Arnold Nipper – CTO/COO des DE-CIX im Interview
Die Marke von 4 Terabit pro Sekunde ist geknackt
Der DE-CIX German Internet Exchange in Frankfurt am Main ist der weltweit größte Knotenpunkt für den Austausch von Internet-Verkehr, dem sogenannten Peering zwischen Internet Service Providern. Im Mai 2015 waren mehr als 600 Internetdienstanbieter und andere Organisationen aus mehr als 60 Ländern am DE-CIX angebunden, darunter praktisch alle großen Internetunternehmen. Der Datendurchsatz hat im April 2015 erstmals die Marke von 4 Terabit pro Sekunde überschritten. Ein großer Teil der Kommunikation kommt aus dem Ausland: Wenn zum Beispiel ein Nutzer in Syrien eine E-Mail in die USA schickt, durchläuft sie mit hoher Wahrscheinlichkeit den Knotenpunkt in Frankfurt.
Wir sprechen mit Arnold Nipper, CTO und Mitbegründer des Unternehmens über Anfänge, Entwicklung und Strategie des DE-CIX.
Herr Nipper, Sie sind einer der Pioniere im Bereich Internet- und Netzwerktechnik und ein Gründungsvater des DE-CIX. Könnten Sie uns einleitend einen kurzen Einblick in Ihr eigenes Profil geben?
Ich bin seit 2000 bei der DE-CIX Management GmbH als CTO/COO für den Betrieb und die Weiterentwicklung der Technik verantwortlich. Neben dem laufenden Betrieb betreue ich die technische Planung, die Installation und den permanenten Ausbau des DE-CIX. Daneben bin ich seit 2001 auch Vorstandsmitglied von Euro-IX, dem Dachverband der Internet-Austauschknoten in Europa und seit 2013 Mitglied im Beirat „Junge Digitale Wirtschaft des BMWi“
Und wie kam es genau zur Gründung des DE-CIX?
DE-CIX ist ein Internetaustauschpunkt (abgekürzt IXP bzw. IX für Internet eXchange Point bzw Internet eXchange). Diese IXP haben sich Anfang der 90er im Internet entwickelt. Bis dahin war die Grundstruktur des Internet hierarchisch organisiert. Daten von einem Netz in ein anderes mussten über eine zentrale Struktur, den NSF (National Science Foundation) Backbone des US Wissenschaftsnetzes geleitet werden. Obwohl damals noch wenige Rechner an das Internet angeschlossen waren, wurde klar, dass diese hierarchische Struktur nicht beliebig skaliert. Daher entwickelte man eine Methode, Datenpakete auf anderen Wegen zwischen Netzen auszutauschen. Dies führte dazu, dass sich auf nationaler Ebene Netze zusammenschlossen. In Deutschland waren das im Mai 1995 die ISP EUnet, MAZ und Xlink. So entstand in Frankfurt der DE-CIX.
In anderen Ländern entstanden ebenso IXP. 1994 in Amsterdam der AMS-IX und in London der LINX. Zusammen mit DE-CIX bilden diese IXP die weltweit größten Austauschpunkte. DE-CIX betreibt mittlerweile neben dem IXP in Frankfurt auch IXP in Dubai und New York und baut gerade weitere in Palermo, Marseille und Istanbul auf.
Betreibt der DE-CIX selbst Rechenzentren?
DE-CIX selbst betreibt keine eigenen Rechenzentren (RZ), sondern ist jeweils Mieter in diesen. Unsere Strategie ist es, unsere Dienste in möglichst vielen Rechenzentren einer Stadt anzubieten. Das erspart unseren Kunden Kosten. Und auf der anderen Seite können sie ihre Geräte in den RZ unterbringen, die ihrem Bedarf am besten entspricht. Wäre ein IXP nur in einem Rechenzentrum, müssten alle Kunden entweder teure Leitungen anmieten oder ihre Geräte in genau dieses RZ stellen. Mit einer über das Stadtgebiet verteilten Infrastruktur lassen sich die Leitungswege zwischen den einzelnen Standorten effizienter betreiben bzw. auslasten.
Wie achten Sie darauf, carrier-, rechenzentrums- und netzneutral zu bleiben?
DE-CIX, offiziell DE-CIX Management GmbH, ist eine 100%-ige Tochter des eco e.V, dem Verband der Internetwirtschaft. Neben der GmbH gibt es noch die DE-CIX International AG, in der die internationalen Aktivitäten gebündelt sind. Da die meisten Kunden auch Mitglied im Verein sind, gehört der DE-CIX gewissermaßen seinen Kunden. Damit ist auch gewährleistet, dass niemand die alleinige Kontrolle über den DE-CIX hat. Ferner achten wir strikt auf Neutralität. Das heißt, es gibt mit keinem RZ einen Exklusivvertrag. Das Gleiche gilt auch für Carrier, mit deren Datenleitungen wir die Standorte innerhalb einer Stadt verbinden.
Der DE-CIX wurde 1995 gegründet, wird in diesem Jahr 20 Jahre alt. Wie feiern Sie dieses Jubiläum?
Für den 30. September 2015 haben wir eine große Party und am 1. Oktober 2015 die offizielle Jubiläumsveranstaltung mit vielen Gästen, Kunden und Partnern geplant. Die Vorbereitungen hierfür sind schon in vollem Gange.
Wie entwickelte sich der DE-CIX über die Jahre zwischen 1995-2015?
Als der DE-CIX im Mai 1995 startete, waren die drei ISP mit jeweils 10 Mbit/s angeschlossen. Statistiken gibt es nicht mehr, aber ich vermute, dass wir anfangs vielleicht 2 Megabit/s im Peak gemacht haben. Heute fließen in Spitzenzeiten über 4 Terabit/s durch den DE-CIX. In 20 Jahren hat sich der Datendurchsatz also um den Faktor zwei Millionen erhöht. Verglichen mit der Weltbevölkerung wäre das so, als hätte es vor 20 Jahren zur Zeit der Gründung des DE-CIX nur ein kleines Dorf mit 350 Einwohnern gegeben!
Mitarbeiter in dem Sinne gab es lange nicht, da nur ab und an ein neuer Kunde angeschlossen werden musste. Von Ende 2000 bis Anfang 2006 habe ich mich alleine technisch und vertrieblich um den DE-CIX gekümmert. In 2003 wurde die DE-CIX Management GmbH als 100%-ige Tochter des eco e.V gegründet. Erst Anfang 2006 stellten wir in Frankfurt die ersten Mitarbeiter ein. Mittlerweile beschäftigt der DE-CIX 73 Mitarbeiter an den Standorten Frankfurt und Köln.
Dass wir einmal so erfolgreich werden hätte ich 1995 und auch noch 2000 nicht gedacht!
Welche Hürden haben Sie in dieser Zeit genommen?
DE-CIX hat als Firma die gleichen Hürden genommen wie jede andere Firma auch. Besonders ist bei uns jedoch, dass wir wirtschaftlich nie auch nur ansatzweise schwierige Zeiten hatten. Und das jetzt seit 20 Jahren. Was uns weiter auszeichnet, ist, dass die Führungsmannschaft seit Jahren dabei ist. Die Mitarbeiterfluktuationsrate ist super niedrig. Wer einmal bei uns „an Bord ist“, bleibt, weil die Arbeit ständig Herausforderungen bietet, die Kollegialität hervorragend ist und die Firma ihre Mitarbeiter sehr schätzt!
Welche Entwicklung wird das Internet Ihrer Meinung nach nehmen?
Das Internet wird zusehends unser ganzes Leben verändern. Stichwort: digitale Transformation. Um aus dem Wiki zu zitieren: „Das fortschreitende digitale Zeitalter führt zu einem Wandel des bestehenden Verständnisses von Kunden, Geschäftsbeziehungen und Wertschöpfungsketten“.
Gute Beispiele dafür sind „Uber“ und „Airbnb“. Ich persönlich hoffe, dass wir im Bereich Mobilität noch große Fortschritte machen. Ich nutze gerne die App „Touch & Travel“. Eine Fahrkarte für den ÖPNV muss ich mir nicht mehr kaufen. Ich buche mich bei Fahrtantritt ein und bei Fahrtende aus. Das elektronische Ticket ist dann bei allen teilnehmenden Nahverkehrsgesellschaften und der DB gültig. Wenn ich jetzt noch günstig Mitfahrgelegenheiten, Mietautos oder –räder damit buchen könnte, wäre das super!
Herr Nipper, vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen weiterhin viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.
eco e.V.: Verband der deutschen Internetwirtschaft
In diesem Artikel beschreibt Gastautorin Alexandra Koch-Skiba, Leiterin der eco Beschwerdestelle, ihren Kampf gegen illegale Inhalte im Netz wie Spam-Mails, Volksverhetzung oder Jugendgefährdung.