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Klima, Umwelt, Verkehr: Lokale Datenräume aufbauen und sicher nutzen – David da Torre von der Digitalstadt Darmstadt bei #9vor9

11. Mai 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Wieder ein besonderes Highlight bei #9vor9, den Digitalthemen der Wocher: Wir hatten José David da Torre Suárez, den Geschäftsführer der Digitalstadt Darmstadt zu Gast, der von den Aktivitäten seiner Institution vor und in Corona-Zeiten berichtet hat. Für mich als Heiner (Einwohner von Darmstadt) natürlich besonders interessant. Die Stadt Darmstadt hatte 2017 hat den Bitkom-Wettbewerb „Digitale Stadt“ gewonnen und implementiert seitdem zusammen mit Partnern aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ein regionales digitales Ökosystem, das – so der Anspruch – greifbarem Nutzen für die Bürger bringen soll. Und da laufen eine Menge an Aktivitäten, wie in dem sehr offenen Gespräch klar wurde, das wir aus der „Sendeentrale“ in Ewerschtt gestreamt haben:

Wir haben auch über die Hindernisse gesprochen, die jemand empfindet, der wie David aus der Privatwirtschaft oder der von außen auf die Geschwindigkeit schaut, mit der Projekte umgesetzt werden. Doch auch David berichtet wie viele andere über Ausschreibungen und Vergaberecht, in dem Fristen und Regeln strikt eingehalten werden müssen, sicher kein Katalysator für die Digitalisierung einer Stadt oder eines Landes. Rafael Laguna, Chef von SPRIND, hat ja ähnlich auf Twitter geklagt und eine Reform angemahnt.

Aber wer traut sich an dieses bürokratische Monster nun wirklich heran? Ein dickes Brett …

Jenseits solcher Hindernissen wurden in der Digitalstadt Darmstadt eine große Zahl von Projekten auf den Weg gebracht. Die Voraussetzungen, das Ökosystem in Darmstadt ist mit vielen IT- und digital affinen Unternehmen sehr gut, wie man auch an der Liste der Unterstützer sehen kann, die von verschiedenen Fraunhofer-Instituten über Raumfahrtunternehmen über die heimischen Lilien (den SV Darmstadt 98) bis zur Software AG und vielen anderen Institutionen und Unternehmen reicht. Vielen ist nicht bekannt, welche Basis hier am Standort vorhanden ist.

Screenshot von der Webseite der Digitalstadt Darmstadt. Das Copyright liegt bei der Digitalstadt Darmstadt.

Die vielen Projekte, die in Umsetzung sind, kann man auf der Home Page der Digitalstadt finden. Es sind Projekte meist jenseits der notwendigen Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung – ich weise hier gerne auf mein Gespräch mit Peter Kuhn von fortiss und meiner Kollegin Felizitas Müller aus dem Watson Center in München hin -, zukunftsgerichtet und datenbasiert. Es reicht von der Verkehrssteuerung mit Hilfe eines IoT-Netzwerkes mit Sensoren und Kameras und unterstützenden Apps für die Verkehrsteilnehmer über Optimierung der Abfallentsorgung bis zur Auswertung der Umweltdaten. Daten sollen intelligent verknüpft und genutzt werden, um intelligente Lösungen zu schaffen. Und die Ideen der Bürger:innen sind gefragt. Fast bei jedem Projekt ist eine Onlinebeteiligung möglich, etwas was David auch sehr am Herzen liegt. Auch für die Datenplattform wurde Input gesammelt und man denkt darüber nach, einen allzeit offenen Briefkasten für Verbesserungsvorschläge oder neue Ideen einzurichten.

Das öffentlich zugängliche Datencockpit. Da geht sicher noch deutlich mehr, aber es ist ein Anfang.

In unserem Gespräch wurde schnell deutlich, wie wichtig lokalen Datenräume und deren Nutzung und Auswertung gerade auch bei den genannten Themen sind und warum man auf eine Open-Data-Plattform setzt, dabei aber die Sicherheit und Verschlüsselung der Daten wie auch deren Nutzung genau im Blick behält, auch mit Unterstützung eines Ethik- und Technologiebeirats (in dem mir persönlich etwas die Digitalexperten von der Basis fehlen, aber so ist das wohl in der lokalen Politik und Verwaltung). Auf jeden Fall ist dieser Darmstädter Datenraum ein interessantes Projekt, erscheint oft greifbarer und näher an der Praxis wie manche derzeit noch abstrakten Datenräume wie sie beispielsweise derzeit rund um Gaia-X diskutiert werden.

Natürlich wurde auch die Digitalstadt Darmstadt von der Pandemie eingeholt und hat eine auf Open Source basierende Web-Videokonferenzlösung mit BigBlueButton aufgebaut, auf der unterdessen – so die Webseite – bis zu 5000 Schüler:innen zeitgleich online arbeiten. Technische Infrastruktur und Services für den Schul-Fernunterricht wurden seit Frühjahr 2020 sukzessive auf- und ausgebaut. Die Lösung ist wohl einer der derzeit am meisten nachgefragten Services der Digitalstadt und richtet sich an die lokalen Schulen, Vereine und gemeinnützigen Organisationen, die BBB umsonst nutzen können. Ermutigend, dass so etwas auf lokaler Ebene funktioniert und es nicht immer die kommerziellen Lösungen der großen Player sein müssen, trotz mancher Unkenrufe der Monopolistengläubigen

Was ist nun an dem Projekt Digitalstadt Darmstadt aus meiner Sicht faszinierend? Sicherlich einerseits der zukunftsgerichtete Ansatz, der Anspruch, Daten sicher und geschützt zu verwenden, um wichtige Themen wie Klima, Umwelt und Verkehrsplanung lokal voran zu bringen. Dabei auf ein lokales Ökosystem von Partnern zu setzen, scheint mir ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Digitalstadt Darmstadt und ihre Mitarbeiter:innen als Organisation, entsprechend gefördert und promotet durch den Bitkom und andere, ist dabei sicherlich ein „Enabler“ oder (hoffentlich) Katalysator, mit deren Hilfe, Projekte schneller voran gebracht werden.

Könnte manches noch praxisnaher sein? Ja, Digitalisierung muss für die Bürger noch viel positiver und näher erlebbar sein. Auch würde ich mir sicher noch viel mehr digitale Dienste in der Stadt Darmstadt wünschen, aber das ist eine Baustelle, die von Anderen in der Stadtverwaltung beackert wird – und wo noch extrem viel Verbesserungsbedarf besteht. Doch können andere Kommunen das Konzept der Digitalstadt Darmstadt als Anregung nehmen oder Blaupause nutzen, auch wenn dort das Ökosystem vielleicht nicht ganz so ausgeprägt sein sollte. Ich glaube, dass es solche lokalen oder regionalen Initiativen jenseits der hypergalaktischen, oft sehr weit entfernt scheinenden Pläne auf Bundes- oder Landeseben unbedingt braucht, um gerade auch in den Regionen schneller voran zu kommen. Zeit ist auf keiner Ebene zu verlieren, um Digitalisierung in Deutschland voran zu bringen.

Nochmals herzlichen Dank, lieber David, für das Gespräch.

(Stefan Pfeiffer)


#9vor9 – Digitalthemen der Woche erscheinen auch immer als Podcast unter https://9vor9.podigee.io/ und sind natürlich über die gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Digitalthemen bei #9vor9: Urheberrecht down under und Digitalisierung fängt im Amt bei jeder:m Beamten:in an

23. Februar 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

In #9vor9 sind wir heute down under gereist, leider ohne, dass Lars den Klassiker von Men at Work gesungen hat. Sein Digitalthema der Woche war die Auseinandersetzung zwischen Facebook und Google versus der australischen Regierung. Es geht darum, dass Facebook (und Google) Lizenzgebühren zahlen soll, wenn Inhalte von Verlagen und Medien dort publiziert werden. Das wollte (will?) Facebook nicht tun und sperrte eine Zeit lang diese Inhalte. Randbemerkung: Uploadfilter scheinen zu funktionieren. Nun scheint man einen Kompromiss gefunden zu haben, über den Lars dann in einer der kommenden Sendungen berichten wird.

Warten wir ab, inwiefern eine potentielle, dortige Einigung auch Einfluss auf die Regulierungen und das Vorgehen in Deutschland und er EU haben könnte. Das Thema, darf man journalistische Inhalte verwenden, und zitieren und nach welchen Regeln, bleibt. Muss man dafür zahlen oder ist das im Rahmen der Meinungsfreiheit eh abgedeckt? Macht man einen Unterschied zwischen kommerziellen Vermarktern wie Facebook und Google und dem:der gemeinen Blogger:in? Tragen Facebook oder Google gar dazu bei, dass die Klickzahlen der Verlage nach oben schnellen und genau deshalb sollten sie nicht zahlen müssen?

Wir bei #9vor9 sind uns sicher, dass wir bei entsprechenden Zitaten zu einem enormen Zuwachs der Leser:innen oder Zuhörer:innen auf den journalistischen Plattformen führen [Achtung: Das soll eine spaßige Bemerkung gewesen sein.] Ich persönlich bin kein Freund einer angedachten Lösung, dass man nur 140 Zeichen „ungestraft“ zitieren oder nur 15 Sekunden von Video senden darf, wie in der Gesetzesvorlage wohl vorgesehen. Da haben sich, so meine persönliche Meinung, Herr Döpfner und Co mal wieder mit ihrer Lobbyarbeit durchgesetzt und „die Politik“ ist eingeknickt.

Schon mal darüber nachgedacht, dass es von ‚uninformiert‘ kein langer Weg zu ‚uniformiert‘ ist?

Zitate und Sprüche aus Die Känguru-Chroniken | myZitate

Unser zweites Thema ist dann einmal wieder die Digitalisierung in Deutschland und ich habe es bewusst, auf zwei lokale Beispiele aus Darmstadt herunter gebrochen, die ich in diesem Blogbeitrag behandelt habe. Bei Digitalisierung geht es nicht immer um die ganz großem Themen wie Gesundheits- oder Schulwesen – die bleiben wichtig. Es geht auch um die Praxis vor Ort und ist oft ernüchternd praktisch. Warum sind Ämter der Stadt Darmstadt nicht in der Lage, eine Serviceanfrage schnell einmal per E-Mail zu beantworten? Warum müssen sie einen Brief per Post schicken? Sind es Vorschriften, die das vorgeben, oder ist es die persönliche Schere im Kopf? Das sind auch echte Fragen, die sich Lars und ich im Pod-/Videocast gestellt haben und wir sind für entsprechende Aufklärung sehr dankbar.

Digitalisierung fängt ganz unten an, so der Punkt den ich machen will. Im Kopf jedes:r Beamten:in, jedes:r Amtsleiters/in und jedes:r Bürgermeisters:in. Genau dort muss es anfangen im persönlichen, praktischen, bürgernahen Handeln. Große Digitalisierungsvorhaben – wie die Digitalstadt Darmstadt – auf kommunaler Ebene sind auch wichtig, aber es geht nicht ohne Änderungen vor Ort in den Ämtern.

Mit diesem Plädoyer wünschen Lars und ich eine frohe, gesunde Woche und ich hoffe inständig, dass die Schulöffnungen nicht zu einem Bumerang werden.

Und natürlich gibt es #9vor9 auch wieder als Podcast auf den bekannten Plattformen und hier im Netz.

(Stefan Pfeiffer)

P.S. Wir konnten es uns nicht verkneifen, diesmal beim Thema Down Under einige Zitate aus den Känguru-Chroniken von Marc-Uwe Kling zu verbraten. Immer wieder ein Gedicht. Oder mit Heinz Erhardt: Noch ein Gedicht.

Das Tolle am Internet ist, dass endlich jeder der ganzen Welt seine Meinung mitteilen kann. Das Furchtbare ist, dass es auch jeder tut. Internet

Marc-Uwe Kling in Die Känguru-Chroniken – Ansichten eines vorlauten Beuteltiers

Zitate und Sprüche aus Die Känguru-Chroniken | myZitate

Deutsche Verwaltung und Digitalisierung: Zwei Welten prallen aufeinander, jetzt in der Pandemie, schon seit Jahren und auch ganz banal vor Ort in Darmstadt

21. Februar 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Deutschland und die Digitalisierung. Zwei Welten prallen aufeinander? Ganz korrekt sind diese Sätze nicht, denn natürlich kann man nicht alles über ein Kamm scheren und zudem geht es mir in diesem Blog um die öffentliche Verwaltung, um Gesundheits- und Schul- bzw. Bildungswesen. Und dort treten nicht erst, aber gerade in Zeiten der Pandemie erhebliche Missstände an den Tag. Einige Beispiele:

Christian Reinitz kommentiert anlässlich eines Jahres Pandemie in der FAZ vom 20. Februar 2021* und prangert die Schwachstellen im medizinischen System an: den Föderalismus und die Digitalisierung. An zu vielen Stellen halt es, ob es um die Meldung der Inzidenzzahlen oder der Impfquoten an das RKI über E-Mail und Fax, über eine teilweise mittelalterliche Vergabe von Impfterminen, um digitale Gesundheits- und Patientenakte, digitale Test- oder Impfpässe oder sichere Vernetzung zwischen Kliniken und Ärzten und datenschutzkonforme Übermittlung, Speicherung und Austausch von Patientendaten geht. Natürlich, es gibt hier und da Ausnahmen und Leuchtturmprojekte, aber in der Regel knirscht es im System, um es noch vorsichtig auszudrücken. Und mir scheint, Föderalismus, zu verteilte Kompetenzen und natürlich auch bürokratische Prozesse, Schwerfälligkeit und wohl auch Verteidigung der eigenen Besitzstände sind verantwortlich für das Trauerbild.

Ähnlich sieht es in Bildung und an Schulen aus. Ich habe ja die Tage mit Lars Basche in #9vor9 darüber berichtet und hier entsprechende Artikel gesammelt. Auch dort wieder vereinzelte Leuchtturmprojekte, aber generell scheint auch dort der Föderalismus, die Bürokratie und besagtes Verharrungsvermögen die Ursache dafür zu sein, dass wir nicht in der Geschwindigkeit digitalisieren, wie es gerade in Zeiten der Pandemie notwendig wäre. Erschwerend kommen natürlich in Zeiten, in denen es auf Geschwindigkeit ankommt, das öffentliche Vergaberecht mit seinem oft Ausschreibungsprozess und seinen Fristen hinzu. Man kann doch eigentlich nur wütend werden, wenn man dann liest, dass aus dem Digitalpunkt Schule vom Frühjahr 2019 von zur Verfügung gestellten 5 Milliarden Euro erst 112 Millionen abgeflossen und 743 Millionen Euro bewilligt wurden. Das kann es doch einfach nicht sein, sagt sich der gesunde Menschenverstand.

Oben drauf kommt dann noch, dass Deutschland beziehungsweise die Länder nicht in der Lage scheinen, eine vernünftige deutsche oder europäische Schul-Cloud aufzubauen und stattdessen einmal mehr die Angebote amerikanischer Monopolisten nutzen und diese noch stärker machen. Auch hier scheint mir der Föderalismus, besser die Kleinstaaterei und das Machtgehabe der Länder einer der entscheidenden Hemmnisse zu sein. Auch in diesem Thema scheint klarer zentraler Kompetenz und Steuerung notwendig – mit scharfem Auge auf Projektfortschritte und Finanzierung.

Digitalprojekte scheitern schon seit Jahren

Dies sind zwei angesichts der Pandemie hervorstechende Bereiche, die nach Digitalisierung und weniger Föderalismus schreien. Die Liste lässt sich problemlos verlängern, z.B. in Richtung Vergabe der Hilfsmittel, was – so scheint es – auch durch Digitalisierung und weniger Bürokratie, Formular- und Vorschriftswesen deutlich beschleunigt werden könnte. Jenseits der Pandemie gibt es noch viele weitere Beispiele dafür, wie wenig effektiv Digitalisierung in der deutschen öffentlichen Verwaltung vorangetrieben wird.

Entgegen aller vollmundigen Verlautbarungen über digitale Souveränität scheint parallel dazu die Abhängigkeit besonders vom Giganten Microsoft zu steigen. Weil man es selbst nicht gebacken bekommt oder nicht gebacken bekommen will gab die Bundesregierung 2020 178,5 Millionen Euro für Software-, Cloud- und Serverdienste aus Redmond aus. 2015 waren es noch 43,5 Millionen. Auch Beratungsunternehmen, die der deutschen öffentlichen Verwaltung aufs Pferd heben sollen, freuen sich über entsprechende Honorare – und das schon zu Uschis Zeiten auf der Hardthöhe.

Und schauen wir zurück: 2015 gab es einen Beschluss des Bundeskabinett 2015, Bundesministerien und -behörden bis 2025 mit moderner IT auszustatten. Der Wildwuchs an Rechenzentren sollte beseitigt und die unterschiedlichen IT-Arbeitsplätze vereinheitlicht werden. Welche eine Chance auch, eine deutsche Bundesverwaltungs-Cloud aufzubauen und die eigene deutsche Softwareindustrie zu stärken. Es hätte ein Marshall-Plan für die digitale Souveränität werden können. Hätte, hätte, Fahrradkette. Zielvorgaben und Kosten wurden verfehlt, der Bundesrechnungshof mahnte an, das Projekt wurde neu organisiert – und jetzt schauen wir mal. Unterdessen kassiert vor allem Microsoft weiter, und wahrscheinlich weiter und weiter und weiter …

Muss IT in und für die öffentliche Verwaltung ganz anders aufgesetzt werden? Von Softwarentwicklung bis Implementierung

Kann deutsche öffentliche Verwaltung einfach keine Digitalisierung und IT? Müssen hier andere Prozesse und Institutionen vom Digitalministerium bis hin zu unabhängigen, von deutschen Firmen betriebenen und durch öffentlich Aufträge finanzierte Software-Konsortien implementiert werden? Muss es eine deutsche oder europäische Mozilla-Foundation geben, mit dem Ziel Lösungen für die öffentlicher Verwaltung und darüber hinaus nach dem Open Source-Konzept zu bauen? Die traditonelle Verwaltung, die Ministerien scheinen das Thema jedenfalls bisher nicht in den Griff bekommen zu haben. Ja, es gibt einige mehr als zarte Pflänzchen und wir werden uns bald mit Peter Ganten, dem Vorsitzenden der Open Source, darüber unterhalten. aber generell scheint es sehr düster auszusehen.

Die Liste gescheiterter oder schwächelnder Projekte könnte sicher fortgesetzt werden, doch ich möchte einen anderen Aspekt der Digitalisierung und der öffentlichen Verwaltung beleuchten. Und vorab möchte ich es mit Herta aus den Känguru-Chroniken sagen: „Es jibt sone und solche, und dann jibt es noch janz andre, aba dit sind die Schlimmstn. Nochmals klar und deutlich: Viele Mitarbeiter:innen der öffentlichen Verwaltung sind bürgerfreundlich und bemühen sich, aber …

Digitalisierung banal: Anfrage einfach mal per E-Mail beantworten

Vor geraumer Zeit habe ich Unterlagen per E-Mail an das Gesundheitsamt Darmstadt, die diese angefordert hatten. Die E-Mail war auf dem Schreiben, das ich vom Amt bekommen hatte, angegeben und als halbwegs digitaler Mensch habe ich die Unterlagen gescannt und geschickt. Danach kamen per Briefpost Mahnungen. Also habe ich den Hörer in die Hand genommen und dort angerufen. Eine nette Frau am Telefon, ich frage nach der Kollegin. Ja, die ist nicht da. E-Mail? Wie lange her? Kann sein, dass wir die schon gelöscht haben. Das tun wir in regelmäßigen Abständen. Ich schlucke, bleibe aber freundlich und schicke die Unterlagen nochmals per Fax (!!) und E-Mail an die Stadt. Am kommenden Tag rufe ich an. Ja, die Unterlagen seien angekommen. Wochen später bekomme ich dann die Unterlagen vom Amt natürlich per Post.

Ein anderer Fall: Wir mussten eine Beglaubigung wegen Änderungen im Grundbuch machen. Termin auf dem Ortsgericht ausgemacht, mit meiner Frau hin und die Dokumente beglaubigen lassen. Es war ein Schauspiel: Der nette Beamte beglaubigte die zwei Dokumente in einer Stempelorgie und nahm handschriftlich entsprechende Eintragungen in einem Buch vor. Hier alles ok. War eine Reminiszenz an Verwaltung, wie ich sie seit Jahrzehnten kenne.

So weit, so gut. Und dann schrieb ich in meiner Naivität per E-Mail – die Adresse steht auf der Homepage der Digitalstadt Darmstadt – an das Grundbuchamt, ob ich die beglaubigten Dokumente elektronisch zuschicken könne. Ok, war dumm und naiv. Hätte ich mir als logisch denkender verwalteter Bürger denken können. Nach einigen Tagen kam dann per Briefpost die Antwort, nein, das ginge nicht. Per Briefpost! Die Mitarbeiter:innen waren es nicht gewohnt, einfach die E-Mail zu beantworten.

Und noch eine Erfahrung meiner Mutter, diesmal nicht in Darmstadt. Meine Eltern müssen die Tage neue Ausweise von der Stadt (Leun) abholen. Also rief meine Mutter dort an, ob sie nicht einfach die Briefwahlunterlagen für die Kommunalwahl mitnehmen könnten. Nein das ginge nicht. Das müsse den vorgeschriebenen Weg gehen, per E-Mail – immerhin – oder per Post**. Trotzdem …

Es braucht auch Veränderung in den Köpfen der Beamten:innen

Nun bin ich von den großen Themen der Digitalisierung hinunter gestiegen in den täglichen menschlichen Bürger- und Verwaltungsalltag. Warum habe ich diesen „Abstieg“ vorgenommen? Jenseits der notwendigen IT-Ausstattung und besseren Projektmanagements brauchen wir auch eine Änderung des Verhaltens vor Ort bei den einzelnen Beamten:innen, den Mitarbeiter:innen der öffentlichen Verwaltung und ihren Führungskräften. Wie kann es sein, dass man den Posteingang einfach löscht? Warum wird nicht unbürokratisch und schnell per E-Mail auf eine Frage geantwortet? Warum ist der Servicegedanke, Ich, Mitarbeiter:in der öffentlichen Verwaltung bin für meine Bürger:innen da und versuche ihn so gut es geht schnell und unbürokratisch zu helfen so selten ausgeprägt?

Ich denke, auch hier muss angesetzt werden. Es braucht ein anderes Bewusstsein, den Servicebeauftragten in der Verwaltung, der diese Missstände abstellt, die Beamten:innen schult und coacht, anders, moderner, digitaler, bürgerfreundlicher zu arbeiten. Es tut auch gar nicht weh – und kostet auch nicht den eigenen Job. Und an diesen Servicebeauftragten können auch Bürger:innen ihre Ideen, Verbesserungsvorschläge und Beschwerden richten.

Ich lebe in der Digitalstadt Darmstadt und die Verantwortlichen scheinen darauf sehr stolz zu sein. Hier wurden und werden auch einige interessante Projekte durchgeführt. Gerade werden Ideen für eine urbane Datenplattform gesammelt, um städtische Entscheidungs- und Planungsprozesse zu unterstützen und zu beschleunigen. Wir laden nochmals Verantwortliche der Digitalstadt Darmstadt GmbH herzlich in #9vor9 ein, um die Initiative vorzustellen.

Jedoch sollte ein Stadt, die diesen Anspruch hat, gerade am persönlichen Bürgererlebnis ansetzen und genau wie oben vorgeschlagen mit diesen oder anderen Angebot die öffentliche Verwaltung einfach bürgernäher gestalten – und das nicht nur in Corona-Zeiten. Falls ich hier bestehende Angebote übersehen habe, bin ich für Aufklärung natürlich sehr dankbar und entschuldige mich natürlich auch, wenn ich wo falsch gelegen habe. Ach ja, es ist ja auch bald Kommunalwahl und ich sehe auf manchem Plakat durchaus das Stichwort Digitalisierung …

Kann die deutsche Politik (und Verwaltung) nur Schönwetterreden, aber keine Digitalisierung

Wenn man sich all das anschaut und selbst als Bürger:in „erleidet“ – und die Liste kann leicht verlängert werden – und auf der anderen Seite ach so viele Schönwetterreden vieler Politiker hört, kommen immer größere Zweifel auf, ob wir es in Deutschland „noch können“. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass viel geredet und wenig gehandelt wird. Ist ja auch bequemer über Visionen schön zu fabulieren, als Projekte schnell, konsequent und zielorientiert durchzuziehen, einfach anzupacken.

(Stefan Pfeiffer)

* Nur eine Randbemerkung, nichts zur Sache Digitalisierung und öffentliche Verwaltung: Ich finde es immer sehr schade, wenn Artikel in der gedruckten Ausgabe der FAZ erschienen sind und erst später digital veröffentlicht werden.

** Sicher ist das keine Digitalisierungsfrage, aber es zeigt einmal mehr die Servicehaltung, die manchmal in der öffentlichen Verwaltung zu herrschen scheint.

Ergebnisse der Darmstädter Bürgerumfrage 2018: Verkehrsthemen domininieren – Bewusstsein für Digitale Patientenakte nur gering

9. Dezember 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

In Darmstadt wurde auch 2018 wieder eine repräsentative Bürgerumfrage zur Lebensqualität in Darmstadt durchgeführt, deren Ergebnisse jetzt vorliegen. 32,8 Prozent der 9.645 angeschriebenen Bürger haben geantwortet. Digitalisierung ist ja eines meiner Steckenpferde und Hauptinteressen. Deshalb habe ich mir die entsprechenden Ergebnisse zuerst angeschaut. Immerhin 63,4 Prozent wussten von der „Digitalstadt“ Darmstadt. Mit Frage #16 geht man anscheinend etwas tiefer:

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Auszug/Screenshot aus dem PDF Bürgerumfrage 2018

Und die Priorität der Darmstädter liegen zuerst auf der IT-Infrastruktur mit einem schnellen Internet. Das sollten sich mal die Vertreter anschauen, die kein 5G und kein Breitband an jeder Milchkanne wollen. Einfach ein schnelles Netz zu haben, ist unterdessen ein Grundbedürfnis nicht nur in Darmstadt, sondern sicher auch gerade in ländlichen Regionen.

Dahinter bewerten die Darmstädter fast gleichauf die Digitalisierung in Bildung sowie Schulen und einer flüssigen Verkehrsführung als sehr wichtig gefolgt von der Digitalisierung in der öffentlichen Verwaltung.

Vermeintlich abgeschlagen ist das Thema Digitale Patientenakte, worauf die Frankfurter Rundschau, das Echo und auch andere Medien gleich hinein interpretieren. dass die Antwortenden der Einführung der digitalen Patientenkarte gegenüber offensichtlich skeptisch gegenüber stehen. Hier wird meiner Ansicht nach einfach blind zitiert und spekuliert. Meine Interpretation zur Digitalisierung des Gesundheitswesens als jemand, der im vergangenen Jahr sehr oft bei Ärzten und in Krankenhäusern weilen musste, ist eine andere: Die Bürger/innen müssen deutlich besser über die Notwendigkeit einer solchen Akte, die natürlich entsprechend sicher sein muss, aufgeklärt werden.

Wer einmal erlebt hat, dass die Ärzte nicht den notwendigen Zugriff auf wichtige Untersuchungsergebnisse haben, dass Befunde per Fax und Röntgenbilder oder CT-Bilder per CD verschickt werden, kann eigentlich nur für eine solche Patientenakte sein. Nochmals: Natürlich muss die Datensicherheit und die Datenhoheit – ich als Patient gebe die Daten bewusst für „meine“ Ärzte oder einen Arzt frei – gewährleistet sein. Also erhöhte Vorsicht bei einer vorschnellen Interpretation speziell dieses Umfrageergebnisses.

Und hier noch eine generelle Übersicht, wie die Darmstädter/innen Themen priorisieren. Verkehrsthemen dominieren deutlich mit Fahrradwegen an Position 1. Nur der Wohnungsmarkt schiebt sich dazwischen. Erst weiter hinten kommen andere Aspekte wie weniger Kriminalität, Kindergartenplätze oder Schulbausanierung.

Buergerumfrage_2018_pdf__Seite_18_von_20_.png

Ach ja, insgesamt sind die Darmstädter/innen zufrieden mit dem Wohnort Darmstadt (36,1 Prozent sehr zufrieden, 58,5 Prozent zufrieden) und stimmen in der deutlichen Mehrzahl einer hohen Lebensqualität in Darmstadt zu (23,8 Prozent stimmen zu, 56,6 Prozent eher zu).

Wer sich für die durchaus interessanten einzelnen Aspekte der Befragung von Einkaufsverhalten, Einzelhandel zu Ärzteversorgung über das beliebteste Kulturangebot bis zum „besten“ Schwimmbad interessiert, der kann das PDF hier downloaden:

  • PDF-Download: Grundauswertung – Bürgerumfrage zur Lebensqualität in der Wissenschaftsstadt Darmstadt 2018

(Stefan Pfeiffer)

 

Kurz notiert: Darmstadt macht mit – Ruf Servicenummer 115 an und „da werden Sie geholfen“

26. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Stell Dir vor, es gibt eine Telefonnummer, die man anrufen kann, wenn man Fragen an die städtische Verwaltung hat, egal ob es um den Reisepass oder um Wohngeld geht? Oder um mit Verona zu sprechen: Ruf 115 an, da werden Sie geholfen

Mindestens 75 Prozent aller künftigen Anrufe sollen innerhalb von 30 Sekunden angenommen, 65 Prozent ohne eine Weitervermittlung sofort beantwortet werden. Sollte dies nicht möglich sein, wird der Anrufer innerhalb von 24 Stunden innerhalb der Servicezeiten eine Rückmeldung – auf Wunsch auch per Fax oder E-Mail – erhalten.

über Wissenschaftsstadt Darmstadt tritt 115-Verbund bei und startet eigenes Servicecenter – Digitalstadt Darmstadt

Ab 26. November soll das auch in Darmstadt im neuen Service Center  zwischen 8 und 18 Uhr klappen. Über 550 Kommunen, zwölf Bundesländer und die gesamte Bundesverwaltung haben sich dem föderalen Vorhaben bereits angeschlossen, so der Bericht auf Digitalstadt Darmstadt. Klingt gut, ist notwendig und ich bin gespannt, wie es funktioniert.

(Stefan Pfeiffer)

ZDF Mediathek über #SmartCity und #Digitalstadt #Darmstadt: Bürger sollen Nutzen der Digitalisierung merken

24. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Wer sich anschauen will, was im Bereich #SmartCity, intelligente Stadt im Rahmen von #Digitalstadt Darmstadt gerade realisiert wird – ich habe hier mehrfach drüber geschrieben -, kann das über die ZDF Mediathek tun. Palle hat mich nochmals durch seinen Tweet darauf aufmerksam gemacht:

Ich zitiere die Webseite der ZDF Mediathek, wo das Video bis 17. November 2019 verfügbar sein soll, so de Hinweis.

José David da Torre Suárez will Darmstadt eine digitale Infrastruktur verschaffen. Dafür verbaut er in der ganzen Stadt Sensoren. Die messen den Verkehr, schalten Straßenlaternen nur nach Bedarf und lassen öffentliche Müllcontainer mit der Müllabfuhr kommunizieren. Doch so viel Datensammeln verunsichert den Bürger. Da Torre Suarez muss und will die Bewohner Darmstadts von seinem Vorhaben überzeugen. Er möchte sicherstellen, dass Menschen nicht den Anschluss verlieren. „Ich möchte schaffen, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern den Nutzen bringen, dass die merken, Digitalisierung bringt ihnen Vorteile im Alltag, dass sie einfach merken durch die Möglichkeiten, die wir bieten, Sensoren, die Technik, das ist eine Erleichterung, das ist komfortabler, ich komm‘ herum, ich krieg einfach Informationen, das ist lebenswert.“ Deshalb hat die Stadt eine Veranstaltung organisiert. Auch das ist Teil der Smart City – Bürgerbeteiligung.

über Smart Cities – ZDFmediathek

(Stefan Pfeiffer)

 

Kurz notiert: Darmstadt auch beim Ranking der besten Tech-Standorte von Deloitte vorne dabei

23. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Darmstadt ist IN! Auch beim Städte-Ranking von Deloitte Deutschland liegen die Heiner in der Spitzengruppe hinter München und Berlin, aber vor Hamburg und Stuttgart. Für eine mittelgroße Stadt sicher erneut bemerkenswert.

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©Deloitte Deutschland – Screenshot aus der Studie von 2018

Insgesamt ist München der bedeutendste Tech-Standort in Deutschland und liegt sowohl beim Status-Index als auch beim Potenzial-Index ganz vorne. Die Stadt weist die stärkste Spezialisierung auf die IKT-Industrie auf, hat die höchste Anzahl an technologisch orientierten (MINT)-Berufen und zeigt zudem eine ungebrochene Dynamik in diesen Bereichen. Danach folgt im Gesamtranking Berlin mit teils merklichem Abstand in einzelnen Wertungskategorien.Doch neben den Big-2-Metropolen haben sich eine ganze Reihe kleinerer Städte als Tech-Hubs etabliert. Angeführt werden diese Hidden Champions von Darmstadt auf dem dritten Platz in der Gesamtwertung. Darmstadt ist führend bei Forschung- und Ausbildung sowie bei den Technologie-Berufen.

über Beste Tech-Standorte in Deutschland: 50 Städte im Ranking | Deloitte Deutschland

Hier kann die komplette Studie heruntergeladen werden.

(Stefan Pfeiffer)

Eine Digitalstadt ist nur dann eine erfolgreich, wenn es Bürgerinnen und Bürgern etwas bringt – Darmstädter sollen bis 11.12.2018 Input geben

16. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Vor einigen Wochen habe ich hier ja schon über das Projekt Digitalstadt Darmstadt berichtet, das mir bis dahin komplett entgangen war. Auch entgangen ist mir eine Veranstaltung am 13. November, wo die Strategie der Digitalstadt Darmstadt vorgestellt wurde. Losgelöst davon, dass ich im Ausland war, finde ich es schon bemerkenswert und schade, dass ich anscheinend keine (Push)-Information zu der Veranstaltung bekommen habe, obwohl ich auf dem Portal https://dabei.digitalstadt-darmstadt.de registriert bin.

Aktive Kommunikation und Dialog, ja auch Werbung für das Projekt erscheinen mir noch deutlich ausbaufähig. Und Kommunikation hisst sicher nicht, auf der eigenen Webseite einen Beitrag zu veröffentlichen oder im Echo einen Bericht zu platzieren. Es soll Leute geben, die das Echo nicht lesen.

Nicht falsch verstehen: Ich finde dieses Projekt toll und bemerkenswert. Nur sollte man – so meine Wahrnehmung – näher an den Bürgerinnen und Bürgern sein, auch wenn das durchaus mal anstrengend sein kann. Nun wurde auf besagter Veranstaltung genau zur Beteiligung aufgerufen. Man solle zwischen dem 13. November und 11. Dezember 2018 die Strategie der Digitalstadt Darmstadt diskutieren. Den Entwurf des entsprechenden Strategiepapiers konnte ich hier herunterladen.

Strategiekonsultation_-_dabei_digitalstadt-darmstadt_de.png

Die im Strategiepapier aufgeführten Projekte sind ambitioniert, gerade auch wenn man die Projektlaufzeit im Auge hat. Man hat einiges vor: Vom GovBot, einem Chatbot, der Fragen beantwortet, über ein Open Datas Portal bis zum Smart Parking. Das Papier ist aber auch genau das, was drauf steht, ein eben hypergalaktisches Strategiepapier. Um Bürgerinnen und Bürger „abzuholen“, muss man meiner Ansicht nach viel konkreter werden.

Nicht jeder Darmstädter hat die entsprechende Phantasie oder die entsprechenden Kenntnisse, was beispielsweise als Online Service angeboten werden könnte. Auch mir, der zwar in der IT-Branche tätig ist, würden entsprechende konkrete Anwendungsfälle und Beispiele enorm helfen. Leuchtturmprojekte, wie in den baltischen Staaten, gibt es ja durchaus, die man heranziehen und deren Services und Projekte vorstellen könnte. Ein Voting über mögliche Services wäre dann ergänzend sinnvoll, um nicht am Bürger vorbei zu entwickeln.

Strategie_der_Digitalstadt_Darmstadt.png

Jenseits großer Strategie, der definierten Vision und entsprechender Papiere, sollten einzelnen Dienstleistungen und Services schnellst möglich greifbar, erlebbar, nutzbar gemacht werden, um die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen, Sinn und persönlichen Nutzen zu vermitteln. Eine Digitalstadt ist nur dann eine erfolgreiche Digitalstadt, wenn es genau jenen Bürgerinnen und Bürgern etwas bringt. Die Aussichten sind ja generell für Darmstadt nicht schlecht, wie das aktuelle Städte-Ranking der WirtschaftsWoche und dem Portal Immobilienscout24 gezeigt hat: Nummer 1 im Zukunftsindex.

Und nicht vergessen: Nicht jeder verbindet mit dem Begriff „Digital“ etwas Positives. Dass es aber positiv sein kann, könnte durch entsprechende Services „bewiesen“ werden. Also runter vom Ross, raus aus den Büros und hautnah ran an Bürgerinnen und Bürger. Und kommunizieren, reden, offline und online, laut und vernehmlich. Dass so was in Darmstadt geht, hat schon der Datterich bewiesen.

Der „Datterich“ ist charakterisiert als der „typische“ Darmstädter: Vorlaut, schlitzohrig, immer auf seinen Vorteil bedacht.

über Datterich – Wikipedia

(Stefan Pfeiffer)

Ich lebe in der Digitalstadt Darmstadt …

1. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Würde ich nicht Thomas auch per Twitter folgen, ich hätte es verpasst. Ich lebe in der Digitalstadt Darmstadt. Was auch daran liegen mag, dass ich den lokalen Medien weder online noch auf Papier folge. Als jemand, der einmal sein Handwerk im Lokaljournalismus gelernt hat, sind lokale Meldungen oft nur schwer zu ertragen … Trotzdem erstaunlich, dass es so komplett an mir vorbeigegangen ist. Mein Versäumnis. Ich werde ein stärkeres Auge auf den Hashtag #Darmstadt, dem Twitter-Account der Digitalstadt folgen und auch entsprechende Gruppen online mehr verfolgen.

Den Titel und die Mittel – laut Bericht auf NGIN Mobility und Gruenderszene.de bis zu 20 Millionen € plus weitere 5 Millionen € vom Land – holte sich die Stadt wohl 2017, als sie einen vom Digitalverband Bitkom und dem Deutschen Städte und Gemeindebund ausgelobten Wettbewerb gewann. Auf der Webseite werden die Ziele definiert:

Die Wissenschaftsstadt Darmstadt wird ein nachhaltiges Programm für den Aufbau der Digitalen Stadt aufsetzen und dabei eine nutzerorientierte Vorgehensweise verfolgen – im Sinne von, was wünschen sich die Bürgerinnen und Bürger.

über Bitkom-Wettbewerb – Digitalstadt Darmstadt

Darmstadt soll zu einer „digitalen Modellstadt“ machen. Nun kann man sicher fragen, warum denn gerade Darmstadt? Die Stadt ist – auch wenn es viel zu wenig bekannt ist – ein Technologiezentrum mit vielen auch namhaften Firmen von der Software AG, Eumetsat, ESOC bis zur Telekom. Auch ich bin damals vor mehr als 20 Jahren hier wegen eines Jobs in der IT-Branche gelandet. Die TU Darmstadt ist rege und aktiv und hat ja auch mit meinem Arbeitgeber IBM eine Kooperation im Bereich Cyber Security geschlossen.

Der von Thomas gezwitscherte Beitrag stellt im Schwerpunkt die Bemühungen in der Digitalisierung und Optimierung des Strassenverkehrs dar, ein Problem auch in Darmstadt, das allen 95.000 Pendlern, den 30.000 „Durchpendlern“ und rund 160.000 Einwohnern nur zu bekannt ist. Eine verkehrsabhängige Steuerung soll die 165 Ampeln der Stadt (kommen mir deutlich mehr vor) mit Hilfe von 350 Kameras (nach denen werde ich jetzt mal aktiv schauen) so schalten, dass der Verkehr fliesst. [Zum Thema Verkehrsfluss: Sorry, aber muss sein: Gemerkt habe ich davon noch nichts, aber jetzt gilt erhöhte Aufmerksamkeit.]

Überlagert wird das Thema Verkehrssteuerung sicherlich derzeit durch Diesel-Fahrverbot und Emissionsschutz, obwohl hier natürlich ein logischer Zusammenhang besteht. Auch Darmstadt ist auf der berühmten Liste … Deshalb denkt man wohl über Umweltsensoren, die besonders belastete Zonen identifiziert und eine App für Pendler nach, die alternative Anfahrtsmöglichkeiten mit Öffentlichen oder auch Leihrad vorschlägt.

Neben der Verkehrssteuerung, die hoffentlich bald auch wahrnehmbar was bringt, sind über 30 weitere Projekte – eine Übersicht gibt es hier – geplant. Wer sich dafür interessiert – und es sind aus meiner Sicht einige sehr interessante Themen –  wie der Sensor in der Mülltonne, der erkennt, ob voll oder nicht voll – darunter – , kann auf der Webseite nachschauen, um dann weiter nachzufragen:

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Man kann sich auf https://dabei.digitalstadt-darmstadt.de registrieren, um online mitzureden. Habe ich getan. Mal schauen, was passiert.

Und natürlich dauert die Realisierung der Projekte länger als man denkt, was auch Simone Schlosser, eine der drei Geschäftsführer der Digitalstadt Darmstadt GmbH, im Bericht auf NGIN Mobility zugestehen muss – und was natürlich die Opposition besonders bemängelt. Der Bericht zitiert die ehemalige Bundeswirtschaftsministerin und Darmstädter SPD-Vorsitzende Brigitte Zypries

„Angedachte Vorhaben nach über einem Jahr noch immer als Erfolg zu verkaufen, so wie es die Digitalstadt tut, ist in meinen Augen definitiv zu wenig.“

über Darmstadt will den Straßenverkehr digitalisieren – doch es gibt Probleme | Gruenderszene

Offiziell hat das Projekt wohl Anfang 2018 begonnen. Die Verträge in der Digitalstadt Darmstadt GmbH laufen, so der Bericht, bis 31. Dezember 2019 aus. Wie es danach weitergeht, sei offen. Die Uhr tickt. Zeit genauer hinzuschauen. Für mich sichtbar sind die digitalen Verbesserungen bisher nicht. Vielleicht für andere „Heiner“? Diese Sichtbarkeit sollte, ja muss aber sein, um das Thema Digitalisierung real vor Ort und in den Köpfen voran zu bringen.

Mir ist auch klar geworden, dass es Zeit ist, selbst intensiver darüber nachzudenken, was man als Bürger gerne als Service hätte und wo man glaubt, dass Digitalisierung Sinn macht. Hier findet man beispielsweise die Dienstleistungen, die die Stadt online anbietet.

Online_Dienste__Darmstadt

Sieht aus meiner Warte noch ein bisschen dünn aus, aber wie gesagt: Oft reden wir „Besserwisser“ am Stammtisch über bessere Verwaltung, bessere Dienstleistungen und Services.  Einiges liegt sicher nicht in der Macht der „digitalen Heiner“ – wie beispielsweise das Thema Gesundheitsakte, das ich hier ja auch behandelt habe -, aber es sollte genug Bereiche gerade beim Thema Gesundheit und der Betreuung von Älteren und Kranken geben, die lokal angegangen und verbessert werden können. Wir müssen sie als Bürger selbst benennen, ja fordern. Themen wie Umwelt, Gesundheit, Betreuung von Alten und Kranken und viele andere Themen bieten sicherlich genug Potential.

Kann man sich für digitale Themen in Darmstadt engagieren und seinen Senf dazu geben? Ich habe mich mal auf der Webseite registriert, um online mitzureden. Mal schauen, welche Möglichkeiten zur Beteiligung dem interessierten „Digitalbürger“ geboten werden.

Noch einige Rand- und Schlussbemerkungen:

  • Ich war positiv erstaunt über das Veranstaltungsangebot der Digitalstadt, von Frau Professor(in) bis IoT. Wer sich für das Themenspektrum interessiert, sollte mal reinschauen.
  • Ich habe über das oben nieder Geschriebene gelernt, dass …
    • es einen lokalen Chaos Computer Club gibt,
    • es ein flächendeckendes Lorawan-Netz gibt über das sich auch Sensordaten unter geringem Energieaufwand senden lassen,
    • eine Grünwellen-Vorhersage getestet wird,
    • Darmstadt über ein eigenes Lichtwellennetz verfügt,
    • Darmstadt neben der TU und zwei weitere Hochschulen, drei Fraunhofer Institute, die Weltraumorganisation ESA und vieles mehr an technologie-affinen Instututionen hat und noch einiges mehr, was mir nicht gegenwärtig war:

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(Stefan Pfeiffer)