geht hin. Oder keiner der etablierten Parteien hört zu und pflegt einen Dialog. Philipp Jessen nochmals:

Was zu tun ist? Nicht aktivistisch ein paar hippe Leute einstellen. Ein paar Flachbildfernseher an die Wand hängen und Newsroom spielen. Sondern die gesamte Kommunikation überdenken. … Aber vor allem: Den Kern von Social Media endlich verstehen und leben: Dialog. Augenhöhe. Echtzeit. Haltung. Klarheit.

über Warum Politik Social Media nicht versteht – Tagesspiegel Background

Und vor allem das Feld nicht dem Gepöbel und Rechtspopulismus der AfD und anderer Radikaler überlassen. Die AfD scheint die einzige Partei zu sei, die die Klaviatur des Netzes spielt, wie es Thomas Knüwer analysiert:

Aktiv posteten AFD-Anhänger ihre Präferenzen, sehr aktiv mischten sie sich in Diskussionen ein. Die Erzählweise war homogen: Die AFD ist die einzige Partei, die einfache Bürger verteidigt, die Grünen sind weltfremd, wer AFD wählt ist mutig, wer die AFD kritisiert ein Idiot. Und natürlich: Die AFD ist keine Nazi-Partei. …

Anhänger anderer Parteien waren kaum zu sehen und wenn, wurden sie direkt niederkommentiert.

über Die Unterschätzung des digitalen Raumes durch Politik und Medien – Indiskretion Ehrensache

Die anderen Parteien finden in den sozialen Medien nicht statt. Stattdessen tröten AfD, Trump und deren Geistesgenossen in eine laut im Netz zu vernehmende Trompete. Traurig, Tragisch. Nicht akzeptabel. Es gibt wichtige und relevante Themen jenseits von AfD-Geschwafele und von Trump-Triaden, die durchaus auf YouTube, Twitter oder Facebook konstruktiv diskutiert werden.

Doch die althergebrachten Parteien versagen nicht nur im Netz. Sie nehmen vor allem „die Jugend“ und „das Netz“ nicht ernst. Sie nehmen auch die Inhalte nicht ernst (genug), die von vielen politisch Interessierten und auf Demos vertreten werden. „Das Netz“ ist weiter „Neuland“, nein eher Moria, die dunklen Lande, ein Ausbund des Bösen, das bekämpft, reguliert, ja zensiert werden muss. Das Kind wird dabei mit der Wanne ausgekippt. Russische und andersländische Trolle oder Meinungsmache und Kampagnen Radikaler werden vorgeschoben, um nicht konstruktiv im und mit dem Netz, vor allem mit Jugendlichen und politisch Interessierten auf Augenhöhe zu kommunizieren.

Sascha Lobo bringt es auf den Punkt;

Es geht nicht um das Medium, sondern um politische Inhalte, um das Fortbestehen des Planeten etwa. Aber auch um das Vertrauen, das die Union zerstörte durch ihre komplette Missachtung einer digitalen Generation, indem sie ohne Rücksicht, ohne Dialog, ohne Sachverstand oder auch nur Respekt die Urheberrechtsreform durchgeprügelt hat.

über Annegret Kramp-Karrenbauer und das Rezo-Phänomen: Marathon im Fettnapf – SPIEGEL ONLINE

Ich muss an eine Talkshow, in der sich FDP-Lindner mit Grünen-Habeck auseinandergesetzt hat und Lindner in seiner gewohnt arroganten Art nationale Initiativen im Bereich Umweltschutz und Klimawandel als unsinnig, weil nur national nicht wirksam, abkanzelte und von den Grünen als „Klimanationalisten“ sprach. Ob sich das Jugendliche ernst genommen fühlen. Er setzt ja noch einen drauf:

Hier zeigt sich eine Einstellung und die erwähnte Arroganz vieler „Berufspolitiker“: Ihr habt ja keine Ahnung. Lasst uns mal machen.

Habt „Ihr Politiker“ denn noch immer nicht verstanden, dass Ihr genau dadurch „die Jugend“ verliert?

Axel Voss, Christian Lindner, Annegret Kramp-Karrenbauer und viele andere bornierte (oft) Berufspolitiker alter Schule sind dafür verantwortlich, dass sich die Jugendlichen von ihren Parteien und der bisherigen Parteienpolitik und ignoranter Berufspolitiker abwenden. Die Jugendlichen sind nicht für die Gestaltung unserer Gesellschaft verloren. Sie haben Werte. Sie engagieren sich. Wo und wie sie sich aber in unserer Demokratie wie verorten, das ist noch ein spannendes Thema.

Thomas Knüwer hat eine interessante Analyse geschrieben und dabei einige neuralgische Zonen zerpflückt. Er fordert eine Reform, die aus meiner Sicht dringend notwendig ist:

Was wir eigentlich bräuchten, wäre ein Aufstand der Demokratiewilligen in den Institutionen, in Parteien, parteinahen Vereinen und genauso in Medien. Eine Art Mondays for Future (meinetwegen auch jeden anderen Wochentag), also Tage, an denen diese Menschen auf die Barrikaden gehen, die Gestrigen zur Aufgabe fordern um Platz zu machen für jene, die noch etwas bewegen und nicht den Niedergang verwalten wollen.

über Die Unterschätzung des digitalen Raumes durch Politik und Medien – Indiskretion Ehrensache

Was mir dabei fehlt ist natürlich, dass wir dies zusammen mit der #FridaysForFuture-Bewegung und anderen politischen Initiativen und Aktiven tun sollten. Es braucht eine Allianz derjenigen, die sich schon lange im  Netz engagieren – inklusive der alternden Schlagersänger der Netzszene – und der aktiven Jüngeren. Dabei würden und werden sicher die Fetzen fliegen, aber das ist notwendig, ein Stück gelebter Demokratie.

Nachtrag: Bemerkenswert finde ich die Auflistung  der gescheiterten Digitalprojekte der Bundesregierung des letzten 15 Jahre Merkel von E-Government, Netzsperren bis Leistungsschutzrecht, die Sascha Lobo zusammengetragen hat. Auch das zeigt das Unverständnis und Versagen der alten Parteien und Berufspolitiker:

In dunklen Ecken des Internets sagt man dazu: Was der Bund im Digitalen anfasst, wird zu Stuhl.

über Annegret Kramp-Karrenbauer und das Rezo-Phänomen: Marathon im Fettnapf – SPIEGEL ONLINE

(Stefan Pfeiffer)

P.S. Ganz anderer Nachtrag: Jenseits von Politik und Pressespiegel: Denken wir mal daran, wie Kommunikation heute noch in vielen Unternehmen läuft. Sehen wir da Parallelen?????

#9vor9: Einschränkung demokratischer Äußerungen auch auf YouTube geht gar nicht, verehrte AKK

28. Mai 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Schon während des gestrigen Union Berlin gegen VfB Stuttgart-Relegationspiels habe ich mich aufgeregt. Nicht über das Spiel, sondern weil ich währenddessen auf den Bericht der Hannoverschen Allgemeinen gestoßen bin. AKK wird hat sich demnach geäußert, dass man über eine Regulierung von Meinungsäußerungen im Internet vor Wahlen nachdenken müsse. Aufhänger scheint dabei nicht die Meinungsmache Radikaler zu sein, sondern vielmehr die nicht CDU-genehmen Äußerungen von Rezzo und Co.

Mir fehlen hier zugegebenermaßen die Worte. Die moderne Öffentlichkeit befindet sich schon seit Jahren zum Guten – Stichwort arabischer Frühling – wie zum Schlechten – Stichwörter Wahlmanipulationen, rechte Nutzung des Netzes für deren radikale Zwecke -im Wandel, im latenten, ständigen Wandel. Die konventionellen Parteien haben dies noch immer nicht verstanden und kommunizieren insbesondere an der jungen Generation vorbei.

Wie wenig Verständnis für die grundlegenden Mechanismen des „Neulands“ vorhanden ist, demonstriert AKK in Person mit ihrer Forderung nach Regulierung der Meinungsfreiheit. Früher hat man dazu Zensur gesagt. Meine Meinung ist klar: Man kann Äußerungen, die sich auf demokratischem Boden und in dem Wertesystem bewegen – und das zun Rezzo und Kollegen – nicht verbieten. Wer so etwas fordert [… und nun muss ich mich in meinen Aussagen oder Forderungen bremsen.]

Und sorry, lieber Axel, ich weile derzeit am niederschmetternden deutschen, demokratischen Boden und konnte mich deshalb nicht in die luftigen Höhen der Satelliten von Amazon & Co über den Wolken schwingen.

Und Gunnar: Denk an die 9 Minuten.