Posts Tagged: ‘Netzpolitik & die große Politik’

Die Umweltkatastrophe kann überall in Deutschland passieren – Hilfe für die Winzer an der Ahr

18. Juli 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Die Bilder von der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen, in anderen Bundesländern und benachbarten Ländern zeigen eine Naturkatastrophe, Bilder von Verwüstung und Zerstörung. Die Zahl der Toten erschüttert. Besonders betroffen machen mich die Bilder von der Ahr. Sie habe ich mit meiner Frau, Freunden und Familie zweimal besucht und wir haben die Zeit dort genossen. Wir haben in Dernau im Hofgarten von Meyer-Mäkel gesessen, den Regierungsbunker und die römischen Ruinen besucht, sind auf den Spuren von Weindetektiv und Starkoch Eichendorff gewandelt, kurz, haben Land und Leute, Landschaft, Essen und Trinken in vollen Zügen genossen. Wenn ich mir die Fotos anschaue und die Bilder sehe, die jetzt durch Netz und Medien gehen, bin ich schockiert und die Gedanken, sind bei denen, die materielle Verluste oder gar geliebte Menschen verloren oder im Krankenhaus haben.

Doch machen wir uns nichts vor. Diese Katastrophe ist nicht aus heiterem Himmel unerwartet gekommen, wie ein gewisser Ministerpräsident behauptet. Sie war sogar in Deutschland zu erwarten. Meteorologen haben Tage vorher gewarnt. Solche Naturkatastrophen können überall in Deutschland geschehen. Es kann ein Bach, ein Fluss sein, der aufgrund von Starkregen aus seinem Bett tritt und die Umgebung überflutet. Wir hatten das auch schon in meinem Wohnort in nur 100 Meter Entfernung, gottseidank nicht mit solchen Konsequenzen für Leib und Leben. Wir erleben Tornados und Hitzeperioden in Deutschland und anderen Teilen der Welt. Auch unser Dach wurde schon einmal in einem Sturm mit entsprechenden Konsequenzen beschädigt.

Die Bilder sind von 2016 rund 100 Meter von unserer Wohnung entfernt.
Mein Kommentar: Wann dann?

Niemand scheint mehr vor Naturkatastrophen sicher. Genau deshalb macht das „Weiter-so“, dass insbesondere ein spezieller Typ von Politikern, postuliert betroffen und wütend. Diese Politiker werden nur zu schnell nonchalant lächelnd zum wirtschaftsliberalen und -freundlichen Alltagsbetrieb übergehen, weiter faule Kompromisse schließen und den Wirtschaftsinteressen und Lobbyisten nachgeben. Offene Möbelhäuser oder Kohleabbau habe halt Priorität. Ich kann Eckard von Hirschhausen und seinen Ausruf nur zu gut verstehen.

Zu diesem Beitrag hat mich auch ein Artikel auf Captain Cork inspiriert. Dort wird ja oft pointiert, gefühlt manchmal etwas vorschnell rund um die Weinszene berichtet. So regte sich „der Captain“ die Tage auf, dass man nichts von den Weinköniginnen, insbesondere der deutschen Weinkönigin von der Ahr, Eva Lanzerath zur Lage höre. Wo ist die Weinkönigin, wenn man sie braucht, titelte er in seinem Newsletter vom 16. Juli 2021. Diese ist, wie jetzt die rheinhessische Weinkönigin Eva Müller dem Captain berichtet hat, kaum zu erreichen. Sie, Eva und Eva, wollten helfen und riefen „auf Insta“ zu Spenden auf. Diese Aufrufe seien am Freitag vom DWI,dem Deutsche Weininstitut untersagt worden. Die Weinköniginnen sollten abwarten, was der DWI am Montag beschließt. Statt schnell und unbürokratisch zu handeln, will man wohl Abläufe einhalten und sich erst einmal mit allen weiteren Gebieten abstimmen. Kennen wir das irgendwo her?

Ich kann nicht anders und muss diesen Absatz zitieren. Das Deutsche Weininstitut (DWI) ist die Werbeabteilung des Deutschen Weinfonds und er, der Captain kommentiert:

Der Deutsche Weinfonds ist auch eine Anstalt des öffentlichen Rechts und wird vom Landwirtschaftsministerium kontrolliert.Der Parteienstaat redet mit. Genauer: die von den Christlichsozialen dominierte Agrarpolitik und ihre Heerscharen von Lobbyisten der Saatguthersteller, Landmaschinenbauer, Milch- und Fleischfabriken etc. Kurz: alle, die hinter der Schöpfungskette von Massenprodukten stehen, die wir bei Aldi, Lidl & Co. einkaufen.

Ahr-Flut: Ich will helfen, darf aber nicht

Und über allem schwebt furienhaft die ehemalige Weinkönigin Julia aus der Pfalz scheint glyphosattrunken …

Hier ein weiterer Bericht von Captain Cork unter dem Titel Viele Winzer haben alles verloren, in dem die dramatische Situation geschildert wird. Dort ist auch das Spendenkonto des Weinbauverbands VDP angegeben, der für die Winzer an der Ahr sammelt. Neben Spenden werden ich ganz persönlich die Winzer an der Ahr im Blick behalten und verstärkt dort auch kaufen – der Captain nennt beispielhaft das Weingut der Gebrüder Bertram aus Dernau, aber an der Ahr gibt es viele tolle Winzer, nicht nur die Stars wie Stodden, Deutzerhof, Adeneuer, auch die Genossenschaft Dagernova und viele andere – oder solidarische Aktionen, wie sie mancher Winzer aus anderen Regionen schon organisiert, unterstützen.

Und natürlich gehören auch die Betroffenen in den anderen Regionen unterstützt. Keine Frage.

Diese handgeschriebene Karte bekam ich vom Weingut Meyer-Näkel bei meiner letzten Bestellung viele Wochen vor der Flut. Ich habe mich damals sehr über dieses Zeichen der Kundenbindung gefreut und hoffe, dass wir mal wieder vor Ort sind und uns persönlich bedanken können.

Das Titelbildbild ist von Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay

So von wegen Besserstellungsverbot: Deutschland auf Platz 25 gefallen – Dramatische Lesung zum Stand unserer Digitalisierung bei #9vor9

22. Juni 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Er hat es dann doch nicht getan, der Lars Basche, und hat keine dramatische Lesung des Partei- oder Wahlprogramms derf CDU/CSU vorgenommen. Ich überlege noch, eine entsprechende Petition zu starten, damit er zu dieser Lesung gezw…, äh überredet wird. Das ist ein wirklichguter Plan für Deutschland, wie ich finde. Wir sind doch wieder bei einem hier schon oft diskutierten Thema gelandet. FDP und CDU fordern ein Digitalministerium, Olaf Scholz will die Kompetenz im Kanzleramt verankern und Robert Habeck will – so ein Bericht des Handelsblatts (€€) – die Richtlinienkompetenz in einem bestehenden Ministerium bündeln. Kanzlerkandidat Laschet jedenfalls träumt vom starken Digitalministerium mit einem App-Store für Verwaltung, in dem digitale Lösungen ausgetauscht werden.

Hehre Worte und Versprechen, aber das hatten wir doch schon einmal: Ein gewisser Peter Altmaier, damals noch Kanzleramtsminister, sagte 2017, dass Deutschlands Verwaltung bis 2021 komplett digital sei. Er sei bereit, zwölf Flaschen guten Grauburgunder darauf zu verwetten, dass dies klappe. Die Flaschen nehmen Lars und ich gerne entgegen, denn ganz so gut ist es dann doch nicht gekommen, wie wir alle wissen. Eher sogar schlimmer, scheint es, denn Deutschland ist im internationalen E-Government-Vergleich auf Platz 25 abgefallen, berichtet t3n. Man ist innerhalb von nur 2 Jahren um 13 Plätze abgefallen. Die Dänen liegen übrigens auf Platz 1. Zu den typisch deutschen Entscheidungsprozessen möchte ich nochmals auf diesen Artikel und die Grafik des Normenkontrollrats verweisen.

Und ich muss unserem Lars noch ein zusätzliches Lob aussprechen. Während ich nur die Zusammenfassung des Papers, was die Landesverwaltung Hessen aus der Corona-Pandemie gelernt hat, gelesen habe, ist er in die intellektuellen Tiefen des entsprechenden Papiers abgetaucht und hat dort bahnbrechende Vorschläge gefunden. Unter anderem hat er dort die Forderung nach schnellem Internet – an jeder Milchkanne?? – gefunden. Endlich hat es jemand nieder geschrieben!

Es ist schwer, zu diesem Thema nicht sarkastisch oder frustriert zu werden. Und damit haben sicher gerade diejenigen zu kämpfen, die Dinge in diesem Land verändern sollen und wollen. Im Interview mit der Wirtschaftswoche hört man solchen Frust auch beim Chef der Chef der Agentur für Sprunginnovationen, dem geschätzte Rafael Laguna, heraus:

Wir sollen Sprunginnovationen ermöglichen, müssen uns aber bei der Finanzierung von Forschungsprojekten an zahlreiche Verwaltungsvorschriften halten: an die Bundeshaushaltsordnung, ans Vergaberecht, ans EU-Beihilferecht, ans Besserstellungsverbot.  All das sind Konstruktionen, mit denen wir ein agiles Handeln des Staates nahezu unmöglich gemacht haben.

„Während wir Paragraf 65 einhalten müssen, hängen uns China und die USA ab“ – Wirtschaftswoche

Das ganze Interview lesen. Er macht den Job nur so lange, bis er sieht, ob die neue Regierung wirklich etwas ändert … Mal bewusst die drei Punkte gesetzt.

Mein Digitalthema der Wochen ist durch eine von ihm vorgestellte Studie und seinen Rant initiiert worden: Michael Kroker berichtet in seinem WiWo-Blog über Studienergebnisse, nach denen jeder fünfte Mitarbeiter in kleineren und mittleren Unternehmen am Arbeitsplatz überwacht (21 Prozent) würden. Logischerweise fühlen sich vielfach unter Druck gesetzt.

Im Windschatten der vermeintlichen neuen Freiheiten für viele Beschäftigte fürchteten viele Manager offenbar einen Kontrollverlust – und führten im großen Stil Tools zur Überwachung ihrer Mitarbeiter ein.

Krokers RAM: Vergesst Mitarbeiterüberwachung – sie steht Vertrauensarbeit diametral entgegen!

Geht natürlich gar nicht, wie auch Michael kommentiert, aber die Überwachung hat sich wohl deutlich seit der Pandemie erhöht. Man kann nun diesen Trend sehr leicht in Beziehung zu den Sicherheitsanforderungen setzen, die in der Pandemie im Homeoffice gelten sollten. Nur zu oft wird hier geschlampt und Daten oder Verbindungen sind eben nicht so abgesichert, wie es sich gehört. Sicherheit ist das Eine, Überwachung etwas Anderes und diese sollte nicht unter dem Deckmäntelchen Security durch die Hintertür eingeführt werden.

Und Lars musste mich natürlich noch auf einen weiteren Tweet aufmerksam machen, den ich kürzlich abgesetzt habe. Die Datenschutz- und Internet-Blase regt sich über die neuen Bestimmungen von WhatsApp aka Facebook auf und fordert – nicht erst seitdem – auf, die Plattform zu verlassen. Die normalen Anwender:innen schert es einen feuchten Kehricht (oder geht am Boppes vorbei), so eine Umfrage, die dpa in Auftrag gegeben hat. Sie zucken mit den Schultern, stimmen den neuen Bedingungen und bleiben auf WhatsApp, auch wenn viele angeben, ein schlechtes Gefühl zu haben.

Ja, lieber Rainer Pausch, wir sollten das Thema mal bei #9vor9 adressieren, wie Du vorgeschlagen hast, aber ich hätte hier gerne einen echten Experten mit an Bord und bin für Vorschläge dankbar. Dass ich selbst WhatsApp schon lange verlassen habe, habe ich ja ift genug kommuniziert. Im Gegensatz zu Katze oder Mops: Ein Leben ohne WhatsApp ist durchaus möglich und sinnvoll. In diesem Sinne lassen wir uns nicht unterkriegen!


#9vor9 – Digitalthemen der Woche erscheinen auch immer als Podcast unter https://9vor9.podigee.io/ und sind natürlich über die gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Eine kleine Tweet-Sammlung:

Bild von Mikes-Photography auf Pixabay

„Viel Digitalisierungsverantwortliche und komplexe Umsetzungsstrukturen – Funktioniert das?“ Der Monitor Digitale Verwaltung des NKR

30. Mai 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich hatte ihn eigentlich nie auf dem Radar und bin durch den E-Mail-Newsletter der Initiative D21 auf ihn aufmerksam geworden: den Nationalen Normenkontrollrat (NKR). Er hat nun im fünften Jahr seinen „Monitor Digitale Verwaltung“ mit der unten abgebildete Grafik veröffentlicht. Diese Visualisierung macht aus meiner Sicht das deutsche Problem in der Digitalisierung in der Verwaltung nur zu deutlich. Ein so komplexes Geflecht von Zuständigkeiten und Besitzständen kann zu Kompetenzstreitereien, im Endeffekt zu Stillstand oder gar Rückschritt führen. Schnell digitalisieren kann man so auf jeden Fall nicht: „Deutschland stecke – in der Pandemiebekämpfung genauso wie bei der Verwaltungsdigitalisierung – in einer Komplexitätsfalle“, schreiben die Autoren des Berichts und umschreiben damit die Situation sehr freundlich.


Viel Digitalisierungsverantwortliche und komplexe Umsetzungsstrukturen – Funktioniert das? So lautet ie Bildunterschrift im Monitor Digitale Verwaltung des NKR

Zwar wird derzeit das Onlinezugangsgesetz (OZG) umgesetzt, das Bund, Länder und Gemeinden, bis Ende des Jahres 2022 verpflichtet Verwaltungsdienstleistungen online zur Verfügung zu stellen, doch muss dieses Projekt in der komplexen Zuständigkeits- und Gemengelage umgesetzt werden.

„Deutschland ist „mütend“ – müde und wütend, sowohl mit Blick auf die Krisen- bewältigung als auch auf die Langsamkeit des Struktur- und Kulturwandels im öffentlichen Sektor. Das zehrt am Selbstbild und am Vertrauen in Staat und Politik.“

Monitor Digitale Verwaltung

Der Frust wird allenthalben geäußert, ob es nun ein Jörg Schieb ist, der die Amtszeit und -führung von Doro Bär, ihres Zeichens Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Beauftragte der Bundesregierung für Digitalisierung, aufs Korn nimmt oder ob in Gesprächen mit David da Torre von der Digitalstadt Darmstadt oder SPRIND-Direktor Rafael Laguna die veralteten und verkrusteten Strukturen und Prozesse kritisiert werden.

Der nordrheinwestfälische Digitalminister Andreas Pinkwart bemerkt im Handelsblatt Disrup-Podcast süffisant, dass Deutschland nicht nur die Bürokratie erfunden und in der analogen Welt zur Perfektion getrieben habe. Nun wolle man diese perfekte analoge Welt möglichst fehlerfrei digitalisieren, was nicht funktionieren könne. Man werde von einer nicht hinreichenden digitalen Kultur in den Verwaltungen bestimmt. Er fordert wie viele andere ein Digitalministerium, in dem die Zuständigkeiten für Digitales gebündelt werden.*

Die Forderungen nach einem Digitalministerium werden an vielen Stellen erhoben. Hier ein Screenshot aus dem Online-Auftritt der FAZ.

Doro Bär und Jörg Müller-Lietzkow, Co-Sprecher von #cnetz, skizzieren in ihrem Beitrag in der FAZ. ein Z-Ministerium, ein neues Zukunftsministerium , das der Arbeit der übrigen Ministerien in einer Querschnittfunktion vorgeschaltet ist. Der Normenkontrollrat denkt dagegen in eine andere Richtung und fordert eine Digitalisierungsagentur mit einer entsprechenden Zahl an Mitarbeitern und natürlich Kompetenzen.

An dieser Stelle sei auch nochmals auf das Gespräch von Gunnar Sohn mit Doro Bär verwiesen.

Schauen wir uns nochmals die Grafik des Normenkontrollrats an, so wird deutlich, wie schwierig es wird, den gordischen Knoten der Zuständigkeiten und Eitelkeiten zu durchschlagen. Dass es notwendig wäre, darin besteht bei nahezu allen Digitalexperten Übereinstimmung. Ob jemand allerdings die Kraft für grundlegende Reformen hat, wird die Zukunft zeigen.

Gunnar Sohn verweist in vielen Diskussionen, die wir geführt haben, immer auf das Entstehen des Umweltministeriums 1986. Auslöser war damals die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Haben jetzt durch die Pandemie einen ähnlichen Auslöser? Ob Ministerium oder Digitalisierungsagentur, entscheidend wird neben der notwendigen Expertise (und einer glaubwürdigen Identifikationsfigur) sein, wie viel Kompetenz zur Neuordnung die jeweilige Institution bekommt und ob man bereit ist, alte Zöpfe abzuschneiden.

(Stefan Pfeiffer)

*Mit den Aussagen von Pinkwart zum Zustand der FDP, der Verteidigerin der Freiheit und der Grundrechte mit der Forderung, auch in Zeiten hoher Inzidenz zu öffnen, kann ich dagegen wenig anfangen. Auch die allzu starke Werbung für den Standort Nordrhein-Westfalen empfinde ich als etwas nervig, aber das ist ja zumindest sein Job.

Wie kann aus dem 800 Seiten starken Papier der Enquetekommission schnell gelebte KI-Praxis werden? Andrea Martin bei #9vor9

19. Mai 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Und endlich war sie zu Gast: Meine hoch geschätzte Kollegin Andrea Martin hat uns bei #9vor9 mit dem Digitalthema Was kommt nach der KI Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages besucht und aus der Arbeit berichtet. Große Einigkeit herrschte bei Andrea, Lars und mir mit der Aufforderung jetzt auch machen. Projekte umsetzen, nicht endlos diskutieren, sondern endlich machen entlang der definierten ethischen Leitplanken, ob es nun der Corona- oder Bürger-Chatbot ist oder andere Aspekte und Nuancen der Nutzung von künstlicher Intelligenz.

Über 800 Seiten Papier können eben geduldig sein, im Archiv (ver)enden, gerade wenn andere Themen wie die Pandemie nach Abgabe des Berichts in den Vordergrund getreten sind oder der aufziehende Wahlkampf bei Politiker:innen zur Verschiebung von Prioritäten führt. Der Fortschritt, die Digitalisierung in Deutschland und unsere Wettbewerbsfähigkeit wird aber nur dann zügig voran schreiten, wenn der Schritt vom dicken Grundlagenpapier in die reale Umsetzung gelingt. Da ist – wie bei vielen Themen der Digitalisierung – wohl noch deutliches Beschleunigungspotential.

Und dann war da noch das Thema Digitalministerium, um das wir uns gedrückt haben

Und da kommt auch das zweite Thema ins Spiel, das Andrea und wir ins Auge gefasst hatten: das Thema Digitalministerium, das auch ich immer wieder auf dem Kieker habe. Würde ein Digitalministerium dazu beitragen, dass digitale Themen wie Künstliche Intelligenz schneller eingesetzt werden? Hätte ein solches Ministerium die Macht, die Richtlinienkompetenz, um auch Entscheidungen in unseren Strukturen durchzusetzen, die von ministeriellem Besitzdenken und föderaler Verhinderungsstruktur geprägt zu sein scheint? Praktiker beklagen auch in #9vor9 immer wieder, wie zäh und innovationsverhindernd die derzeitigen Strukturen und das jetzige Vergabe- und Ausschreibungsrecht sind.

Und in diesem Zusammenhang muss ich natürlich auch wieder eines meiner „Schmerzthemen“ bringen: Wie erfolgreich Lobbyisten die Umsätze und Machtstellung ihrer Auftraggeber verteidigen und wie die deutschen Regierungsstellen versagen. Statt auf Open Source und lokale deutsche und europäische Anbieter zu setzen und diese konsequent zu stärken, werden dreistellige Millionenbeträge an Microsoft und an andere Unternehmen gezahlt. Bund und Länder als willkommene Gelddruckmaschine. So etwas kann man sich als Anbieter, der sein Monopol erfolgreich verteidigt, nur wünschen. Und natürlich könnte man sich an dieser Stelle auch ein Digitalministerium wünschen, das Industriepolitik mit eben besagter Richtlinienkompetenz durchsetzt. Aber wie singt Supertramp so schön: Dreamer, I am just a little dreamer.

Liebe Andrea, dann überlegen wir uns nochmal, ob wir uns doch an das Thema heran trauen, trotz Wahlkampfzeiten. Diskutiert werden muss das Thema weiter dringend. Vor allem aber müssten sich Strukturen und Tempo in der Digitalisierung in Deutschland verändern.

(Stefan Pfeiffer)


#9vor9 – Digitalthemen der Woche erscheinen auch immer als Podcast unter https://9vor9.podigee.io/ und sind natürlich über die gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Klima, Umwelt, Verkehr: Lokale Datenräume aufbauen und sicher nutzen – David da Torre von der Digitalstadt Darmstadt bei #9vor9

11. Mai 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Wieder ein besonderes Highlight bei #9vor9, den Digitalthemen der Wocher: Wir hatten José David da Torre Suárez, den Geschäftsführer der Digitalstadt Darmstadt zu Gast, der von den Aktivitäten seiner Institution vor und in Corona-Zeiten berichtet hat. Für mich als Heiner (Einwohner von Darmstadt) natürlich besonders interessant. Die Stadt Darmstadt hatte 2017 hat den Bitkom-Wettbewerb „Digitale Stadt“ gewonnen und implementiert seitdem zusammen mit Partnern aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ein regionales digitales Ökosystem, das – so der Anspruch – greifbarem Nutzen für die Bürger bringen soll. Und da laufen eine Menge an Aktivitäten, wie in dem sehr offenen Gespräch klar wurde, das wir aus der „Sendeentrale“ in Ewerschtt gestreamt haben:

Wir haben auch über die Hindernisse gesprochen, die jemand empfindet, der wie David aus der Privatwirtschaft oder der von außen auf die Geschwindigkeit schaut, mit der Projekte umgesetzt werden. Doch auch David berichtet wie viele andere über Ausschreibungen und Vergaberecht, in dem Fristen und Regeln strikt eingehalten werden müssen, sicher kein Katalysator für die Digitalisierung einer Stadt oder eines Landes. Rafael Laguna, Chef von SPRIND, hat ja ähnlich auf Twitter geklagt und eine Reform angemahnt.

Aber wer traut sich an dieses bürokratische Monster nun wirklich heran? Ein dickes Brett …

Jenseits solcher Hindernissen wurden in der Digitalstadt Darmstadt eine große Zahl von Projekten auf den Weg gebracht. Die Voraussetzungen, das Ökosystem in Darmstadt ist mit vielen IT- und digital affinen Unternehmen sehr gut, wie man auch an der Liste der Unterstützer sehen kann, die von verschiedenen Fraunhofer-Instituten über Raumfahrtunternehmen über die heimischen Lilien (den SV Darmstadt 98) bis zur Software AG und vielen anderen Institutionen und Unternehmen reicht. Vielen ist nicht bekannt, welche Basis hier am Standort vorhanden ist.

Screenshot von der Webseite der Digitalstadt Darmstadt. Das Copyright liegt bei der Digitalstadt Darmstadt.

Die vielen Projekte, die in Umsetzung sind, kann man auf der Home Page der Digitalstadt finden. Es sind Projekte meist jenseits der notwendigen Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung – ich weise hier gerne auf mein Gespräch mit Peter Kuhn von fortiss und meiner Kollegin Felizitas Müller aus dem Watson Center in München hin -, zukunftsgerichtet und datenbasiert. Es reicht von der Verkehrssteuerung mit Hilfe eines IoT-Netzwerkes mit Sensoren und Kameras und unterstützenden Apps für die Verkehrsteilnehmer über Optimierung der Abfallentsorgung bis zur Auswertung der Umweltdaten. Daten sollen intelligent verknüpft und genutzt werden, um intelligente Lösungen zu schaffen. Und die Ideen der Bürger:innen sind gefragt. Fast bei jedem Projekt ist eine Onlinebeteiligung möglich, etwas was David auch sehr am Herzen liegt. Auch für die Datenplattform wurde Input gesammelt und man denkt darüber nach, einen allzeit offenen Briefkasten für Verbesserungsvorschläge oder neue Ideen einzurichten.

Das öffentlich zugängliche Datencockpit. Da geht sicher noch deutlich mehr, aber es ist ein Anfang.

In unserem Gespräch wurde schnell deutlich, wie wichtig lokalen Datenräume und deren Nutzung und Auswertung gerade auch bei den genannten Themen sind und warum man auf eine Open-Data-Plattform setzt, dabei aber die Sicherheit und Verschlüsselung der Daten wie auch deren Nutzung genau im Blick behält, auch mit Unterstützung eines Ethik- und Technologiebeirats (in dem mir persönlich etwas die Digitalexperten von der Basis fehlen, aber so ist das wohl in der lokalen Politik und Verwaltung). Auf jeden Fall ist dieser Darmstädter Datenraum ein interessantes Projekt, erscheint oft greifbarer und näher an der Praxis wie manche derzeit noch abstrakten Datenräume wie sie beispielsweise derzeit rund um Gaia-X diskutiert werden.

Natürlich wurde auch die Digitalstadt Darmstadt von der Pandemie eingeholt und hat eine auf Open Source basierende Web-Videokonferenzlösung mit BigBlueButton aufgebaut, auf der unterdessen – so die Webseite – bis zu 5000 Schüler:innen zeitgleich online arbeiten. Technische Infrastruktur und Services für den Schul-Fernunterricht wurden seit Frühjahr 2020 sukzessive auf- und ausgebaut. Die Lösung ist wohl einer der derzeit am meisten nachgefragten Services der Digitalstadt und richtet sich an die lokalen Schulen, Vereine und gemeinnützigen Organisationen, die BBB umsonst nutzen können. Ermutigend, dass so etwas auf lokaler Ebene funktioniert und es nicht immer die kommerziellen Lösungen der großen Player sein müssen, trotz mancher Unkenrufe der Monopolistengläubigen

Was ist nun an dem Projekt Digitalstadt Darmstadt aus meiner Sicht faszinierend? Sicherlich einerseits der zukunftsgerichtete Ansatz, der Anspruch, Daten sicher und geschützt zu verwenden, um wichtige Themen wie Klima, Umwelt und Verkehrsplanung lokal voran zu bringen. Dabei auf ein lokales Ökosystem von Partnern zu setzen, scheint mir ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Digitalstadt Darmstadt und ihre Mitarbeiter:innen als Organisation, entsprechend gefördert und promotet durch den Bitkom und andere, ist dabei sicherlich ein „Enabler“ oder (hoffentlich) Katalysator, mit deren Hilfe, Projekte schneller voran gebracht werden.

Könnte manches noch praxisnaher sein? Ja, Digitalisierung muss für die Bürger noch viel positiver und näher erlebbar sein. Auch würde ich mir sicher noch viel mehr digitale Dienste in der Stadt Darmstadt wünschen, aber das ist eine Baustelle, die von Anderen in der Stadtverwaltung beackert wird – und wo noch extrem viel Verbesserungsbedarf besteht. Doch können andere Kommunen das Konzept der Digitalstadt Darmstadt als Anregung nehmen oder Blaupause nutzen, auch wenn dort das Ökosystem vielleicht nicht ganz so ausgeprägt sein sollte. Ich glaube, dass es solche lokalen oder regionalen Initiativen jenseits der hypergalaktischen, oft sehr weit entfernt scheinenden Pläne auf Bundes- oder Landeseben unbedingt braucht, um gerade auch in den Regionen schneller voran zu kommen. Zeit ist auf keiner Ebene zu verlieren, um Digitalisierung in Deutschland voran zu bringen.

Nochmals herzlichen Dank, lieber David, für das Gespräch.

(Stefan Pfeiffer)


#9vor9 – Digitalthemen der Woche erscheinen auch immer als Podcast unter https://9vor9.podigee.io/ und sind natürlich über die gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Der Traum von der proaktiven, bürgerfreundlichen Verwaltung oder wenn das Kindergeld automatisch nach Geburt gezahlt würde

22. April 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Seit mehr als einem Jahr moderiere ich jetzt fast jeden Dienstag das IBM Livestudio Magazin und berichte dort mit Kunden, Partnern, Influencern und IBM’ern aus der Welt von Hybrid Cloud und KI, aus der Welt der IBM. Ich lerne immer wieder neue spannende Themen kennen, von Quantum Computing bis zur Generalüberholung und Wiederverwendung von gebrauchter Hardware als Beitrag zur Nachhaltigkeit.

Besonders spannend ist es für mich natürlich, wenn Themen behandelt werden, für die ich mich ganz persönlich interessiere. Das sind beispielsweise Digitalisierung im Gesundheitswesen oder auch Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung. Diese Woche hatte ich wieder das Glück, zu letzterem Thema ein Gespräch führen zu dürfen, fast in Anschluss zu meinem ganz persönlichen Rant, der die Tage erschienen ist.

Peter Kuhn von Fortiss, der Landesforschungsinstitut des Freistaats Bayern für softwareintensive Systeme, und meine Kollegin Felizitas Müller aus dem IBM Watson Center in München. Mit den beiden durfte ich mich über ihr Projekt zur proaktiven Verwaltung unterhalten, einem innovativen Ansatz, der die Bürger:innen als Kunde:innen in den Mittelpunkt stellt. Die Idee ist Services so zu gestalten, dass sie sehr einfach genutzt oder gar automatisch geleistet werden. Ein Beispiel ist das Kindergeld, das in einem solchen Szenario gar nicht beantragt werden muss, sondern automatisch nach der Geburt eines Kindes an die Eltern ausgezahlt wird. Die Daten über die Geburt und Erziehungsberechtigte scheinen vorzuliegen, so dass wohl kein Grund gegen eine solche Automatisierung spricht.

Genug der Vorrede, einfach mal rein hören.

Ich habe den Eindruck, dass es sehr viele Prozesse und Verfahren gibt, die deutlich einfacher und benutzerfreundlicher abgewickelt werden könnte. Das wird ja auch im Onlinezugangsgesetz, kurz OZG, gefordert, das Bund, Länder und Kommunen verpflichtet ihre Leistungen über entsprechende Verwaltungsportale den Bürger_innen bis Ende 2022 auch digital anzubieten.

Der Prototyp, den die in der seit 2019 bestehende Kooperation zwischen fortiss und IBM entstanden ist, ist nur ein Beispiel, wie so etwas komfortabel funktionieren kann. Hier wird er auch nochmals näher erläutert. Technologien wie Infobots, komfortable Formularschnittstellen, bei denen die Daten schon vor ausgefüllt sind, und Integration in die vorhandenen Bestandssysteme können dabei Bausteine für solche deutlich komfortablere und bürgerfreundlichere Lösungen sein. Es mag zwar keine Sprunginnovation à la SPRIN-D sein, aber es wäre ein sichtbarer und vor allem für die Bürger:innen direkt erfahrbarer Fortschritt.

Nur müssen diese dann auch von den öffentlichen Verwaltungen angenommen und vor allem möglichst zügig umgesetzt werden. Da scheint es mal wieder zu hapern. Das Team hat die Lösung dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vorgestellt – und wartet auf eine positive Antwort. Und vielleicht gibt es ja auch außerhalb von Bayern Interessenten. Gerne stelle ich den Kontakt zu Felizitas und Peter her. Ich glaube fest daran, dass wir solche Lösungen dringend brauchen. Und in unserem privaten Videocast/Podcast #9vor9 werden in den kommenden Wochen auch mit dem Verantwortlichen der Digitalstadt Darmstadt genau auch über solche Themen sprechen, denn mehr Digitalisierung in der Verwaltung bleibt für mich ganz persönlich ein Herzensthema.

(Stefan Pfeiffer)

Der Lars flauscht mit Twitter und der Stefan grantelt über Digitalisierung in Deutschland – #9vor9 – Die Digitalthemen der Woche

20. April 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Heute (am 20.4.2021) bei #9vor9 der flauschige Lars Basche und der grantige Stefan Pfeiffer mit den Themen Weiterentwicklung von Twitter und dem Digitalisierungsdrama in Deutschland – und das im hoffentlich funktionierendem neuen Design*. Lars hat einen Blick auf seine Heimat in den sozialen Medien, auf Twitter geworfen, und einige der geplanten technischen Verbesserungen von Audio à la Clubhouse über Communities und Newsletter bis zur Monetarisierung über Superfollower vorgestellt. Weitere finden sich hier hinter der Paywall im Social Media Watchblog.

Mich treiben dabei primär zwei Gedanken um: Was passiert mit den Videofunktionen von Twitter, die bisher über Periscope zur Verfügung stehen und die wir ja auch für #9vor9 nutzen. Und werde ich auch meine letzte Heimat in den sozialen Medien durch die anstehende Monetarisierung potentiell verlieren? Twitter beziehungsweise eine durchaus von mir selbst gebaute Blase – aktiv folge ich über eine Twitter-Liste den Leuten, die ich schätze – ist nachdem ich Facebook mehr oder weniger verlassen habe und mir LinkedIn zu viel reines Business und Promotions und deutlich zu wenige Inhalte und Diskussionen bietet (nur meine Erfahrungen, der Klaus sieht das anders) der Ort, an dem ich mich noch immer täglich aktiv austausche. Wäre schade. Und kleiner Scherz am Rande: Nein, wir planen noch nicht, #9vor9 auf Twitter kostenpflichtig zu machen.

Nach unserem Gespräch habe ich dann den Tweet von Michael Kroker zu 15 Jahre Twitter und die Infografik gefunden, die ich hier mal einbaue:

Wie Lars ja auch wortgewaltig dargestellt hat, will Twitter ja jetzt richtig wachsen. Seien wir gespannt.

Ebenfalls heute bin ich über den Social Media Watchblog auf die Überschrift Facebook macht Ernst in Sachen Audio gestoßen. Der vollständige Beitrag ist wieder hinter einer Paywall.

Facebook hat eine Reihe neuer Audio-Features vorgestellt. Darunter ein Tool, um Audio aufzunehmen, ein neues Audio-Posting-Format mit dem Namen Soundbites, einen Clubhouse-Klon für Facebook und Messenger sowie eine weitgreifende Partnerschaft mit Spotify, die den Konsum von Podcasts und Musik innerhalb von Facebook ermöglicht.

Facebook macht Ernst in Sachen Audio | Facebook soll Pläne für ein Kinder-Instagram beerdigen | TikTok finanziert NowThis-Serie

Social Audio war ja Thema in unserem Gespräch mit Julia. Hier werden wir wohl auch bald mal nachlegen müssen.

Also gab mir Lars schon einen Anlasse, zu granteln. Viel lauter grantel(t)e ich ja auch schon eine Weile und die Tage über das Versagen der deutschen Politik und öffentlichen Verwaltung in der Digitalisierung. Kürzlich habe ich in einem Beitrag einige Artikel und Tweets der vergangenen Monate heraus gesucht, bei dem einem nur die Haare zu Berge stehen können. Scheinbar geht es kaum oder nur quälend langsam voran. Stattdessen werden beziehungsweise wurden in der Ära Merkel immer mehr Beamte eingestellt. Und nein, lieber Flausch-Lars Basche, die arbeiten nach meiner Einschätzung eben genau nicht an der Digitalisierung. Da gibt es ganz andere Vermutungen. Ein böswilliger Schelm und Grantler, wer Pöstchengeschachere vermutet.

Da es sonst keiner tut (🤨), zitiere ich einfach mal selbst:

Nach Jahren des digitalen Stillstands, gar Rückschritts scheint ein radikaler Schnitt, ein Neuanfang notwendig. Die jetzigen Regierungsparteien haben es offensichtlich versäumt, die digitale Transformation in der öffentliche Verwaltung nennenswert nach vorne zu bringen. Das können wir uns seit langem nicht mehr leisten.

Unsere scheinbare oder offensichtliche Unfähigkeit zur Digitalisierung in Deutschland dokumentiert in einigen Tweets – und meine 2 Cents dazu – StefanPfeiffer.Blog

Das Thema wird uns auf jeden Fall in den kommenden Wochen noch bleiben, kommunal, regional und bundesweit. Wir werden mit Gästen über die Digitalstadt Darmstadt oder die Digitalisierungsbemühungen generell sprechen.

Bis dahin viele Grüße vom Grantel-Stefan


#9vor9 – Digitalthemen der Woche erscheinen auch immer als Podcast unter https://9vor9.podigee.io/ und sind natürlich über die gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

*Nachdem es im Gespräch mit Sabine und Alexander technisch gerumpelt hat: Wir haben heute erstmals (hoffentlich erfolgreich) mit den Scenes Ecamm experimentiert, die eine Menge an Möglichkeiten zur Gestaltung bieten.

Unsere scheinbare oder offensichtliche Unfähigkeit zur Digitalisierung in Deutschland dokumentiert in einigen Tweets – und meine 2 Cents dazu

19. April 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Mir sind in den vergangenen Wochen verschiedene Tweets und Berichte aufgefallen, die sehr kritisch zum Thema Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung Stellung nehmen. Viele Tweets und dahinter liegende Berichte frustrieren einfach nur. Und sie schreien sicher nach tiefergehenden Analysen und vor allem Umsetzungsvorschlägen, wie wir Digitalisierung vorantreiben. Nicht zur Demotivation, sondern einfach als Stoffsammlung zur Diskussion.

Der von mir sehr geschätzte Rafael Laguna de Verra wird wie folgt zu bestehenden Gesetzen und Vorgaben zitiert: Sie behindern, blockieren oft den digitalen Fortschritt. Sind sie vielleicht in dieser Zeit überholt und müssten dringend modernisiert werden?

Handelsblatt und heise online berichten über das Gutachten des Wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums: eine schonungslose Analyse des Versagens. Der gesamte Bericht kann hier heruntergeladen werden:

Und zur gleichen Studie folgendes Zitat von heise online:

Und ein Zitat aus dem Fazit des Berichts:

Digitale Transformation muss mit einer Reform von Organisationen und Prozes- sen einhergehen. Etablierte Gesetze und Organisa- tionsweisen müssen auf ihre Eignung in einer digi- talen Welt hin überprüft und reformiert werden. Dazu sind einfache Verwaltungsabläufe, auch im föderalen Kontext, sowie klare politische und unter- nehmerische Führung notwendig.

Digitalisierung in Deutschland – Lehren aus der Corona-Krise

Ein gewisses i-Tüpfelchen setzt dann für mich diese Aussage von Peter Altmaier: Wenn wir es nicht hinbekommen, dann holen wir uns ein Team aus Estland … Einfach mal reinhören.

Die NZZ analysiert in einem Bericht das Wachstum an Beamten in der Minsterialbürokratie: In der Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel seien rund 4600 zusätzliche Stellen geschaffen worden. Für wen? Zur stärkeren Digitalisierung hat es offensichtlich nicht beigetragen.

Von den Autorinnen:en werden auch Doro Bär und Jörg Müller-Lietzkow kritisch ins Visier genommen, die ja kürzlich in der FAZ ein neues Superressorts für Digitalthemen gefordert haben:

Ein Superressort mit neuen Stellen? Oder sollen Beamte aus den anderen Ressorts dorthin wechseln? Da stellt sich natürlich dann wieder die Frage, ob nicht frischer Wind und externe Kompetenz gefragt wären – die aber dann hoffentlich nicht an besagten Vorgaben, Gesetzen, an föderalen Strukturen und Blockaden oder bewusstem Aussitzen verzweifeln.

Persönlich sehr frustrierend finde ich, dass gerade der Bund seine Mittel nicht in von den US-Herstellern unabhängige Lösungen für die öffentliche Verwaltung investiert und stattdessen dreistellige Millionenbeträge beispielsweise an Microsoft überweist …

… und gar die Zukunft der öffentlichen Verwaltung auf Basis Microsoft finanzieren will.

Können wir in Europa oder Deutschland es wirklich nicht? Sind es nur die IT-Spezialisten, die fehlen?

Oder ist es nur Bequemlichkeit? Auf jeden Fall würde eine solche Investition neben höherer digitaler Souveränität sowohl Arbeitsplätze schaffen und sichern wie auch höhere digitale Kompetenz in Deutschland kreieren. Bund, Länder, europäische Institutionen tun es aber nicht. Aus Bequemlichkeit? Da Microsoft und Konsorten so geschicktes Lobbying betreiben? Oder weil sie es deutschen IT-Experten nicht zutrauen, denn zu viele, fast alle öffentlichen IT-Projekte sind gescheitert.

Nein, mehr Aufträge an Berater ist nicht die automatische und logische Konsequenz.

Die könne, müssen wahrscheinlich mit einbezogen werden, aber es braucht vor allem ein anderes Vorgehen, weg vom klassischen IT-Projekt im Wasserfallmodell hin zu agileren Projektmanagement- und Realisierungsmethoden. Das geht. Auch in der öffentlichen Verwaltung. Ich glaube, dass es durchaus mit unabhängigem Projektmanagement und entsprechendem Personal klappen könnte. SPRIN-D, die Bundesagentur für Sprunginnovation, könnte ein Vorbild sein.

Leider scheinen Weckrufe wie die von Peter Ganten oder Rafael Laguna de Verra zwar nicht ungehört, aber ohne daraus resultierendes Handeln zu verhallen.

Ich bin in dieser Tweet- und Quellensammlung bewusst nicht auf aktuelle Themen wie die Vernetzung der Gesundheitsämter mir Sormas, das teilweise herrschende Anmeldechaos bei Impfungen, auf die oft zu unrecht kritisierte Cornona-Warn-App oder die aktuellen Diskussionen um die Luca-App eingegangen. Dies sind nur fatale Fanale eines jahrelang heraufbeschworenen digitalen Versagens in der öffentlichen Verwaltung.

Nach Jahren des digitalen Stillstands, gar Rückschritts scheint ein radikaler Schnitt, ein Neuanfang notwendig. Die jetzigen Regierungsparteien haben es offensichtlich versäumt, die digitale Transformation in der öffentliche Verwaltung nennenswert nach vorne zu bringen. Das können wir uns seit langem nicht mehr leisten.

(Stefan Pfeiffer)

Hörtipp: Von Diversity im Kopf und in der Verwaltung – Der SPRIN-D Podcast mit Katrin Suder vom Digitalrat

8. April 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich gebe zu, dass ich den Digitalrat der Bundesregierung wenn überhaupt nur am Rande wahrgenommen habe. Mehr Aufmerksamkeit bekommen hat er jetzt durch das Gespräch zwischen Katrin Suder und Thomas Ramge im Podcast von SPRIN-D, der deutschen Agentur für Sprunginnovation, erhalten. Katrin Suder, Vorsitzende des Digitalrats der Bundesregierung, Mitglied des Kuratoriums der Hertie School of Governance, vorher im Verteidigungsministerium und eine ehemalige „McK’ie“, wird von Ramge zur Arbeit des Digitalrats und darüber hinaus befragt.

https://feeds.podcastproduzenten.de/sprind/feed/

Es werden viele Aspekte und Themen behandelt,fallen viele Begriffe, viele Schlagworte, die gerade heutzutage durch die Corona-Krise noch mehr in den Fokus geraten sind und ich erlebe einige Déja-vu und Future-vu in meinem ganz persönlichen Spagat zwischen Themen, mit denen ich im Job im IBM Livestudio und aus Privatinteresse hier im Blog oder bei #9vor9 beschäftige.

Katrin Suder spricht über die Notwendigkeit, sich in vielen Bereichen vom Projektmanagement nach dem Wasserfallmodell hin zu iterativer, spiralförmiger, agiler Entwicklung bewegen muss – und ich denke an mein Gespräch mit Anna Roizman und Cihan Sügür von Porsche. Sie spricht von der Notwendigkeit eines Mentalitätswandels, von der Notwendigkeit von Quereinsteiger:innen in der öffentliche Verwaltung, damit man dort endlich Projekte – sie nennt es Kampagnen – schnell, pragmatisch und erfolgreich bewältigen kann, ein Thema das alle, uns bei #9vor9 und mich im Blog beschäftigt.

Die Herausforderungen unseres föderalen Systems werden ebenso angesprochen, wie fehlendes digitales Denken, fehlende Anpackmentalität sowie bürokratische Verkrustungen und Lähmungen: Unsere Verwaltung ist einfach noch nicht so weit, dass sie neue innovative Arbeitsweisen inne habe. Lange Jahre war sei auf Beständigkeit getrimmt. Was nicht gelungen sei, sei das Innovative, Agile. Man sei einfach hochgradig überreguliert. Zu viele Juristen, zu wenige Historiker 😉 … Stimmt, leider.

Es geht um die verantwortungsvolle Nutzung von Daten und Datenschutz ebenso wie um Diversity – und hier wird Katrin Suder durchaus emotional. Sie hält ein flammendes Plädoyer für Vielfalt, einer Offenheit, sich anderen Perspektiven zu öffnen, auch um mehr Frauen in Führung und Teams. Diversity ist schwieriger, anstrengender, aber es lohnt sich, denn es kommen bessere Ergebnisse heraus. Sehr hörenswert.

Auch Gaia-X, das mich in den kommenden Wochen in diversen Talks beschäftigt, wird behandelt. Und ja, digital souverän sein, muss oder darf nicht heißen, die Lösungen der Hyperscaler nach zu bauen. In diesem und anderen Umfeldern geht es um Wahlfreiheit und um die Kompetenz, technologische Lösungen zu bewerten und zu prüfen. Gaia-X müsse Standards schaffen, um mehr Unabhängigkeit von einzelnen Anbietern schaffen, eine Wechselmöglichkeit gewährleisten und eine Souveränität in den Datenräumen zu garantieren. Und sie stellt auch die Frage: Schaffen wir das, oder ist Europa einfach zu kompliziert und scheitern wir wieder an unseren Eigeninteressen? Gute Vorbereitung für meine Talks mit Heinz-Joachim Schmitz und anderen Experten!

Sicher bliebt das Gespräch, kann das Gespräch nur an der Oberfläche, aber es werden im Talk zwischen Karin Suder und Thomas Ramge – gerne erinnere ich mich noch an das Streitgespräch Ramge und Andrea Martin zu KI auf der letzten Cebit 2018 in Hannover (Achtung: Facebook-Link) – wichtige Punkte beleuchtet, auf die man achten kann und sollte.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay

Talkshow-Überdruss: Immer die gleichen Gäste, viel Unsachlichkeit, oft Polemik, zu wenig fachliche Diskussion, schwächelnde Moderatoren:innen

26. März 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Der letzte Satz von Manfred Lindlinger in seinem Beitrag zum Project Debater, einer von IBM entwickelten KI, die mit Menschen debattieren, diskutieren und argumentieren kann, hat mich ins Mark getroffen. Mancher Talkshow würde ein entsprechender Diskussions- und Debattierpartner gut tun, der fundierte Argumente identifizieren und vortragen würde. Das hat gesessen, denn viele, ja die meisten Talkshows gehen mir derzeit sehr auf die Nerven. Natürlich dominiert das Thema Corona bzw. Covid-19. Kein Tag ohne eine entsprechende Talkshow (und deren „Nachbehandlung“ in den Medien). Und ich glaube, auch immer wieder die gleichen Gäste zu sehen. (Dazu kann man gerne die am Ende eingeblendete Statistik checken. Ist zwar nur 2020, aber immerhin.)

Vor allem scheint mir zu oft nur heiße Luft zu kommen. Regierende aus Bund und Ländern, die ihre Wankelmüdigkeit rechtfertigen, oder Politiker, die schon im Wahlkampfmodus auf Stimmenfang sind. Die FDP sticht mir dabei gerade heraus, die ganz offensichtlich der CDU/CSU Wähler:innen mit wirtschaftsfreundlichen Öffnungsparolen abjagen will. Emotional berührt haben mich die Aussage von Herrn Kubicki, der die Diskussion um die Mutante gar lustig findet frei nach dem Motto:

Zwar hat die Partei wenig Konkretes anzubieten, aber aus der Opposition heraus kann man schon mal breitflächig stänkern.

Kubicki beim ARD-Talk in Fahrt: „Diese Mutanten-Diskussion finde ich lustig“ – FOCUS Online

Eine höhere Ansteckung sei nicht nachgewiesen. Dem RKI oder britischen Forschern scheint Herr Kubicki ganz offensichtlich nicht zu glauben. Immerhin Widerspruch vom Grünen (und Arzt) Janosch Dahmen in der Diskussion bei Anne Will. Ein Negativbeispiel, das heraus sticht, mir natürlich besonders auf die Nerven geht, weil ich anderer Meinung bin*, das aber beispielhaft meine Talkshow-Müdigkeit verdeutlicht. Viel Unsachlichkeit, oft Polemik, zu wenig fachliche Diskussion, manchmal schwache Moderatoren:innen. Und das zieht sich durch. Ausnahmen bestätigen die Regel. Michael Radunski kommentiert in der FAZ eine Talkshow mit Maybrit Illner:

Lauterbach mahnte, warnte und forderte neue scharfe Maßnahmen, während Madsen die Zeit für Öffnungskonzepte, Hoffnung und Mut gekommen sieht. Über beide Sichtweisen lässt sich diskutieren. Man mag zu ihren jeweiligen Forderungen stehen, wie man will. Aber sowohl Lauterbach wie auch Madsen vertreten zumindest eine klare Haltung, für die sie jeweils auch Argumente ins Feld führten. Und nur so ergibt eine Talkshow einen Sinn.

TV-Kritik Maybrit Illner: Osterruhe und Versagen der Corona-Politik

Mehr Argumente – der Link zurück zu Project Debater und mancher Talkshow würden fundierte Meinungen gut tun – , gerne lebhafte Diskussion, vor allem weniger Schaumschläger und standhafte, kritische Talk Master. Aber das sind sicher fromme Wünsche – passend zur Vorosterzeit. Vielleicht sollte ich einfach abends wegzappen, wenn man mal wieder eine derartige Runde aufpoppt. Wahrscheinlich die klügere Variante, auch wenn ich eigentlich jemand bin, der eine faire und harte Debatte liebt und für wichtig erachtet.

* Ich bin auf der Seite eines Christian Drosten, einer Melanie Brinkmann und eines Karl Lauterbachs, die nach meiner Beobachtung und Einschätzung fundierte Empfehlungen aufgrund der Datenlage geben, denen aber immer wieder nur partiell gefolgt wird. Nur zu schnell werden die Maßnahmen wieder zurück genommen mit verheerenden Folgen, wie es beispielsweise auch Gunter Dueck beschreibt. Notbremsen werden gelockert, doch – wie auch Karl Lauterbach aufgrund der Datenlage und seiner Fachkompetenz vermutet – der Lockdown wird kommen, nur dann noch härter, weil viele Politiker jetzt wieder windelweich einknicken.

Hier nun zum Abschluss die angekündigte Übersicht der Talkshow-Gäste von ARD und ZDF in 2020:

(Stefan Pfeiffer)

Signifikante Investition der öffentlichen Hand in Open Source-basierte Lösungen für die Verwaltung wäre die beste Zukunfts- und Wirtschaftsförderung – Thema bei #9vor9

23. März 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Digitalisierung und öffentliche Verwaltung ist ein Thema, das durch die Corona-Pandemie deutlich stärker in das allgemeine Bewusstsein gerückt ist. Und hier spielen Open Source-basierte Lösungen – wie die aus meiner Sicht oft zu Unrecht kritisierte Corona Warn App – eine wichtige Rolle. Peter Ganten, Vorsitzender der Open Source Business Alliance und CEO von Univention, hat sich dankenswerterweise die Zeit genommen, mit uns die verschiedenen Aspekte zu beleuchten.

Besonders bemerkenswert für mich sein Schlussplädoyer, seitens der öffentlichen Hand doch mal eine signifikante Summe in die Hand zu nehmen und in Open Source-basierte Lösungen für die Verwaltung zu investieren, statt die entsprechender Gelder in die USA zu überweisen. „Die Bundesregierung hat 2020 für rund 178,5 Millionen Euro Softwarelizenzen, Cloud- und Serverdienste bei Microsoft eingekauft, ein neuer Großauftrag steht an,“ schreibt beispielsweise heise online.

Von ähnlichen Investitionen kann die deutsche oder europäische Software-Industrie nur träumen, dabei könnte dies eine sehr lohnende Investition sein. Die europäische Wirtschaft würde gefördert, Arbeitsplätze gesichert und geschaffen, Kompetenzen weiter aus- und aufgebaut, so dass die so entwickelten transparenten, nachvollziehbaren Lösungen gar zu einem Exportgut werden könnten. Angesichts manch anderer Subventionierung und Krisenhilfen in Pandemiezeiten könnte das eine sehr lohnende Investition in die Zukunft sein.

Ich interpretiere Peter auch so, dass er den Kampf um das Frontend, um die Benutzeroberfläche, um die Programme, die täglich genutzt werden, trotz einer Dominanz in Office noch nicht aufgeben will oder aufgegeben hat. Er sieht hier durchaus weiter Chancen, auch wenn es natürlich schwer fällt, sich von alten Gewohnheiten und Formaten zu trennen. Vielleicht ist es einfach an der Zeit, sich von manchen Excel- und Word-Makros zu verabschieden und dies in neue, offene Lösungen zu überführen.

Noch ein Schlussbemerkung: Es mag oft so sein, dass Lösungen wie Teams oder Zoom derzeit stabiler laufen – auch wenn es dort ebenfalls Outages gegeben hat – und es bei manchen lokalen, Open Source-basierten Videokonferenzsystemen wie Jitsi oder Big Blue Button hier und da hakt oder gehakt hat. Wir können es einfach nicht, hört man den ein oder anderen unken. Die Hyperscaler machen das halt täglich, also nehmen wir sie doch einfach. Für mich der falsche Schluss. Dann müssen wir es lernen und die Chance nutzen, die entsprechende Infrastruktur, das Backend mit ausreichend Instanzen und Servern, entsprechend auszubauen. Ein digitales Backend werden wir auch nach der Pandemie brauchen. Da sind wir dann wieder beim Thema Investition in lokale Lösungen und Infrastruktur, die sich in der Zukunft weiter auszahlen könnten.

Und natürlich gibt es #9vor9 auch wieder als Podcast auf den bekannten Plattformen und hier im Netz.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von NewUnion_org auf Pixabay

Von der Bundeszerredungsrepublik, Krisenbürokratie und Malle als Schlüssel

14. März 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Mein ehemaliger Kollege Gunter Dueck hat sich zum Thema Verimpfung geäußert und ich kann ihm nur zustimmen. Bürokratie, fehlender Pragmatismus führen zu absurdem Vorgehen. Darüber, wie ich um „meine“ FFP2-Masken bei der Krankenversicherung musste, habe ich berichtet – um dann zwei Gutscheine von der Bundesdruckerei zu erhalten. All das hat wenig mit Krisenmanagement und schnellem Handeln zu tun.

Die Erfahrungen, beim Versuch, einen Impftermin online anzumelden, waren ähnlich. Mal musste Stadt und Ortsteil online eingegeben werden, mal nicht, mal auch noch der Geburtsname meiner Mutter als Zusatzname. Oder ich wohne halt nicht mehr in Darmstadt, sondern nur noch in Eberstadt, obwohl es anders auf dem Pass steht. Es stimmt halt:

Wir sind keinesfalls kostenbewusst und überhaupt nicht pragmatisch, und absolut nicht zupackend pragmatisch, und schon gar nicht selbstverantwortlich ethisch. Die Bürokratie bei den Impfterminen und aller sonstige Irrsinn verzögert das Impfen wahrscheinlich so sehr, dass es mehr Tote und Wirtschaftsschäden gibt, als wenn man einfach pragmatisch losimpft, …

DD379: Staat machen mit Corona – Omnisophie

Gunter Dueck schreibt von schnellem, pragmatischen Handeln, von gesundem Menschenverstand. Und hier ist noch gar nicht von Digitalisierung die Rede, von der Möglichkeit schneller, schlanker, vor allem bürgerfreundlicher zu agieren, die Rede.

Die Bürokratie ist leider allenthalben, bei der Vergabe von Impfterminen, aber auch im Verwaltungsalltag, den wir als Bürger:innen oft erleiden. Gerade liegt wieder ein per Briefpost zugestelltes Schreiben vor mir, ein Passbild zu schicken, um einen Ausweis zu verlängern. Das Amt war nicht in der Lage, meine E-Mail per E-Mail zu beantworten und hat sich sogar verbeten, das ich gar nachfrage. Immerhin darf ich das Passbild jetzt per E-Mail schicken, in einem definierten Format. Genau das hatte ich in meiner ursprünglichen, ersten E-Mail am 11. Februar angeboten. Aber sind ja nur 4 Wochen. Was rege ich mich nur auf. Immerhin habe ich jetzt schon einmal diese Antwort bekommen:

Immerhin: Eine nochmalige Übersendung per Post oder Fax ist nicht erforderlich …

Das war vor einigen Wochen noch nicht der Fall. Da kam gar nichts.

Ja, natürlich sind gerade wir, die in den sozialen Medien unterwegs sind, die bloggen, quasi Bundesjogis. Genau wie beim Fußball glauben wir auch beim Thema Digitalisierung, schnellere, unbürokratischere Abläufe und Entscheidungen es besser zu wissen. Doch, lieber Jörg Schieb, es geht nicht nur um Politik-Bashing. Es geht auch um berechtigte Kritik und wie Du schreibst, haben es uns andere Länder vorgemacht. Sie sind schneller, pragmatischer, digitaler und stehen deshalb beispielsweise beim Impfen besser da. Und ja, wir dürfen nicht alles zerreden, sondern müssen auch einfach mal anpacken: „Einfach auch mal machen. Lernen. Vorankommen. Besser werden.“ Thomas Holl schreibt zu Recht in der FAZ von deutscher Krisenbürokratie, die dem Virus seit Monaten hinterher läuft:

Schnelligkeit schlägt Perfektion, lautet eine der wichtigsten Lehren im Kampf gegen Corona. Damit tut sich Deutschland immer noch schwer.

Kommentar zu dritter Corona-Welle: Das Virus ist rasanter als die Politik

Da scheint auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, der schon vor Corona als Digitalisierer und Beschleuniger des Gesundheitswesens angetreten war, unterdessen überfordert und hinterher zu laufen. Es entsteht der Eindruck, als ob wir Deutschen es einfach nicht (mehr) können (wollen), das schnell anpacken und umsetzen. Durch die Pandemie und das schlechte Krisenanagement werden jahrelange Versäumnisse deutlich.

Die Diskussion um die Luca-App ist ein Beispiel dafür: Losgelöst davon, wie gut die Datensicherheit in dieser App ist und ob alternative Apps besser sind, hätte man schon im Herbst vergangenen Jahres eine Entscheidung vorbereiten oder gar treffen können. Schon damals wurde das Thema Erfassung der Kontaktdaten über QR Code in Restaurants oder anderen öffentlichen Räumen wie Universitäten diskutiert – und eben kein Plan entwickelt, keine Entscheidung getroffen, die man jetzt aus der Schublade holen könnte.

Auch, wenn eine neue App einiges besser machen sollte: Sie trifft am Ende noch immer auf ein zutiefst analoges Land. Sie trifft auf Gesundheitsämter, die immer noch immer Faxe verschicken. …

Eine neue Corona-App wird auch nicht alle Probleme lösen. Die Digitalisierung des Gesundheitssystems wäre ein Schritt. Aber bis dahin ist diese Pandemie vorbei.

Eine neue Corona-App wird auch nicht alle Probleme lösen › Digitalistan

Und beim Thema Datenschutz und Überwachung möchte ich Jörg Schieb noch einmal explizit zustimmen:

Stichwort Überwachung: Die Verwendung der Daten lässt sich durch gesetzliche gesetzliche Regelungen lösen. … Und überhaupt davon ausgehen: Nur wenn ich zustimme, ist es eine gute oder überhaupt legitime Lösung.

Digitalisierung: Bundeszerredungsrepublik Deutschland › Digitalistan

Explizite Zustimmung, das meine Daten benutzt werden dürfen, genaue, verständliche Erklärung. wer meine Daten wofür nutzt. So wird es bei der Datenspende-App des RKI gemacht. So sollte es generell immer gehandhabt werden.

Zurück zu Gunter Dueck, der so schön zum Abschluss seines lesenswerten Beitrags schreibt :

Sagte vor längerer Zeit jemand: „Wenn man nur geimpft nach Malle kann, spuren sie alle.“ Letztlich sind wir dann doch pragmatisch, … Malle ist der Schlüssel.

DD379: Staat machen mit Corona – Omnisophie

Und Mallorca ist ja jetzt kein Krisengebiet mehr, wie allenthalben berichtet wird. Malle ist der Schlüssel, Osterurlaub am Mittelmeer, liebe Sabine, lieber Henning (die beiden haben dort ein Häuschen …). Dann kann es ja los gehen. In Deutschland könnten die Hotels dann noch zu sein.

(Stefan Pfeiffer)

Hackerangriffe, Kekse, Kontaktverfolgung und deutsche digitale Bräsigkeit bei #9vor9 – den Digitalthemen der Woche

10. März 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Unser heutigen Digitalthemen bei #9vor9: Hackerangriffe auf Tausende von Exchange Servern beunruhigen nicht nur das BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik) und setzen damit die Liste beunruhigender Vorfälle fort. Wir erinnern nur an Solarwinds, wo es wohl gelungen war bis zum Quellcode des Cloud-Angebots Azure vorgedrungen war.

Bezüglich der Bedrohungen von Exchange Servern möchte ich ausdrücklich auf den Blogbeitrag von Henning Uhle verweisen, der sich mit den Hafnium-Angriffen auf Exchange Server auseinandersetzt und die notwendigen Maßnahmen auseinander dröselt und vor allem sein Schlusswort unterstreichen:

Allerdings ist es auch so, dass niemand sagen kann, ob es mit Wettbewerbern oder mit der Cloud anders sein würde. Microsoft sagt zwar, dass mit Microsoft 365 derartiges nicht bekannt ist, aber kann man da wirklich sicher sein?

Hafnium-Angriffe auf Exchange Server – Henning Uhle

Nahezu zur gleichen Zeit warnen die Security Reports von Netscope und der IBM vor immer mehr Sicherheitsbedrohungen in der Cloud. Laut Netscope stieg nicht nur die Zahl Cloud-Apps pro Unternehmen. Im vergangenen Jahr wurden sogar fast zwei Drittel der identifizierten Schadsoftware über Cloud-Anwendungen und -Dienste verbreitet (61 Prozent), berichtet Michael Kroker in seinem Blog. Klar muss jedem sein, dass Cybersecurity-Bedrohungen nicht nur ein Problem von Microsoft, Behörden und Verwaltungen ist. Es betrifft jede:n Anwender:in ganz persönlich auf dem eigenen Rechner, dem Smartphone oder Tablet und vermehrt auch im eigenen Smart Home mit all den ach so intelligenten (und oft auch angreifbaren) Devices.

Key Findings des IBM X-Force Threat Intelligence Index 2021 ©IBM

Und am 9. März und in diesen Zeiten kommt man auch nicht um das Thema Covid19 und Kontaktnachverfolgung herum Jörg Schieb berichtet auf Digitalistan, dass Bund und Länder ihre Entscheidung für oder gegen die Luca-App zur Kontaktnachverfolgung erst einmal vertagt haben. Dabei geht es mir gar nicht darum, ob es Luca oder eine andere App werden wird. Mir geht es darum, dass diese Entscheidung für eine App bereits im Sommer oder Herbst 2020 hätte getroffen werden müssen. Das hat nichts mit großer Weitsicht oder gar prophetischer Gabe zu tun. Das ist schlicht Versagen in der Pandemieeindämmung und -bekämpfung. Und ja, eine einheitliche Schnittstelle, über die alle verfügbaren Apps funktionieren, wäre auch toll gewesen. In dieses Horn stößt auch Jörg in seinem Beitrag. Ich habe kürzlich selbst dazu geschrieben oder Dieter Schnaas von der Wirtschaftswoche zitiert. Traurig. Der von Jörg gewählte Begriff Bräsigkeit von Politik und Verwaltung ist aus meiner Sicht noch viel zu verniedlichend.

Und er ging mir nicht auf den Keks

Urlauber Lars Basche, der sich wohl mühsam aus dem Bett zum Frühstück gequält hatte, dachte natürlich wieder nur an Kekse, brachte sie nicht einmal mit (und ging mir auch auf besagten). Sein Thema der Woche: Google Chrome blockiert Third Party Cookies. Von einigen wurde das angesichts der Marktanteile von Chrome auf mobilen Android-Geräten und auf Computern schon als Riesenerfolg für den Datenschutz gefeiert. Doch die Wahrheit dürfte anders aussehen: Google löst sich von „personalisierter Werbung“ und schwenkt stattdessen auf eine Zuordnung von Personen zu Gruppen, zu Kohorten um. Aufgrund dieser Klassifizierung wird dann wohl die Werbung ausgespielt, denn auf die entsprechenden Einnahmen wir Google ganz sicher nicht verzichten wollen. Mit den Kohorten soll jetzt experimentiert werden.

Vor allem dürfte das Ende der Third Party Cookies in Chrome – Safari und Firefox haben das schon länger – ein Schlag gegen Facebook und andere Adtech-Anbieter sein, die es damit schwerer haben, Daten zu sammeln und zu kommerzialisieren. Und schon wieder zitiere ich Jörg Schieb:

Keine personalisierte Werbung mehr. Nicht sofort, aber ab nächstem Jahr. Begrüßenswert, denn wenn das mit Abstand größte Werbenetzwerk auf diese Form der Werbung verzichtet, kommen alle anderen unter Druck. Dass Google damit allerdings nicht sofort aufhört, sondern erst nächstes Jahr, zeigt aber auch, dass es keine moralische Entscheidung ist, sondern eine durch und durch wirtschaftliche.

Google macht Schluss mit Schnüffel-Werbung – demnächst › Digitalistan

So ist es wohl. Und ich habe unseren Lars, der heftiger Chrome-Nutzer ist, auch diese Meldung erinnert, die vor kurzem erschienen ist. Nicht nur Daten, auch Speicher wird von Chrome exzessiv verbraucht …

Und natürlich stimmt auch das, was Lars gesagt hat: Wie viele von uns klicken die berühmten Cookie-Einstellungen einfach weg beziehungsweise akzeptieren sie aus Bequemlichkeit. Verstehen tut die exzessiven Beschreibungen eh niemand, also ich zumindest nicht. Meine Methode: Auch als Firefox-Nutzer lösche ich konsequent alle 3-4 Wochen meine Browser-Historie inklusive gespeicherte Seiten und Cookies. Das tun aber bei weitem nicht alle.

Und natürlich gibt es #9vor9 auch wieder als Podcast auf den bekannten Plattformen und hier im Netz.

Und natürlich bleibt die Frage aller Fragen:

(Stefan Pfeiffer)