Posts Tagged: ‘HateSpeech’

Damals haben Bücher gebrannt, heute brennt das Netz – Ist es schon wieder so weit?

3. Januar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Nach einem schönen Beisammensein an Silvester bin ich irgendwie mies gelaunt ins neuer Jahr gestartet. Da ist ein bisschen was zusammen gekommen. Eine Sache, die mich zum Jahresende nochmals wirklich aufgeregt hat, sind Hass und Umgangston im Netz. Sichtbar wurde dieser Hass erneut aufgrund einer Nichtigkeit, einer missglückten Satire rund im Oma als Umweltsau. Das als Anlass zu gröbsten Beschimpfungen und Morddrohungen? In welcher Welt leben wir unterdessen? Was ist aus dem Netz geworden, einem Netz, dass „wir“ einmal als Chance, als Ort von mehr Demokratie und offenem Meinungsaustausch angesehen haben?

Und die Bedrohungen werden oft schmerzhafter, von der geistigen Belastung des Einzelnen durch diese Beschimpfungen bis zur realen körperlichen Bedrohung. Dann hat sich noch Richard Gutjahr, der wirklich Zivilcourage gezeigt hat, dazu geäußert, wie er im Stich gelassen wurde. Der Spiegel titelt zu dem Vorfall „Mit Hass und Hetze alleingelassen“.

Margarete Stokowski hat dazu einen bemerkenswerten Artikel geschrieben, der zum Jahresende am 31.12.2019 auf Spiegel Online erschienen ist. Sie fordert uns alle dazu auf, solidarisch zu sein, solidarisch gerade auch dann, wenn jemand in einer Sachfrage* eine andere Meinung vertritt:

Es ist sogar der ganze Witz an Solidarität, dass man die eigenen Anliegen ein Stück zurückstellt und sagt: Deine Probleme sind auch meine Probleme, ich helfe dir beim Tragen. Alles andere ist vielleicht gerade mal Mitleid oder ein Bedauern der Umstände. Solidarität schließt Kritik nicht aus, aber wenn eine Person akut bedroht wird, ist es nicht der richtige Zeitpunkt für öffentliche Kritik und Selbstprofilierung.

über Gegen Hass im Netz hilft Solidarität – Kolumne von Margarete Stokowski – SPIEGEL ONLINE

Besonders erschreckend ist, wie Rechte und Rechtsradikale gegen Journalisten, Politiker, Demokraten agieren und dabei das Netz ge- und missbrauchen. Den Ton, die Sprache, die Bedrohung und die Schlägertrupps hatten wir schon einmal in der deutschen Geschichte. Damals haben Bücher gebrannt, heute brennt das Netz. Ist es schon so weit? Ist es schon wieder in Deutschland so weit?

Wir alle wissen, was nach den Bücherverbrennungen an unsagbaren Verbrechen passiert ist. Hoffentlich zeigen alle, die Demokratie zu schätzen wissen, diesmal die notwendige Solidarität, stehen zusammen und haben die Zivilcourage. Und wir brauchen die entschlossen handelnden Vorgesetzten – siehe deas abschreckende Beispiel im Fall Gutjahr und das Verhalten des WDR -, Behörden und Gerichte, die schnell und öffentlich wahrnehmbar gegen die Auswüchse vorgehen und Urteile sprechen.

Chapeau gegenüber all denen, die öffentlich aufstehen, sich artikulieren und Rückgrat zeigen. Das verdient Hochachtung und Unterstützung. Wenn ich mir den ein oder anderen Tweet oder Kommentar ansehe, kann man nur zu leicht Angst bekommen und einknicken, verstummen. Doch das dürfen wir nicht. Gerade auch die demokratische, politische Mitte ist gefragt.

download-2Und ein Appell an alle zur Rückkehr zum notwendigen, in der Sache harten Streit, zu Diskussion und Argumenten statt Hass. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber Beschimpfungen und Androhung körperlicher Gewalt, gar Mordrohungen sind einfach nicht akzeptabel, nicht tolerierbar. Das Wort Respekt sollte wieder den notwendigen Stellenwert erhalten. Abschreckende Beispiele gibt es leider allenthalben. Auch Toleranz hat in unserer demokratischen Gesellschaft ihre Grenzen beziehungsweise wir müssen diese Grenzen setzen.

(Stefan Pfeiffer)

* Ich beziehe mich hier bewusst auf Sachfragen, nicht auf die Grundlagen unserer Demokratie. Bei letzteren müssen wir streitbar und abwehrbereit sein, aber auch das kann und darf nicht bis hin zu Morddrohungen führen. Hier gibt es andere, beispielsweise juristische Mittel.

 

Umgangston allenthalben zum K…: Gerade deshalb sollten Anstand und Toleranz wieder mehr gelebt werden — Dunja Hayali

14. August 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Lesenswert und nachdenkenswert, der Beitrag von Dunja Hayali:

Es scheint wohl -mit Ausnahmen- nur noch um das Generieren von Likes, um das bewusste Verbreiten von Vorurteilen, Schubladen und Provokation um jeden Preis zu gehen. Um das Aufwerten der eigenen Position/Ideologie und das üble Abwerten des Gegenübers. Boshaftigkeit, Neid, Missgunst, Häme überall. Nein, nicht nur von „einer Seite“, von überall meint von überall. Fakten werden verdreht, unhaltbare Behauptungen veröffentlicht und bei neuen Erkenntnissen die Richtigstellung „vergessen“, … Es ist zum K…

über Trauer macht die Seele wund. — Dunja Hayali

Und nein, es geht nicht um Gutmenschentum und Naivität. Der Begriff gute Kinderstube oder auch die altmodischen Wörter Demut, Anstand, Respekt oder Toleranz sollten wieder mehr gelebt werden. Ich weiß, hehre Worte, aber aufgeben zählt nicht. Gerade angesichts von Verrohung und radikaler Spinner, die sich außerhalb unseres demokratisch-humanistischen Wertekanons bewegen.

Bemerkenswerter Kommentar zu rechtem Terror und Hassreden: Gesetze anwenden, juristisch konsequent vorgehen und sich hinter Betroffene stellen

16. Juli 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Ein aus meiner Sicht bemerkenswerter Kommentar von Keywan Tonekaboni zum Umgang mit rechtem Terror. Einige Kernzitate. Unbedingt den gesamten Beitrag lesen:

Aber Vorratsdatenspeicherung und Verfassungsschutz helfen im Kampf gegen Rechtsextremismus kaum. …

Statt diese Strukturen und Netzwerke von Rechtsextremen zu beleuchten, reden Behörden diese bislang klein. Zudem negieren Staatsanwaltschaften und Gerichte regelmäßig rechtsradikale Motive. …

Dabei sind die Gesetze vorhanden, aber die Verfahren werden oft wegen angeblicher Nichtigkeit eingestellt. Damit sie angewendet werden, wären stattdessen Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften zu den Tatbeständen um Hassrede sinnvoller. Davon würden auch gewöhnliche, aber ebenso betroffene Bürger profitieren

… Menschenfeindliche Einstellungen wie Rassismus, Islamophobie oder Antisemitismus müssen als solche benannt und nicht als Fremdenfeindlichkeit oder gar Asylkritik verharmlost werden. Nur wenn wir uns jetzt vor alle Betroffenen rechtsextremen Hasses stellen, können wir künftige Taten verhindern.

über Kommentar zum rechten Terror: Schließt die sicherheitspolitische Mottenkiste! | heise online

#Hartaberfair: Rechter Kommunikationsspezialist führt Plasberg & Co vor – Über mehr oder weniger subtile Sprachmanipulationen und #HateSpeech

5. Juli 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Am Dienstag (2. Juli 2019) haben wir uns den Film Nacht über Berlin angesehen. Es geht um den gemäßigter, jüdischen SPD-Reichtstagsabgeordneten Albert Goldmann und die Sängerin und Nachtclubbesitzerin Henny Dallgow und deren Erlebnisse in der Weimarer Republik zur Machtübernahme durch die Nazis. Bedrückende Bilder von SA-Schlägertrupps,  verbale Entgleisungen und Beschimpfungen, einem schweigenden Bürgertum und erfolgreichen Aufstieg der Nazis. Dazu gehörte vor allem auch die sprachliche Vorbereitung und von Goebbels gesteuerte Propaganda, in den damaligen Medien. Über Vorurteile und Feindbilder wurde damals die Öffentlichkeit erfolgreich manipuliert.

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„Nur wer die Probleme auf die einfachste Formel bringen kann und den Mut hat, sie auch gegen die Einsprüche der Intellektuellen ewig in dieser vereinfachten Form zu wiederholen, der wird auf die Dauer zu grundlegenden Erfolgen in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung kommen.“ (Joseph Goebbels); Montage und Text: Ruhrbarone; Foto: Bundesarchiv, Bild 102-17049 / Georg Pahl / CC-BY-SA 3.0 [CC BY-SA 3.0 de], via Wikimedia Commons

Tags zuvor (1. Juli 2019) habe ich per Zufall zu Hart aber fair geschaltet, wo AfD-Mitglied und ehemaliger Soldat Uwe Junge zu einer Diskussion unter Moderation von Frank Plassberg eingeladen war. Es war unsäglich, wie sich Junge dort produzieren durfte und die verbalen Ausfälle seiner Parteifreunde und daraus resultierende Hasstiraden bagatellisieren konnte. Durch subtile sprachliche Manipulationen, die Junge „gelernt“ hat, und Hassreden* gerade auch in den sozialen Netzwerken verroht das Diskussionsklima weiter und es wird Gewalttätigkeit enorm angeheizt. Dafür sind die entsprechenden Autoren verantwortlich und man kann das eben nicht einfach mal wegdiskutieren und -interpretieren, wie es Junge versucht hat.

Der Weg von solchen verbaler Gewalttätigkeit zu realer Gewalt und Schlägertrupps ist nicht weit. Genau das hatten wir in Weimar schon einmal. Ein weiterer „Höhepunkt“ war dann noch, wie er sich als als Freund von Polizei und Bundeswehr produzierte. Die seien nun einmal bürgerlich konservativ, so, wie er sich zu präsentieren suchte. Wahrlich ein Trauerspiel, dass die anwesenden anderen Diskutanten und auch der eher zu faire, denn harte Frank Plasberg dem Kommunikationsexperten Junge – siehe unten – wenig entgegen halten konnten. Zur Analyse seit der Spiegel-Artikel von Arno Frank empfohlen. Oder auch:

Frank Plasberg scheiterte an diesem Gast, er musste scheitern, weil sein Fokus auf fair, nicht auf hart lag.

über Es gibt keinen echten Dialog mit Rechtsextremen – SZ Magazin

Hier ein interessanter Twitter-Thread, in dem Daniel Lücking die Person Uwe Junge und seine „Kompetenzen“ darlegt. Unbedingt den Tweetverlauf lesen. Sehr erhellend. Danke an Simon Hurtz auf Piqd.

Daniel_Lücking_auf_Twitter___Nachklapp_zu__hartaberfair_im__DasErste__Es_ist_nicht_zu_rechtfertigen__was_Junge_unwidersprochen_äußern_durfte__Besonders__weil_die_Redaktion_nachlässig_recherchiert_hat___wesentliche_Ansatzpunkte_nicht_nutzte_.png

* Mit Hate Speech ist vor allem vorurteilsgeleitete abwertende Sprache gemeint, aus:

(Stefan Pfeiffer)