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Was soll ich als Überschrift wählen oder von Open Source, Kapitalismus, Github, Microsoft und überhaupt

18. Juni 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Die Tage hatte ich im IBM Livestudio während der Think at IBM eine Diskussion zum Thema Freier Code für freie Bürger organisiert. Es ging darum, ob und warum in der öffentlichen Verwaltung nicht viel mehr auf Open Source-basierende Lösungen eingesetzt werden. Michael Seewald „pöbelte“ (eigener O-Ton) gegen Poltik und Anbieter proprietärer Software wie auch IBM herum.

Irgendwie fühl(t)e ich mich da als jemand, der bei IBM arbeitet, aber wie viele Kolleginnen und Kollegen durchaus den Sinn vom Open Source-Lösungen einsehen, ja promoten, schon ein wenig angegriffen und über einen Kamm geschert, gerade mit einer Microsoft, die ja erst seit vergleichsweise kurzer Zeit versucht, auf den Open Source-Zug aufzuspringen. Schon vor der angekündigten, geplanten Übernahme von Red Hat gab es eine lange Historie der IBM, in der man aktiv und mit Personal in der Open Source-Szene mitarbeitet und Code beisteuert.

Doch die Geschichte geht weiter: Auf heise online bin ich jetzt auf den Beitrag von Timo Daum gestoßen, der anhand der Übernahme von Github durch Microsoft darzulegen versucht, wie subversive Technologien wie Github von Unternehmen absorbiert und kommerzialisiert werden. Im Falle von Github verleibe sich ein Großkonzern das hehre „soziale Netzwerk für Entwickler“ ein. Und natürlich wird nach den Motiven geforscht. LautArtikel wolle man kein Geld mit Hosting verdienen. Den Image-Gewinn – („Opens Source Washing“ genannt) nehme man natürlich gerne mit. Vor allem aber wolle man seine Präsenz in der Cloud über Entwickler stärken und so weg vom klassischen Software-Geschäft und hin zur Plattform-Ökonomie. Und dann seien es natürlich die Daten, die Microsoft gewinne:

Die Millionen Coder und ihre Repositorien sind eine unerschöpfliche Quelle für Metadaten. Wer arbeitet mit welchen Tools an welchen Projekten in welchen Branchen? Solche und ähnliche Fragen kann GitHub mit einer weltweit konkurrenzlosen Datenbasis beantworten. … Und im Ergebnis ist ein Lieblingsprojekt partizipatorischer Code-Entwicklung zu einem Big-Data-Pool eines Digitalkonzerns geworden.

über Missing Link: Technologie-Rekuperation, oder: Wie subversive Technologien absorbiert werden | heise online

Der widerwärtige Kapitalismus verleibt sich – ich drücke es bewusst flapsig aus – Open Source (und immer wieder andere „gute Technologien“ ein), diese gehen den Bach runter und der Kapitalismus geht nur noch gestärkter hervor. So ganz kann ich der Argumentation von Timo Daum in seinen einzelnen Facetten nicht folgen (oder ich verstehe es nur nicht).

Sicher ist wahr, dass (gerade quartalsorientiertem börsennotierte) Unternehmen immer einen kommerziellen Zweck verfolgen, wenn sie eine solch signifikante Akquisition tätigen. Das gilt für Microsoft ebenso wie für meinen Arbeitgeber IBM, der ja die Übernahme des Open Source-Unternehmens Red Hat – Slogan We make open source technologies for the enterprise – anstrebt. Auch hier werden wie im Falle Github und Microsoft der IBM entsprechende Motive unterstellt, die ich als IBM-Mitarbeiter aus rechtlichen Gründen nicht kommentieren darf.

Nun bin ich auch jemand, der gerne gegen Microsoft argumentiert, „pöbelt“, gar polemisiert, weil ich deren Monopol(e) an verschiedenen Stellen – zentral Microsoft Office in all seinen Schattierungen mit Excel-zessen und Powerpoint-Mania* – für gefährlich und für uns alle für zu teuer halte, besonders, wenn man sich die entsprechenden Ausgaben der öffentlichen Hand ansieht. Ich möchte auch Microsoft beileibe nicht verteidigen, trotzdem oder gerade deshalb glaube ich, dass wir zu einer differenzierteren Betrachtung kommen müssen, beim Thema Open Source und darüber hinaus. Da kann die Kritik zum Beispiel an Microsoft, die im Gegensatz zu Amazon, Facebook oder Google oft unter dem öffentlichen Anprangerungsradar fliegen, durchaus sogar noch härter ausfallen.

Persönlich habe ich den Eindruck, dass leider oft in den Diskussionen Dinge durcheinander geworfen, und über einen Kamm geschert werden. Der von mir zitierte Michael Seemann hat gefordert, dass „der Staat“ Open Source als Plattform betreiben solle und müsse. Hört sich gut an und ich habe zustimmend gebloggt. Doch wer ist „der Staat“? Ist es der Bund? Sind es bestimmte Ministerien? Sind es Länder und Kommunen? Genau daran entzündete sich dann in unserem Talk im Livestudio eine durchaus kontroverse Diskussion.

Und man muss weiter differenzieren: Open Source – das Konzept unterstütze ich voll – heißt ja auch nicht automatisch kostenlos. Es heißt erst einmal, dass der Quelltext öffentlich und von Dritten eingesehen, geändert und genutzt werden kann. Meistens  – nicht immer – kann Open Source-Software „für umme“ genutzt werden. Ein klassisches Beispiel ist Libre Office, eine Alternative zu zentralen Komponenten von Microsoft Office. Jedoch kosten oft nicht nur Dienstleistungen rund um die Produkte meist durchaus Geld. Und das ist auch aus meiner Sicht generell absolut in Ordnung.

Man wird meiner Ansicht nach genau verfolgen müssen, was beispielsweise eine Microsoft mit Github macht, wie es kommerziellen Nutzen darauf zieht, welche Folgen sich daraus ableiten. Man wird ein Satya Nadella ebenso wie andere Unternehmensführer, die entsprechende Übernahmen tätigen, an ihren Worten und vor allem Taten messen müssen. Und nicht unterschätzen sollte man auch die Widerstandskräfte „im Netz“. Nur zu schnell entstehen auch alternative Bewegungen, die manchen noch so schönen Plan zunichte machen können. Vor allem müssen wir uns aber wohl die Mühe machen, auch solche Übernahmen wie auch das Thema Open Source differenziert zu betrachten. Anprangern und „rumpöbeln“ sind erlaubt und erwünscht, aber es braucht dann auch die nächsten Schritte.

(Stefan Pfeiffer)

* Der Fairness halber: Für die Excel-zesse und Powerpoint-Orgien ist Microsoft nicht verantwortlich zu machen. Da gibt es andere „Schuldige“.

Red Hat und IBM: Also bestimmt nicht phantasielos, lieber @HPBonn (finde ich)

16. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich lege doch nochmals nach zur geplanten Übernahme von Red Hat durch meinen Arbeitgeber IBM, denn der geschätzte Heinz-Paul Bonn haut – am 5. November – unter dem Titel Nicht ganz dicht schon einige provokant-interessante Aussagen in seinem Blogbeitrag raus:

Das ist so phantasielos, dass eigentlich nur IBM auf eine solche Idee kommen konnte.

über Nicht ganz dicht? | bonnblog.eu

Na ja, überteuert, falsch, irrweglich, whatever … aber no way: Phantasielos ist die Akquisition bestimmt nicht. Da hat man schon viel Phantasie gehabt, finde nicht nur ich.  Also sorry, Euer Ehren …

Und wenig später adelt er dann die Open Source-Bewegung;

Denn ohne Open Source ist die Cloud nicht denkbar. Beide leben von der Community, die Ressourcen gemeinsam nutzt und durch Teilen mehr erhält. So wie Cloud-Infrastrukturen mehr Sicherheit und mehr Flexibilität für alle bedeuten, so bedeuten Open-Source-Umgebungen kürzere Entwicklungszeiten. Die Dynamik, die sich aus der gemeinschaftlichen Pflege einer Infrastruktur ergibt, hat bislang noch jede proprietäre Umgebung hinter sich gelassen. Das musste IBM in vielen negativ verlaufenen Quartalen erst mühsam lernen.

über Nicht ganz dicht? | bonnblog.eu

Na ja, ob Open Source die größte Herausforderung von IBM ist oder war? Schließlich kommentiert er:

Die Übernahme von Red Hat hat aber durchaus etwas von einer Verzweiflungstat. Es wird sich jetzt zeigen müssen, was IBM daraus macht. Kaputtintegrieren wäre das schlechteste, was passieren könnte.

über Nicht ganz dicht? | bonnblog.eu

… aber auch:

Freilich ist Red Hat längst nicht nur ein Open-Source-Anbieter, sondern durchaus eine dominierende Kraft im Markt für Hybrid-Clouds. IBM katapultiert sich damit wieder an die Spitze in einem rasch wachsenden Markt.

über Nicht ganz dicht? | bonnblog.eu

Und nicht d’accord bin ich mit der Gleichstellung von Microsoft und IBM zum Thema Open Source in den vergangenen Jahren. Da lagen – man zitiere nur Steve Ballmer und die Politik von Microsoft – schon Welten dazwischen. Hier würde ich mir deutlich mehr Fairness wünschen:

Die Open-Source-Bewegung ist eine Macht, aber sie ist so verletzlich wie die Demokratie. Immerhin waren es IBM und auch Microsoft, die lange Zeit nach dem Motto vorgingen: Wer nach allen Seiten offen ist, kann nicht ganz dicht sein. Jetzt wandeln sich beide zum Open-Source-Paulus. Ob das geht?

über Nicht ganz dicht? | bonnblog.eu

Und ja, Open Source ist ein sensibles Thema, eine sensible Community. Schauen wir, was IBM für seinen Teil draus macht.

Akquisitionen sind ja wieder in, wie ich gestern anläßlich der geplanten Übernahme von Qualtrics durch SAP geschrieben habe. Auch dort gibt es skeptische Kommentare, ob eine solche Übernahme etwas bringt. Nur Microsoft und GitHub scheinen in der Beziehung überraschenderweise vergleichsweise gut weg zu kommen.

(Stefan Pfeiffer)

Ist Microsoft nun wirklich [praktisch] eine Open Source-Company?

5. November 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Anläßlich der geplanten Übernahme von Red Hat durch IBM habe ich natürlich die einschlägige Presse studiert und aus meiner Sicht relevante Kommentare laufend in einen Ticker auf CIOKurator eingearbeitet. Unter anderem zitiere ich dort auch Jason Perlow, der auf ZDNet einen Cloud-Krieg voraussagt.

Ich bin bei der Lektüre über einen weiteren Absatz seines Beitrags gestolpert, in dem er Microsoft als Open Source-Company klassifiziert:

Microsoft has transformed itself from a clear aggressor in the Open Source space to practically an Open Source company itself. In fact, Redmond made Windows itself Linux-compatible and Azure a major cloud player where more than half the workloads on it are in fact, Linux and Open Source based. SQL Server now runs on Linux. Azure Sphere, their IoT platform, uses a Microsoft-tuned Linux kernel.

And it has joined OIN and its entire patent portfolio is now Open Source.

über Armed with Red Hat, IBM launches a cloud war against Amazon, Microsoft and Google | ZDNet

Und Microsoft hat GitHub vor einiger Zeit übernommen, was man als einen weiteren Schritt Richtung Open Source interpretieren könnte. Business Insider spricht von Microsoft’s $7.5 billion bet on open source und zitiert Microsoft CEO Satya Nadella wird Business Insider wie folgt:

„For many years, Microsoft has been on a journey with open source and that community and today, we’re all in on open source. We believe in the power of communities to achieve more together than what their members can do on their own, and that collaborative development through the open source process can accelerate innovation. … In fact, today, Microsoft is one of the largest contributors to open source in the world. And when it comes to our commitment to open source, I want the world to judge us by the actions we’ve taken in the recent past, our actions today, and in the future.“

über Incoming GitHub CEO Nat Friedman talks about the company’s history with open source – Business Insider

Lange Jahre hat Redmond Open Source bekämpft. Man denke an die Zeiten von Steve Ballmer, der Linux einmal als Krebs bezeichnet hat. Ist nun mit Satya Nadella, der sicherlich verändert hat (und wird??) alles anders? Microsoft hat sich zweifelsohne gewandelt, aber wird man in so kurzer Zeit vom Saulus zum Paulus?

Teilen sich gar Microsoft und Google den Markt auf nach dem Motto, der ein kriegt Desktops und Notebooks, der andere im Browser und auf SmartPhones, wie es hier in einem Beitrag zu Progressive Web Applications heisst: Microsoft wants everything to run on Windows. Google wants everything to run on the web. (And what does Apple want?)

Was ist nicht nur in Deutschland mit der Dominanz in der öffentlichen Verwaltung? Noch 2017 haben EU-Experten gewarnt, die Abhängigkeit von Microsoft gefährdetdie digitale Souveränität der öffentlichen Verwaltung in Europa.

Was ist mit den mehr als 250 Millionen Euro für Microsoft-Lizenzen, die die deutsche öffentliche Hand bis Mai 2019 ausgibt, um damit die 2015 geschlossenen Verträge mit Microsoft zu „bedienen“? Passt das zum Open Source-Bekenntnis oder ist das einfach „Business as usual“?

Zugespitzt formuliert: Ist meine Frage Open Source als Alternative zu Microsoft unterdessen einfach falsch? Hat Open Source jetzt eben durch das Microsoft-Engagement die von mir eingeforderte Lobby? Und nur noch die ewig Gestrigen streiten einen Kampf gegen Windmühlen?

Das sind alles wirklich komplizierte Fragen, schwierig zu beurteilen. Ich bin auf Eure Kommentare und Eure Stimmen gespannt. Einfach hier mit abstimmen!

(Stefan Pfeiffer)