Posts Tagged: ‘Friedrich Merz’

Friedrich Merz & Asylrecht: Zynische Kalkulation oder haben wir ihn nur nicht beim Denken verstanden

23. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Andrea Dernbach kritisiert Friedrich Merz – und viele seine Kritiker, auch die Sozialdemokraten – heftig. Neben dieser Kritik finde ich die Analyse richtig, dass heute Fakten oft gerade von Rechtspopulisten als Fake News bezeichnet werden und sie selbst Bullshit absondern

Wenn es einen großen und schrecklichen Erfolg der Rechten gibt, von Trump über Salvini bis Orban und Weidel, dann den, dass sie politische Rhetorik völlig von der Realität gelöst haben. …

Die Rechte hat Bullshit zu einem beängstigenden Faktor der Politik gemacht. Ist es das, worauf nun auch ein im Verfassungsbogen eingetragener christdemokratischer Kandidat setzt?

über Asylrecht-Debatte: Der Horizont von Friedrich Merz liegt in der Vergangenheit – Politik – Tagesspiegel, 23.11.2018

Gabor Steingart dagegen ist Merz-Fan, wie man fast täglich unüberlesbar in seinen Morning Briefings wahrnehmen kann. Zu Merz und zu dessen Kontrahentin Annegret Kramp-Karrenbauer schreibt er:

Er ist – und das zeigte sich zuletzt in der Debatte um den Asylparagraphen – zu einer Komplexität fähig, die Freund und Feind überfordern kann. …

Doch genau das markiert den Unterschied: AKK schaut man beim Reden zu, Merz beim Denken.

über Gabor Steingart. Das Morning Briefing. – 23.11.2018

Er habe nur gesagt, dass angesichts europäischer Migrationspolitik auch Eingriffe in den Kernbestand des Grundgesetzes möglich seien. Dem ist aber eh wohl schon so:

Deutschland ist in eine Fülle von internationalen und europäischen Abkommen eingewoben, die seine Verpflichtungen speziell Flüchtlingen gegenüber regeln – die Genfer Flüchtlingskonvention ist nur ein Beispiel – so dass selbst eine Abschaffung des Grundgesetzartikels wirkungslos bliebe.

über Asylrecht-Debatte: Der Horizont von Friedrich Merz liegt in der Vergangenheit – Politik – Tagesspiegel

Dann sind sich wohl Dernbach und Steingart diesbezüglich einig. Nur postuliert Steingart, dass Merz genau das gemeint habe. Nur hat es niemand verstanden. Also ich zumindest nicht. Und dann, lieber Gabor Steingart, macht Friedrich Merz etwas verkehrt. Auch simple Geister wie ich sollten verstehen, was er meint. Oder war es gerade Absicht, von anderen simplen Geistern missverstanden zu werden? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

(Stefan Pfeiffer)

 

Der Merz ist gekommen oder vom röhrenden Hirschen über dem Sofa, Sympathie und Emotionalität

2. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Eigentlich wollte ich mich zum Thema Kandidatenkür bei der CDU und anderen derzeit diskutierten GroKo-Personalien von Horschtl bis Andrea nicht äußern. Die Beiträge von Sascha Lobo und der TAZ haben mich aber eines anderen belehrt. Sascha fordert in seiner Kolumne auf Spiegel Online von der SPD mehr Emotionalität statt des ausschließlichen Fokus auf Sacharbeit. Die Sozialdemokraten unterschätzten den Sympathie-Faktor.

Da ist eine Menge dran, aber wie gesagt wollte ich mich dazu nicht äußern. Die letzte sozialdemokratische Emotion mit Schulz war ja nicht einmal eine Seifenblase. Und wer aus der mir bekannten Führungsriege der SPD kommt schon sympathisch rüber? Und auch Juso-Kühnert ist für mich kein Träger jener. Man kann sich vielleicht an ihm reiben. Das ist es aber. Und der Reibungsfaktor ist auch nicht so groß, dass es der Rede beziehungsweise der Stimme wert ist.

Und dann kommt der Friedrich Merz daher und räumt ab. Seine Person polarisiert und emotionalisiert. Die TAZ titelt vom röhrenden Hirschen über miefigen deutschen Sofas.

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Merz sei ein Abziehbild der Kohl-Ära, ja unterstellt Merz eine mögliche Koalition mit der AfD.

Gabor Steingart schreibt in seinem Morning Briefing vom 2. November 2018 eine Gebrauchsanleitung zum Verstehen in zehn Punkten. Merz käme von außen, sei in der CDU ein willkommener Rückkehrer, aufgrund seiner Rhetorik und seiner Wirtschaftsbeziehungen und -kenntnis ein Kanzler zum Sofortgebrauch. Er würde der AfD das Feindbild nehmen und der SPD wieder eine klare Abgrenzung ermöglichen. Steingart adelt Merz quasi dann noch als einer der wenigen Politiker, der die Wahrheit sage.

Da wird mir Friedrich Merz zu sehr zum Messias – wie anno dazumal Herr Guttenberg – „hochsterilsiert“. Beziehungen zur Wirtschaft und transatlantisch können sicherlich von Nutzen sein. Sie können aber auch kritisch betrachtet werden. Da braucht man – wie in einem Einspieler bei Maybrit Illner geschehen – Merz nicht die Darth Vader-Maske „überstülpen“. Eine reine „Mehr Kapitalismus wagen“-Politik ist für mich bestimmt nicht die Zukunftsperspektive. Es braucht Butter bei die Fische. Was will er denn nun, der Herr Merz, bei Themen wie Klimawandel oder meinem Steckenpferd Digitalisierung?

Merz würde dann bei mir an Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn er darüber hinaus seine Beziehungen und Posten transparent macht und das Thema Transparenz generell in Themen wie Lobbyregister voranbrächte. Doch das ist mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht zu erwarten. Eher werden meine Fohlen Meister, als das …

Doch zurück zum Ursprung mit Sascha Lobo: Emotionalität und Sympathie. Merz ist sicher jemand, der derzeit CDU-intern hohe Sympathiewerte verbuchen kann. Manch einer, der unter dem Hirsch auf dem Sofa müffelt, würde sich aber wundern, ja erschrecken, was Merz alles modernisieren und transformieren will. Gut, er wäre ja auch erst einmal „nur“ CDU-Vorsitzender. Merz ist auch jemand, an dem sich die politischen Gegner emotional reiben können. Und so jemand mit Sympathie- und Reibungsflächen fehlt derzeit den Sozialdemokraten.

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Dicke Eier oder tritt er doch „großzügig“ zugunsten von Friedrich Merz zurück? (Um in wenigen Jahren um so dicker …)

Schauen wir mal, wer nun wirklich zum CDU Vorsitzenden gewählt wird. Spannend finde ich die Entwicklung auf jeden Fall. Wird beispielsweise Spahn bald „zurücktreten“ und Merz das Feld überlassen, wie wie Hajo Schumacher bei Maybrit Illner vermutete. Oder kommt es ganz anders? In der Perspektive: Uns geht es wirtschaftlich derzeit gut. Jedoch erleben wir eine Politikverdrossenheit, die sehr stark durch Klüngelei und einer blinden Weiter-so-Mentalität verursacht wurde. Eine lebendige politische Debatte, die den Bürgerinnen und Bürgern das Gefühl vermittelt, dass da doch was geht, täte und tut dem Land gut und könnte durchaus den Rechtspopulisten viel Wind aus den Segeln nehmen.

(Stefan Pfeiffer)