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Klima, Umwelt, Verkehr: Lokale Datenräume aufbauen und sicher nutzen – David da Torre von der Digitalstadt Darmstadt bei #9vor9

11. Mai 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Wieder ein besonderes Highlight bei #9vor9, den Digitalthemen der Wocher: Wir hatten José David da Torre Suárez, den Geschäftsführer der Digitalstadt Darmstadt zu Gast, der von den Aktivitäten seiner Institution vor und in Corona-Zeiten berichtet hat. Für mich als Heiner (Einwohner von Darmstadt) natürlich besonders interessant. Die Stadt Darmstadt hatte 2017 hat den Bitkom-Wettbewerb „Digitale Stadt“ gewonnen und implementiert seitdem zusammen mit Partnern aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft ein regionales digitales Ökosystem, das – so der Anspruch – greifbarem Nutzen für die Bürger bringen soll. Und da laufen eine Menge an Aktivitäten, wie in dem sehr offenen Gespräch klar wurde, das wir aus der „Sendeentrale“ in Ewerschtt gestreamt haben:

Wir haben auch über die Hindernisse gesprochen, die jemand empfindet, der wie David aus der Privatwirtschaft oder der von außen auf die Geschwindigkeit schaut, mit der Projekte umgesetzt werden. Doch auch David berichtet wie viele andere über Ausschreibungen und Vergaberecht, in dem Fristen und Regeln strikt eingehalten werden müssen, sicher kein Katalysator für die Digitalisierung einer Stadt oder eines Landes. Rafael Laguna, Chef von SPRIND, hat ja ähnlich auf Twitter geklagt und eine Reform angemahnt.

Aber wer traut sich an dieses bürokratische Monster nun wirklich heran? Ein dickes Brett …

Jenseits solcher Hindernissen wurden in der Digitalstadt Darmstadt eine große Zahl von Projekten auf den Weg gebracht. Die Voraussetzungen, das Ökosystem in Darmstadt ist mit vielen IT- und digital affinen Unternehmen sehr gut, wie man auch an der Liste der Unterstützer sehen kann, die von verschiedenen Fraunhofer-Instituten über Raumfahrtunternehmen über die heimischen Lilien (den SV Darmstadt 98) bis zur Software AG und vielen anderen Institutionen und Unternehmen reicht. Vielen ist nicht bekannt, welche Basis hier am Standort vorhanden ist.

Screenshot von der Webseite der Digitalstadt Darmstadt. Das Copyright liegt bei der Digitalstadt Darmstadt.

Die vielen Projekte, die in Umsetzung sind, kann man auf der Home Page der Digitalstadt finden. Es sind Projekte meist jenseits der notwendigen Digitalisierung und Modernisierung der Verwaltung – ich weise hier gerne auf mein Gespräch mit Peter Kuhn von fortiss und meiner Kollegin Felizitas Müller aus dem Watson Center in München hin -, zukunftsgerichtet und datenbasiert. Es reicht von der Verkehrssteuerung mit Hilfe eines IoT-Netzwerkes mit Sensoren und Kameras und unterstützenden Apps für die Verkehrsteilnehmer über Optimierung der Abfallentsorgung bis zur Auswertung der Umweltdaten. Daten sollen intelligent verknüpft und genutzt werden, um intelligente Lösungen zu schaffen. Und die Ideen der Bürger:innen sind gefragt. Fast bei jedem Projekt ist eine Onlinebeteiligung möglich, etwas was David auch sehr am Herzen liegt. Auch für die Datenplattform wurde Input gesammelt und man denkt darüber nach, einen allzeit offenen Briefkasten für Verbesserungsvorschläge oder neue Ideen einzurichten.

Das öffentlich zugängliche Datencockpit. Da geht sicher noch deutlich mehr, aber es ist ein Anfang.

In unserem Gespräch wurde schnell deutlich, wie wichtig lokalen Datenräume und deren Nutzung und Auswertung gerade auch bei den genannten Themen sind und warum man auf eine Open-Data-Plattform setzt, dabei aber die Sicherheit und Verschlüsselung der Daten wie auch deren Nutzung genau im Blick behält, auch mit Unterstützung eines Ethik- und Technologiebeirats (in dem mir persönlich etwas die Digitalexperten von der Basis fehlen, aber so ist das wohl in der lokalen Politik und Verwaltung). Auf jeden Fall ist dieser Darmstädter Datenraum ein interessantes Projekt, erscheint oft greifbarer und näher an der Praxis wie manche derzeit noch abstrakten Datenräume wie sie beispielsweise derzeit rund um Gaia-X diskutiert werden.

Natürlich wurde auch die Digitalstadt Darmstadt von der Pandemie eingeholt und hat eine auf Open Source basierende Web-Videokonferenzlösung mit BigBlueButton aufgebaut, auf der unterdessen – so die Webseite – bis zu 5000 Schüler:innen zeitgleich online arbeiten. Technische Infrastruktur und Services für den Schul-Fernunterricht wurden seit Frühjahr 2020 sukzessive auf- und ausgebaut. Die Lösung ist wohl einer der derzeit am meisten nachgefragten Services der Digitalstadt und richtet sich an die lokalen Schulen, Vereine und gemeinnützigen Organisationen, die BBB umsonst nutzen können. Ermutigend, dass so etwas auf lokaler Ebene funktioniert und es nicht immer die kommerziellen Lösungen der großen Player sein müssen, trotz mancher Unkenrufe der Monopolistengläubigen

Was ist nun an dem Projekt Digitalstadt Darmstadt aus meiner Sicht faszinierend? Sicherlich einerseits der zukunftsgerichtete Ansatz, der Anspruch, Daten sicher und geschützt zu verwenden, um wichtige Themen wie Klima, Umwelt und Verkehrsplanung lokal voran zu bringen. Dabei auf ein lokales Ökosystem von Partnern zu setzen, scheint mir ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Die Digitalstadt Darmstadt und ihre Mitarbeiter:innen als Organisation, entsprechend gefördert und promotet durch den Bitkom und andere, ist dabei sicherlich ein „Enabler“ oder (hoffentlich) Katalysator, mit deren Hilfe, Projekte schneller voran gebracht werden.

Könnte manches noch praxisnaher sein? Ja, Digitalisierung muss für die Bürger noch viel positiver und näher erlebbar sein. Auch würde ich mir sicher noch viel mehr digitale Dienste in der Stadt Darmstadt wünschen, aber das ist eine Baustelle, die von Anderen in der Stadtverwaltung beackert wird – und wo noch extrem viel Verbesserungsbedarf besteht. Doch können andere Kommunen das Konzept der Digitalstadt Darmstadt als Anregung nehmen oder Blaupause nutzen, auch wenn dort das Ökosystem vielleicht nicht ganz so ausgeprägt sein sollte. Ich glaube, dass es solche lokalen oder regionalen Initiativen jenseits der hypergalaktischen, oft sehr weit entfernt scheinenden Pläne auf Bundes- oder Landeseben unbedingt braucht, um gerade auch in den Regionen schneller voran zu kommen. Zeit ist auf keiner Ebene zu verlieren, um Digitalisierung in Deutschland voran zu bringen.

Nochmals herzlichen Dank, lieber David, für das Gespräch.

(Stefan Pfeiffer)


#9vor9 – Digitalthemen der Woche erscheinen auch immer als Podcast unter https://9vor9.podigee.io/ und sind natürlich über die gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Kurz zitiert: Ein Umzug von einer Cloud in die andere muss möglich sein (Marcus Chromik, Risikovorstand der Commerzbank)

8. Februar 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Die FAZ hat ein interview mit dem Risikovorstand der Commerzbank, Marcus Chromik, zum Thema Cloud veröffentlicht. Risiko bekommt beim folgenden Zitat ganz besonders Geschmäckerl:

Mit der Multi-Cloud-Strategie schaffen wir die Voraussetzung, dass die Commerzbank von einer Cloud in eine andere Cloud ziehen kann, etwa um eine Betriebsstörung zu vermeiden. Daneben nutzen wir zunehmend plattformunabhängige Container-Lösungen, das heißt Software, die leichter zu einem anderen Anbieter migriert werden kann. Damit ist es auch möglich, ausgelagerte Anwendungen zurück in das eigene Rechenzentrum, also in die private Cloud, zu verlagern. Indem wir uns diese Optionen offenhalten, bewahren wir den Wettbewerb.

Risikovorstand Commerzbank: Ein Cloud-Wechsel muss möglich sein

Das ist wohl derzeit State-of-the-art und nicht nur jeder Red Hat-Mitarbeiter wird das gerne lesen. Chromik nimmt auch Stellung zu Gaia-X, der europäischen Cloud-Initiative, an der sich auch die bekannten Hyperscaler beteiligen. Er rechnet damit, „dass eine europäische Cloud frühestens in ein bis zwei Jahren für Banken zur Verfügung steht“. Mir klingt dabei noch die Aussage von Stefan Schigg von der Software AG im FAZ Digitec Podcast in den Ohren, dass der Zug für weltweite präsente Hyperscaler abgefahren sei, die dafür notwendigen Investitionen in Milliardenhöhe nicht zu stemmen seien.

Eine Einschätzung der meine Kollege „Jo“ Stark von der IBM auch zustimmt. Der Weg zur Bildung eines echten europäischen Hyperscalers sei angesichts der jahrelangen Investitionen der großen IT-Firmen kein kein wirklich valider Ansatz. Und dann sind wir schnell bei Gaia-X, das auch im Gespräch mit Chromik erwähnt wird. Aber kann es bei Gaia-X nur um sichere und gesetzeskomnforme Datenspeicherung in Europa gehen? Das kann es doch nicht sein, denn es gibt jenseits von Gaia-X – so habe ich es verstanden – technologische Vorkehrungen zum Schutz der Kunden- und Unternehmensdaten, so dass nur der Kunde – nicht der Cloud-Provider – den Key zu den verschlüsselt in Europa abgelegten Daten hat.

Ich brauche mehr Klarheit zu Gaia-X

Doch was kann Gaia-X dann noch sein? Wird Gaia-X demzufolge wohl „nur“ eine europäische Dateninfrastruktur stellen? Und was heisst konkret, Datenräume schaffen, in denen die Hyperscaler keine große Rolle spielen? Undwas heißt das genauer, Daten zu schützen und unter der Souveränität europäischer Unternehmen und Verwaltungen zu belassen? Wo und was sind die Daten und vor allem Anwendungen? Sind es branchen- oder anwendungsorientierte Plattformen und Datenräume? Wo liegen die Mehrwerte für europäische Unternehmen und Behörden? Für mich muss das alles noch viel konkreter werden.

(Stefan Pfeiffer)

Lesezeichen: Gläsern ODER ein Tag in Deinem Leben, erzählt von Google | NZZ

31. Dezember 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Danke an Michael Prokop, durch dessen Tweet ich auf den Beitrag in der NZZ von Reto Stauffacher aufmerksam geworden bin. Er hat Mitte 2018 einen Test gemacht und eine Woche lang sämtliche Daten ausgewertet, die Google über ihn gesammelt hat. Einfach seinen von Google dokumentierten Tagesablauf lesen und dann überlegen, warum besser Firefox als Browser und Qwant, Ecosia oder DuckDuckGo als Suchmaschine nutzen sollte. Jeder kann seine Daten übrigens einsehen, wie Reto am Ende des Artikels schreibt:

Das Aktivitätenprotokoll und den Zeitstrahl der besuchten Orte kann jeder angemeldete Google-Nutzer selber einsehen:

Aktivitätenprotokoll: myactivity.google.com/myactivity

Zeitstrahl: google.com/maps/timeline

über Ein Tag in meinem Leben. Erzählt von der Google-Datenspur. | NZZ

Und Reto stellt folgende Frage:

Warum beschäftigen wir Journalisten uns (meist zurecht) so intensiv mit Facebooks Datensammlerei, hingegen kaum mit derjenigen von Google? …

Für Facebook steht, vereinfacht gesagt, das langfristige Sammeln von Nutzerdaten im Zentrum. Denn nur wenn der Konzern die Präferenzen und Wünsche seiner Nutzer gut kennt («Was gefällt ihm?», «Wie fühlt er sich?»), kann er auch entsprechende Werbung schalten.

Google dagegen verdient den Grossteil seiner Milliarden mit Werbeanzeigen, die an Suchwörter gekoppelt sind.

über Ein Tag in meinem Leben. Erzählt von der Google-Datenspur. | NZZ

Na ja, für mich Pest und Cholera. Sicher hat Facebook in 2018 mehr Aufmerksamkeit im negativen Sinne erregt und Google und ein Dritter im Bunde – Amazon – sind wohl in den Hintergrund getreten.

Und um es nochmals klar zu schreiben, gerade weil ich in den vergangenen Wochen leider viele negative Berichte zum „Netz“ und sozialen Medien veröffentlicht habe. Ich bin weiter der Meinung, dass das freie Netz positiv, ja unverzichtbar ist und Aufklärung, Diskussion und konstruktiver Meinungsaustausch fördern kann, ja muss. Jedoch müssen wir alle individuell dafür eintreten wie es auch Tim Lee-Berners in seiner Initiative fordert, eintreten, indem wir Alternativen nutzen und promoten sowie streitbar #ForTheWeb sind.

(Stefan Pfeiffer)