Mein Digitalthema der Woche bei #9vor9 am 16. Februar war die Digitalisierung in den Schulen. Entscheidender Auslöser dafür war der Beitrag von Jakob von Lindern auf Zeit Online, der die derzeitige Situation analysiert und entsprechende Experten zu Wort kommen lässt. Ich habe die entsprechenden Ausführungen jetzt hier in diesen separaten Beitrag kopiert und ergänzt, da die Thematik sehr aktuell ist und neue Artikel und Kommentare hinzugekommen sind.
Die derzeitigen Lernplattformen – meist in Zeiten vor der Pandemie entwickelt, vor allem aber aufgesetzt – sind ganz offensichtlich derzeit nicht in der Lage, die schiere Masse an Schülerinnen und Schülern, die gleichzeitig online gehen wollen, zu bewältigen. Ein großer Teil der IT müsste grundlegend anders ( z.B. mir mehr Instanzen) aufgesetzt werden, um skalieren zu können. Hinzu kommt einmal mehr Kleinstaaterei. Jedes Bundesland muss mal wieder sein eigenes Süppchen kochen. Statt also gemeinsam eine auf Open Source basierende Plattform aufzusetzen, die skalierbar ist, wird scheinbar vor sich hin gewurstelt.
Kein Wunder, wenn dann einige Eltern und auch Lehrer:innen dann einfach mal dazu übergehen, Microsoft Teams oder auch Zoom zu benutzen, denn diese Systeme – trotz gelegentlicher Ausfälle – sind skalierbar. Sie sind für Massen an Anwendern:innen gebaut. Also wieder einmal ein Lock-In bei US-Monopolisten, weil die es ja so gut können und wir es nicht gebacken bekommen. Entsprechende Aussagen findet man allzu oft und mir geht dabei der Hut hoch.
Oder wie es Jakob von Lindern schreibt:
Statt jetzt hektisch teure (und datenhungrige) Software zu kaufen, die man später nicht mehr braucht, könnte die Energie darauf verwendet werden, das Klein-Klein der verschiedenen Lösungen in Deutschland zusammenzuführen und sie fit für die Zukunft nach der Pandemie zu machen.
Digitalisierung an Schulen: 404 – Arbeitsblatt not found | ZEIT ONLINE
Braucht es vielleicht doch das Bundesministerium für Digitalisierung? Aber hätte das die Macht, die ja ach so unabhängigen Bundesländer, die für Bildung zuständig sind, zu „vereinigen“ und zu „befrieden“? Oder soll man einfach mal wieder kapitulieren? Das Thema deutsche oder europäische Schul-Cloud kann man durchaus in breiterem Kontext sehen. Gaia-X und andere Initiativen sind ja im Schwange. Statt Microsoft und Konsorten Millionenbeträge in der Rachen zu schmeissen, wäre jetzt halt entschlossenes Handeln statt besagter Kleinstaaterei gefragt. Gerade jetzt. Doch wer nimmt das Zepter in die Hand und ergreift die Initiative?
Auch zu diesem Thema wollen wir gerne Experten einladen: In „meiner“ digitalen Heimatstadt Darmstadt scheint es ein erfolgreiches Projekt zu geben. Dort stellt man das Videokonferenzsystem Big Blue Button (Open Source) zur Verfügung und laut Bericht greifen 6.000 Anwender:innen zeitgleich zu. Es scheint also doch zu gehen. Wir werden mal bei der Digitalstadt nachhaken.
Nachtrag 16.2.2021: (Auch) Chaos macht Schule fordert, nachhaltig umgesetzte, nicht von kommerziellen Anbietern abhängige Lösungen
Nach der Sendung bin ich auf diesen Beitrag auf der Seite des Chaos Computer Clubs gestoßen, der inhaltlich in das gleiche Horn stößt. Wundert nicht wirklich, dass das CCC-Bildungsprojekt Chaos macht Schule (CMS) ebenfalls fordert, nachhaltig umgesetzte, nicht von kommerziellen Anbietern abhängige Lösungen zu implementieren. Auch hier die Forderung danach, mehr zentral zu steuern und dann dezentral zu gestalten.
Über viele Jahre wurde freie Software von der öffentlichen Hand vernachlässigt. Millionen an Steuergeldern wurden für Lizenzkosten für intransparente Software verwendet, statt bestehende Gemeinschaftslösungen besser zu integrieren und in der Bedienbarkeit zu vereinheitlichen.
CCC | Lockdown ohne Lock-in: CMS fordert nachhaltige Lernplattformen
Nachtrag 2, 18.2.2021 : „Schul-Clouds aller Art sind Rohrkrepierer“ & Microsoft Teams in Schulen
Dr. Dietmar Müller hat das Thema auch nochmals auf Cloud Computing-Insider aufgegriffen. Lesenswert. Mir fällt natürlich eine Zwischenüberschrift besonders auf: „Schul-Clouds aller Art sind Rohrkrepierer“. Ein Armutszeugnis. Von der u.a. von Bitkom-Chef Berg geforderten nationalen Bildungsplattform sind wir auf jeden Fall weit entfernt, gar nicht zu reden davon, dass vom Bund initiierte Projekte eher selten erfolgreich seien, fragt Dietmar Müller und dankt den Leher:innen und Schüler:innen, die trotz aller Widrigkeiten das Beste versuchen. Hier befindet sich sein Beitrag.
Hinweisen möchte ich auch einen weiteren Beitrag von Jakob von Lindern, in dem er sich dem Thema Microsoft Teams in Schulen widmet. Man könnte den Beitrag unter die Überschrift laufende, stabile Lösung versus Datenschutz- und Abhängigkeitsbedenken. Eine typische Aussage in diesem Zusammenhang: „Viele Beobachter nervt die Datenschutzdiskussion, weil jetzt in Schulen besonders richtig gemacht werden soll, was privat überall genutzt wird.“
Klar ist für mich, dass möglichst eine unabhängige, skalierbare Schul-Cloud nur dann funktionieren kann, wenn mit der Herumstümperei und Kleinstaaterei bald Schluss ist. Sonst wird man eben bei Microsoft und Konsorten landen. Und da teile ich sowohl Datenschutz- wie auch Abhängigkeitsbedenken. Von Product Placement und Gewöhnung an gewisse Werkzeuge gar nicht zu reden. Mut macht mir die derzeitige Situation jedenfalls leider nicht.
(Stefan Pfeiffer)