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Lesezeichen: Der heutige kalte Tech-Krieg ODER kann Europa eine Alternative zu GAFAM und China bauen

13. Januar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Für Adrienne Fichter wird 2020 zum Schicksals­jahr. Sie hat auf der Schweizer Plattform Republik eine lesenswerten Beitrag über Schlüsselereignisse diesen Jahres geschrieben. Der California Consumer Privacy Act (CCPA), eine Lightversion der Datenschutz-Grund­verordnung (DSGVO), wird in Kalifornieren umgesetzt und hat Strahlkraft wird in gesamte USA hinein. Und natürlich stehen in besagten USA die Präsidentschaftswahlen. Schließlich tritt in China das Social-Scoring-System landesweit in Kraft.

Drei Systeme konkurrieren demzufolge miteinander. Der Kalte Krieg setze sich im 21. Jahrhundert in der Netzpolitik fort:

Je mehr Staaten sich der diktatorischen Variante zuwenden, desto mehr Macht gewinnt China. Mehr digitaler Protektionismus gekoppelt mit unreguliertem Daten­kapitalismus auf der Welt spielt Donald Trump in die Hände. Mehr Netzdemokratie der EU und ihren Verbündeten.

Der kalte Tech-Krieg – Republik

In den USA wird über eine Zerschlagung der US-amerikanischen Plattformen diskutiert. Wahrscheinlich nur diskutiert, denn Donald Trump ist sicher kein Freund einer solchen Zerschlagung. In Europa denkt man über eigen Plattformen und über stärkere Regulierungen nach, wahrscheinlich viel zu lange. Und China wie auch Russland schotten ihr Netz vom freien Internet ab.

Die Macht der Plattformen

Ja, China beginnt sogar auf der Plattform-Ebene mit TikTok anzugreifen, sicher noch ein erster Versuch, aber bemerkens- und beobachtenswert angesichts der derzeitigen Dominanz der GAFAM-Konzerne und -Plattformen von Google, Apple, Facebook, Amazon und Microsoft. China tritt eindeutig mit entsprechend ehrgeizigen Zielen in den Wettbewerb zu den USA.

Adrienne Fichter sieht drei Visionen: ein Netz des Datenkapitalismus, ein überwachtes Netz oder ein wesentlich von Europa getriebenes bürgerorientiertes Netz. Wo meine Sympathien liegen, ist klar. Jedoch habe ich (leider) Zweifel, dass Europa schnell die notwendigen Entscheidungen trifft und dann die entsprechende Geschwindigkeit aufnimmt, um ein valides Gegengewicht zu den GAFAM-geprägten USA und dem aufstrebenden roten TicToc-enden Stern zu bilden.

Europa und die EU scheinen doch eher von nationalen Interessen geprägt. Man schaue sich nur die Auseinandersetzung um die ePrivacy-Verordnung an. Außer der SAP gibt es keinen europäischen Technologiekonzern, der unter den Top-Technologienanbietern mitspielt, geschweige denn den Anspruch hat, eine Plattformalternative zu sein. Und ob Frankreich und Deutschland willens und in der Lage sind, eine europäische Plattform, eine auf Open Source basierende Alternative zu bauen, die eine entsprechende, kritische Masse an Nutzern erreicht, ist mehr als fraglich.

Europa: Große Sprünge wären notwendig

Die technologische Kompetenz scheint in Europa durchaus vorhanden zu sein. Ideen wie beispielsweise Chat over IMAP im Bereich Messaging gibt es. Doch macht gemeinsame Innovation in Europa nicht gerade große Sprünge. Und wenn, versucht man national zu springen und das können wahrscheinlich nicht die weiten Sprünge werden, die notwendig wären.

Die Regierungen der beiden Staaten müssten es aber jetzt wollen, finanzieren und treiben, schnell und mit so wenig Eitelkeiten wie nur möglich. Nur scheinen die Mechanismen in Europa, zwischen Frankreich und Deutschland wohl nicht so zu sein, dass der notwendige Schwung aufgenommen und beibehalten wird. Schade.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von andreas N auf Pixabay

Damals haben Bücher gebrannt, heute brennt das Netz – Ist es schon wieder so weit?

3. Januar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Nach einem schönen Beisammensein an Silvester bin ich irgendwie mies gelaunt ins neuer Jahr gestartet. Da ist ein bisschen was zusammen gekommen. Eine Sache, die mich zum Jahresende nochmals wirklich aufgeregt hat, sind Hass und Umgangston im Netz. Sichtbar wurde dieser Hass erneut aufgrund einer Nichtigkeit, einer missglückten Satire rund im Oma als Umweltsau. Das als Anlass zu gröbsten Beschimpfungen und Morddrohungen? In welcher Welt leben wir unterdessen? Was ist aus dem Netz geworden, einem Netz, dass „wir“ einmal als Chance, als Ort von mehr Demokratie und offenem Meinungsaustausch angesehen haben?

Und die Bedrohungen werden oft schmerzhafter, von der geistigen Belastung des Einzelnen durch diese Beschimpfungen bis zur realen körperlichen Bedrohung. Dann hat sich noch Richard Gutjahr, der wirklich Zivilcourage gezeigt hat, dazu geäußert, wie er im Stich gelassen wurde. Der Spiegel titelt zu dem Vorfall „Mit Hass und Hetze alleingelassen“.

Margarete Stokowski hat dazu einen bemerkenswerten Artikel geschrieben, der zum Jahresende am 31.12.2019 auf Spiegel Online erschienen ist. Sie fordert uns alle dazu auf, solidarisch zu sein, solidarisch gerade auch dann, wenn jemand in einer Sachfrage* eine andere Meinung vertritt:

Es ist sogar der ganze Witz an Solidarität, dass man die eigenen Anliegen ein Stück zurückstellt und sagt: Deine Probleme sind auch meine Probleme, ich helfe dir beim Tragen. Alles andere ist vielleicht gerade mal Mitleid oder ein Bedauern der Umstände. Solidarität schließt Kritik nicht aus, aber wenn eine Person akut bedroht wird, ist es nicht der richtige Zeitpunkt für öffentliche Kritik und Selbstprofilierung.

über Gegen Hass im Netz hilft Solidarität – Kolumne von Margarete Stokowski – SPIEGEL ONLINE

Besonders erschreckend ist, wie Rechte und Rechtsradikale gegen Journalisten, Politiker, Demokraten agieren und dabei das Netz ge- und missbrauchen. Den Ton, die Sprache, die Bedrohung und die Schlägertrupps hatten wir schon einmal in der deutschen Geschichte. Damals haben Bücher gebrannt, heute brennt das Netz. Ist es schon so weit? Ist es schon wieder in Deutschland so weit?

Wir alle wissen, was nach den Bücherverbrennungen an unsagbaren Verbrechen passiert ist. Hoffentlich zeigen alle, die Demokratie zu schätzen wissen, diesmal die notwendige Solidarität, stehen zusammen und haben die Zivilcourage. Und wir brauchen die entschlossen handelnden Vorgesetzten – siehe deas abschreckende Beispiel im Fall Gutjahr und das Verhalten des WDR -, Behörden und Gerichte, die schnell und öffentlich wahrnehmbar gegen die Auswüchse vorgehen und Urteile sprechen.

Chapeau gegenüber all denen, die öffentlich aufstehen, sich artikulieren und Rückgrat zeigen. Das verdient Hochachtung und Unterstützung. Wenn ich mir den ein oder anderen Tweet oder Kommentar ansehe, kann man nur zu leicht Angst bekommen und einknicken, verstummen. Doch das dürfen wir nicht. Gerade auch die demokratische, politische Mitte ist gefragt.

download-2Und ein Appell an alle zur Rückkehr zum notwendigen, in der Sache harten Streit, zu Diskussion und Argumenten statt Hass. Man kann unterschiedlicher Meinung sein, aber Beschimpfungen und Androhung körperlicher Gewalt, gar Mordrohungen sind einfach nicht akzeptabel, nicht tolerierbar. Das Wort Respekt sollte wieder den notwendigen Stellenwert erhalten. Abschreckende Beispiele gibt es leider allenthalben. Auch Toleranz hat in unserer demokratischen Gesellschaft ihre Grenzen beziehungsweise wir müssen diese Grenzen setzen.

(Stefan Pfeiffer)

* Ich beziehe mich hier bewusst auf Sachfragen, nicht auf die Grundlagen unserer Demokratie. Bei letzteren müssen wir streitbar und abwehrbereit sein, aber auch das kann und darf nicht bis hin zu Morddrohungen führen. Hier gibt es andere, beispielsweise juristische Mittel.

 

Ein Leben nach dem Internet. So ein Quatsch. Ein konstruktives Leben mit dem Internet. Darum geht es!

18. August 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Soll ich dazu was schreiben, zum Beitrag von Anna Miller auf Zeit Online zum ach so bösen Internet, das uns das Leben und Mensch sein raubt. Doch einige Zitate sind einfach zu platt:

Ich habe mein Leben an dich verschwendet, Internet. …

Ich hasse dich, Internet. Dafür, was du mit mir und meinem Leben machst.

über Digital Detox: Ein Leben nach dem Internet. Jetzt. | ZEIT ONLINE

Das böse Internet, das böse Smartphone, die uns die Lebensqualität klauen. Wir sollen uns endlich einmal auf das Leben einlassen, so Miller.

Also erst einmal: Natürlich gibt es Mechanismen und Nutzungsgewohnheiten, die „am Internet“ zu kritisieren sind. Auch in meiner Familie beobachte ich das und moniere es auch. Man muss nicht nachts ans Smartphone gehen. Und auch ich mache sicher nicht alles rund um das Netz richtig.

Aber dieses radikal einseitige Abwatschen des Netzes durch Anna Miller geht mir doch auf die Nerven. Typisch deutsch. Es erinnert mich an die Verteufelung des Fernsehens oder des Radios vor Jahrzehnten. Auch damals konnte man entsprechende Beiträge finden, die das Ende der Kultur und der Menschen beschworen. Und ja, Radio und insbesondere Fernsehen tragen nicht immer zum Besseren bei, aber sie sind Realität. Und darum geht es. Mit Realitäten und Technologien umgehen, die nicht mehr „wegzubeamen“ sind.

„Ein Leben nach dem Internet“. So ein Quatsch. Ein Leben mit dem Internet. Eine bewusstere Nutzung des Netzes mit entsprechenden Auszeiten. Wir müssen aufmerksam sein und Auswüchse im Netz – von Fehlern in der persönlicher Nutzung über Kommerzialisierung und Manipulation und mangelhaften Datensicherheit und Datenschutz bis zur Instrumentalisierung des Netzes durch Nepper, Schlepper und Bauernfänger – eindämmen. Aber halten wir uns auch vor Augen, was das Netz und auch die bösen sozialen Medien an Gutem bieten und bieten können. Das gilt es zu fördern. Das Netz bleibt. Es liegt an uns, es zu gestalten. Als Gesellschaft und ganz individuell.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von Myriam Zilles auf Pixabay

Ja, wir brauchen Solidarität mit Politikern, die Flagge zeigen, aber wir brauchen noch viel mehr – Replik auf Gustav Seibt

21. Juni 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich erinnere mich noch gut an meine Zeit als freier Journalist bei der WNZ, wo ich das Handwerk lernte und mir einige Mark dazu verdiente. Nach kurzer Zeit lernte ich die Lokalpolitiker und deren Alltagsgeschäft näher kennen. Mehrere Abende – meist am Freitag oder Wochenende – habe ich den damaligen Landrat Gerhard Bökel quasi verfolgt … von einer Karnevalssitzung zur nächsten. Drei oder vier Sitzungen haben wir gemeinsame besucht. Eigentlich hätten wir ein Auto nehmen können.

Oder ich habe über die Lokalpolitik in meinem Heimatort –  4 Orte, die zu einer Stadt zusammengeschlossen wurden – berichtet und beobachtet. Sehr oft ging es dort doch nach dem Motto, wenn Du dem Bau des Sportplatzes in Ort A zustimmst, bekommt Ort B im kommenden Jahr das Feuerwehrhaus durchgewunken. Persönlicher Höhepunkt war dann vor einer Kommunalwahl, als Vertreter dreier unterschiedlicher Parteien mich fragten, ob ich nicht für sie kandidieren wolle.

Lokalpolitik ist auch hartes Brot. Man lernt das Geben und Nehmen und die Kunst des politischen Kompromisses, auch etwas die Interessenpolitik und das Geschachere. Doch Lokalpolitik ist notwendig. Man ist ganz nahe am Bürger und kann direkt vor Ort wirken und auch Ergebnisse sehen. Wie viele andere habe ich mich aber nicht durch gerungen, mich lokal in der Politik und in einer Partei zu engagieren. Vielleicht habe ich mich als zu gut dafür gehalten oder manche Kleingeisterei hat mich abgeschreckt. Ist jetzt auch egal.

Was nicht erst seit dem Mord an Lübcke erschreckend ist, ist jedoch, dass Lokalpolitiker/innen und Politiker/innen generell mit Schmutz beworfen, nicht mehr nur verbal sondern auch real angegriffen werden. Gustav Seibt – deutscher Historiker, Literaturkritiker, Schriftsteller und Journalist – hat das Thema in der Süddeutschen Zeitung in einem ausführlichen Artikel aufgegriffen.

An der Basis ist unser politisches System ziemlich wehrlos. Sollen sich Bürgermeister und Landräte nicht mehr auf Dorffeste trauen können, wenn sie Entscheidungen treffen, die einem radikalisierten Teil der Bürgerschaft nicht gefallen? Das hätte verheerende Folgen fürs Funktionieren von Politik und kommunaler Selbstverwaltung.

Er schließt seinen Beitrag mit folgendem Satz:

Wenn Politiker vor Ort bedroht, gar ermordet werden, wenn die Grundvoraussetzung der Ordnung, das staatliche Gewaltmonopol herausgefordert wird, dann ist es Zeit für eine Solidarität, die sich nicht im Symbolischen erschöpft.

über Kriminalität: Und wenn keiner mehr den Job machen will? – Kultur – Süddeutsche.de

Das kann ich nur unterschreiben. Und es gilt nicht nur für Politiker/innen, sondern auch für  Meinungsführer/innen und Journalisten/innen wie eine Ferda Ataman oder eine Dunya Hayali. Das sollte nicht sein. Das kann nicht sein. Da muss man sich solidarisch erklären und das auch bekunden. Und die Angriffe müssen auch strafrechtlich verfolgt werden.

Ich persönlich weiß nicht, ob ich diese Art und den Ton der verbalen Anfeindungen, der Gossensprache und des blanken Hasses und der Dummheit ertragen könnte und wie schnell ich in meiner Höhle verschwinden, in meiner Privattheit abtauchen und mich zurückziehen würde. Ich kann nochmals den Hut vor allen ziehen, die Flagge zeigen und gegen halten.

Doch wie erklärt man sich solidarisch? Wie zeigt man Flagge? Gustav Seibt als ein klassischer Vertreter seiner, äh meiner Generation fordert dazu auf, in die Parteien zu gehen und sich dort zu engagieren. Sich nur mal im Netz und in den sozialen Medien zu äußern, reiche nicht aus, ja sei nur eine Art Symbolik und Ersatzpolitik, Das florierende Genre der Social-Media-Kritik kennzeichnet er als hinterwäldlerisch.

Na ja, umgedreht sehe ich in diesen Aussagen von Seibt auch etwas Hinterwäldlerisches. Gerade meine, unsere Generation, auch die politischen Parteien haben noch immer nicht verstanden, dass „das Netz“ in all seinen negativen wie auch positiven Ausprägungen heute politische Realität und auch Ort der politischen Manifestation und Bildung von Meinung ist. Die Meinungsmacht verlagert sich langsam aber sicher ins Netz, wie eine aktuelle Studie gerade (wieder) bestätigt. Das sollte man einfach so abtun, schlecht reden, sondern vielmehr überlegen, wie man „das Netz“ für demokratische Kräfte zurückerobert und in den politischen Diskurs konstruktiver integriert.

Politische Meinungsbildung findet heute nicht mehr nur in der Süddeutschen, FAZ oder in der BILD statt. Es reicht nicht mehr nur, seine Birne in die Fernsehkameras von ARD und ZDF zu halten und damit hat man „die Wähler“ erreicht. „Das Netz“ ist gerade bei den Jüngeren gesetzt. Und Ihr ewig Gestrigen seht das endlich mal ein und lasst uns gemeinsam die Chancen ergreifen und die Auswüchse konsequent bekämpfen! Wir dürfen „das Netz“ nicht der AfD, anderen politisch extremen Strömungen oder auch Datenkraken und -monopolen überlassen. Dort, im Netz, entscheidet sich einer großer Teile unserer politischen Zukunft.

Und den Ausspruch und die Aufforderung mal brav wieder in Parteien zu gehen und sich dort zu engagieren, kann ich persönlich zugegebenermaßen auch kaum noch hören. Bis auf eine Partei, die gerade „ge-hyped“ wird und deren Mitglieder und Politiker bald in der regierenden Realpolitik harten Herausforderungen an ihr Selbstverständnis begegnen werden, stoßen mich (und viele andere) die etablierten Parteien immer wieder und sehr konsequent ab. Klöckner und Nestlé oder Unionsfreund Scheuer und seine Verschwörungstheorien sind ebenso abtörnend wie das Versagen in der SPD oder die wirren neoliberalen Sprüche von Politikprofi Lindner.

Wenn Parteien wieder mehr Mitglieder haben wollen, müssen sie sich ändern, im Verhalten ihrer Führungsspitze, wie auch in den Möglichkeiten, sich gegenüber politisch Interessierten zu öffnen und diese in Diskussionen einzubinden. Ich zweifele daran, dass „die Parteien“ derzeit „die junge Generation“, die gerade bei Fridays for Future demonstriert oder sich das Rezo-Video „reinzieht“, abholen kann und wird.

Gerade aber „die Jüngeren“ braucht unsere Demokratie. Die haben durchaus – um mit dem Video der DFB Fußballfrauen zu sprechen – nicht nur Eier in der Hose, sondern auch einen Pferdeschwanz. Sie gehen nämlich auf die Straße und zeigen Flagge, etwas was meine, unsere Generation aus vielen von Seibt beschriebenen Gründen nicht mehr oder zu wenig tut. „Diese Jungen“ machen mir echt Mut. Der Pöbel von AfD und Konsorten macht mir Angst.

Relevante Fragen sind also aus meiner Sicht:

  • Wie öffnen wir „die Politik“ wieder für die jüngere Generation und ermögliche ihnen aktive Partizipation auch jenseits der gewohnten Parteipolitik und -zugehörigkeit?
  • Wie öffnen sich „die Parteien“ für politisch Interessierte, Jüngere und Ältere, und schrecken nicht nur ab?
  • Wie integrieren wir „das Netz“ konstruktiv in die politische Diskussion, statt es als Hort der Verdammnis Radikalen und Kommerz zu überlassen?

In diesen Fragen spielt meiner Meinung nach viel Musik.

(Stefan Pfeiffer)

 

Lesezeichen: Die Geschichte der Digitalisierung – und was kommt jetzt? Von Michael Seemann

4. März 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Ein Lesetipp und Lesezeichen: Michael Seemann hat die Geschichte es Netzes oder Digitalisierung in 5 Phasen eingeteilt und aufgearbeitet, von der Aufbruchstimmung und Utopien des frühen Netzwerkes über die Kommerzialisierung und das Web 2.0 bis zum beginnenden Kontrollverlust, der niemand verschone, weder Unternehmen, Regierungen, Institutionen, noch den Einzelnen. Kontrolle wird – so Michael – durch beherrschende Plattformen ausgeübt:

Aus den sympathischen, kleinen Web2.0-Diensten sind mächtige Plattformen geworden, die mit ordnender Hand Inseln der Kontrolle im Meer des Kontrollverlusts schaffen. Der Aufstieg der Plattformen als neue Kontroll- aber auch als unheimliche Machtapparate leitet die nächste Phase der Digitalisierung ein.

über Die Geschichte der Digitalisierung in fünf Phasen | ctrl+verlust

Derzeit sieht er uns in einer Phase, die Michael als „neues Spiel“ bezeichnet, eine Phase, in der Strategien entwickelt werden und wurden, mit Falschnachrichten und gezielten Desinformationskampagnen zu operieren. Michael nennt Putin als denjenigen, der dies am besten verstanden habe. Prägnant auch die folgende Aussage:

Donald Trump ist “antifragil” gegenüber der Öffentlichkeit. Je mehr Skandale und Kritik er auf sich vereint, desto stärker wird er.16

über Die Geschichte der Digitalisierung in fünf Phasen | ctrl+verlust

Ist der Ruf erst so ruiniert, können einem Skandale nichts mehr anhaben.

Quer zu den Parteien hätten sich aber auch Strömungen entwickelt, die nicht zu kontrollieren seien, auch nicht von doch so mächtigen Plattformen: ein neuartiger Kontrollverlust. In dieser Phase befinden wir uns und Michael wagt auch einen Blick in die Zukunft, die nächste Phase der Restrukturierung der Gesellschaft. Den Vergleich mit dem Buchdruck, durch den immer mehr Menschen lesen lernten, eine Demokratisierung und Vermehrung des allgemeinen Wissens stattfand, ist prägnant. Doch zwischen der Erfindung des Buchdrucks und der Aufklärung lägen halt auch 250 Jahre Chaos, Krieg und Zerstörung, so Michael.

Genau in einer solchen Phase könnten wir stecken, die diesmal sicherlich keine 250 Jahre andauern wird. Michael Singer hat dies ja auch schon als normale Krisenphase bezeichnet. Doch wie geht es nun weiter in einer Zeit, in der unser System der repräsentativen Demokratie „nun auf überwältigende Mengen weltweit außer Kontrolle geratener Datenströme und auf eine ungekannte Organisationsfähigkeit von Menschen und Informationen“ stößt? Ist das chinesische Staatsmodell ein Fanal, wohin uns der Weg führen wird? Oder was sind die Alternativen?

An die EU, lieber Michael, glaube ich in der jetzigen Phase des wieder aufkeimenden Nationalismus nicht. Auch scheint die Digitalkompetenz dort nicht unbedingt ausgeprägt zu sein, wie man gerade sehen kann. Ich sehe beispielsweise leider, leider, leider nicht, dass eine EU zum Aufbruch bläst und zum Plattformbetreiber wird, der sich mit offenen Lösungen gegen den GAFAM-Komplex ((Google, Apple Facebook, Amazon, Microsoft), aber auch gegen Manipulation und Überwachung positioniert.

Und ob die von Dir zitierten Grassroot-Bewegungen die wünschenswerten Auswirkungen, besser Breitenwirkung haben wird? Hoffen wir es. Ich bin und bleibe ein alter Optimist, der auch „im Netz“ und in der Digitalisierung weiter Chancen sieht – trotz der diversen Kontrollverluste.

(Stefan Pfeiffer)

Lesezeichen: Deutscher Gen-Defekt? Technologischer Entwicklung hinterherzuhinken | bonnblog.eu

31. Dezember 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Noch schnell ein Lesezeichen zum Jahresende: den Jahresendbeitrag von Heinz-Paul Bonn. Beim Thema Datenschutz und wie Daten verwendet werden, sind wir wahrscheinlich nicht einer Meinung. Ich glaube, dass KI-basierte Systeme auch mit anonymisierten und pseudonymisierten Daten funktionieren können und die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zwar ständig nachgebessert werden sollte, aber durchaus in die richtige Richtung zeigt. In punkto Einschätzung der Bundesregierung haben wir durchaus eine sehr ähnliche Einschätzung:

Es handelt sich tatsächlich um einen deutschen Gen-Defekt, ständig hinter der technologischen Entwicklung hinterherzuhinken. Und er ist in der Bundesregierung dominant durchgeschlagen. „KI made in Germany“ soll zu einem „internationalen Markenzeichen für moderne, sichere und gemeinwohlorientierte KI-Anwendungen auf Basis des europäischen Wertekanons“ werden. Das zurückliegende Jahr macht nicht besonders viel Hoffnung, dass daraus was wird. Wahrscheinlich wird wieder nur debattiert und dilettiert und im Zuständigkeitsgerangel duelliert.

über KI mal Daumen | bonnblog.eu

Meine 2 Cents zum Ende: Wir reden vollmundig von „KI made in Germany“, drücken uns aber vor grundlegenden Infrastrukturmassnahmen. Die sind ja auch langweilig und tragen nicht zur Profilierung bei, wie es Flugtaxis vielleicht tun. Ohne Strassen, ohne Datenautobahnen, ohne ein gutes Schienennetz, kein flüssiger Verkehr, in keinem Netz. Albanien hat ein besseres 4G-Netz als Deutschland. Wir sind weit abgeschlagen. Ein Hohn. Ein schlechter Treppenwitz. Leider nicht.

Es ist die Aufgabe der Regierung und der öffentlichen Hand, diese Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wenn dies über eine private Auftragsvergabe nicht oder nicht schnell genug funktioniert, dann bedeutet es eben Investieren über öffentliche Mittel. Diese Investitionen kann man sich zurückholen. Das gegenwärtige Gerangel und Schneckentempo können wir uns bestimmt im internationalen Vergleich auf jeden Fall nicht leisten.

(Stefan Pfeiffer)

[DE] “Hyperlinks sind Augen des Netzes, der Weg zu seiner Seele” | Hossein Derakhshan

27. Juli 2015 Posted by StefanP.

Ein sehr lesenswerter Beitrag von Hossein Derakhshan, der im Iran für sein Engagement ins Gefängnis geworfen wurde. Er beklagt den Niedergang des Webs, wie er es vor seiner Inhaftierung kannte. Einige Kernzitate (was aber nicht vom lesen des gesamten Beitrags ablenken soll):

Sechs Jahre sind eine lange Zeit im Gefängnis, aber online ist es eine ganze Ära. Das Schreiben im Internet hatte sich nicht verändert, aber das Lesen – oder zumindest das Gelesenwerden – umso dramatischer. …

Vor sechs Jahren war meine Währung der Hyperlink. Ursprünglich aus der Idee des Hypertextes entstanden, ermöglichte der Hyperlink eine Vielfalt und Dezentralisierung, die es so in der realen Welt nicht gab. Der Hyperlink stand für den offenen und vernetzten Geist des World Wide Webs  – eine Vision, die mit seinem Erfinder Tim Berners-Lee began. Der Hyperlink war eine Möglichkeit, jegliche Zentralisierung – die Verbindungen, Linien, und Hierarchien – hinter sich zu lassen, und sie durch etwas Dezentrales zu ersetzen:  ein System aus Knoten und Netzwerken. …

Aber Hyperlinks sind nicht nur das Grundgerüst des Netzes: sie sind seine Augen, der Weg zu seiner Seele. Und eine blinde Website, eine ohne Hyperlinks, kann eine andere Website weder sehen noch betrachten. All das hat ernsthafte Konsequenzen für die Dynamik von Macht im Netz.

via Social Media: Das Internet, das wir bewahren müssen | ZEIT ONLINE.

Ich stimme Hossein zu, dass die Dominanz sozialer Medien das Lesen und Gelesen werden verändert haben. Jedoch darf man nicht übersehen, dass die sozialen Medien auch für eine andere Reichweite gesorgt haben, Leute im Netz ansprechen, die vorher nicht nach Blogs geschaut haben. Schauen die immer in die Tiefe? Nein, aber man kann sie zumindest theoretisch erreichen.

Der Stream bestimmt, wie Menschen an Informationen im Netz gelangen. Immer weniger Nutzer besuchen ausgewählte Websites direkt. Stattdessen werden sie von einem endlosen Informationsfluss gefüttert, der für sie aus komplexen  – und geheimen  – Algorithmen zusammengestellt wurde. …

Dank des Datenstroms brauchst du nicht mehr so viele Websites zu öffnen. Du benötigst nicht mehr so viele Tabs im Browserfenster. …

Die Algorithmen hinter dem Stream verwechseln nicht nur Neuheit und Popularität mit Relevanz. Sie zeigen uns auch immer mehr dessen, was uns jetzt schon gefällt. Diese Dienste erfassen unser Verhalten und passen unsere Newsfeeds, die Meldungen, Bilder und Videos ganz präzise an das an, was wir ihrer Ansicht nach mit größter Wahrscheinlichkeit sehen wollen. …

Der Stream ist die dominante Art der Informationsorganisation in den digitalen Medien. Er steckt in jedem sozialen Netzwerk, in jeder App. …

via Social Media: Das Internet, das wir bewahren müssen | ZEIT ONLINE.

Eine Analyse des Streams. Da schlage ich natürlich die Brücke auch ins Berufliche, wo wir den Stream – bei allen Herausforderungen – bewusst propagieren. Dort soll er die Arbeit erleichtern, da er alle notwendigen Informationen und Aufgaben (zumindest theoretisch) zusammenführt. Aber gibt es ihn überhaupt, den einen Stream? Derzeit kämpfen die meisten Anwender beruflich (und wohl auch privat) mit zu vielen Streams, zu vielen Kanälen, über die sie Informationen, Kommunikation und Aufgaben bekommen.

Schlimmer noch als beobachtet zu werden, ist es, kontrolliert zu werden. Wenn Facebook dich anhand von 150 Likes besser kennt als deine Eltern, und mit nur 300 Likes mehr weiß als dein Ehepartner, dann wird die Welt vorhersagbar, für Regierungen gleichermaßen wie für Unternehmen. Und Vorhersagbarkeit heißt Kontrolle. …

via Social Media: Das Internet, das wir bewahren müssen | ZEIT ONLINE.

Ein Kernsatz: Vorhersehbarkeit heisst Kontrolle. Vorhersehbarkeit kann Kontrolle heissen, kann aber auch helfen und Kontext herstellen. Auch hier denke ich natürlich wieder an die berufliche Arbeit, wo Predictive Analytics bei der Arbeit helfen kann. Und ja, Unternehmen wollen gerne voraussehen, was der Kunde als nächstes tun wird, was er mag und kauft. Die Linie zwischen dem gläsernen Webanwender, potentieller Manipulation und gewollter Arbeitserleichterung oder gewollten Empfehlungen ist extrem dünn.

In sozialen Netzwerken findet sich immer weniger Text zum Lesen, dafür umso mehr Videos und Bilder. Beobachten wir den Niedergang des Lesens zugunsten des Sehens und Hörens im Netz? …

Der Stream, mobile Apps und Bewegtbild, all das zeigt, dass wir uns von einem Bücherinternet hin zu einem Fernsehinternet bewegen. Wir scheinen uns von einer nicht-linearen Art der Kommunikation – Knoten, Netzwerke und Links – hin zu einer linearen mit Zentralisierung und Hierarchien bewegt zu haben. …

via Social Media: Das Internet, das wir bewahren müssen | ZEIT ONLINE.

Tja, der Trend weg vom Text hin zu kurzen multimedialen Informationsbruchstücken ist unübersehbar und auch wohl unaufhaltsam. Ich sehe auch an mir, dass ich (zumindest bei Fachartikeln) ellenlange Texte und Beiträge über x Seiten nicht mehr mag und eher knappere, präzise Texte mag, die online auch besser lesbar sind. Im Fernsehinternet bin ich noch nicht angekommen. Lesen ist für mich bequemer denn Hören und Sehen. Aber ich  bin ja auch quasi Silversurfer …

Und ja, lieber Hossein, das Netz sollte ein Netz bleiben, nicht immer vorhersehbar und kontrollierbar, etwas chaotisch, aber innovativ, für Überraschungen und Querverbindungen gut. Und da finde ich imme rnoch diesen Cartoon von Ute Hamelmann einfach treffend:


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[DE] Netz der Fremden statt Heimat der feurigen Debatte

30. September 2014 Posted by Stefan Pfeiffer

Das Netz – eingefrorene Kommunikationskanäle statt feuriger Debatte?

Lesenswert ist er auf jeden Fall, der Beitrag von Mathias Müller von Blumencron in der FAZ. Hier “meine” Kernauszüge”:

Bürger, Wähler sind in der Regel keine Fachleute, und sie müssen es nicht sein. Sie nutzen Filter, die für sie das Weltgeschehen sortieren, analysieren, kommentieren. Filter können Medien sein. Die waren über Jahrzehnte die wichtigsten Initiatoren informierter Diskurse.

Ein ebenso bedeutender Filter sind die Empfehlungen und Ansichten der Nächsten, der Familie, der Freunde. Sie beruhen allerdings nicht immer auf großem Fachwissen. Deshalb haben Medien, bei aller Anfälligkeit für Fehlleistungen, in demokratischen Gesellschaften eine konstituierende Bedeutung: als Vermittler zwischen Fachleuten und Laien, zwischen Politik und Gesellschaft …

Doch seit einigen Jahren wählen immer mehr Leute Informationswege jenseits der klassischen Medien. Sie konfigurieren sich Informationsströme – in der Mehrheit nicht nach Sachthemen, sondern nach Personen. Der persönliche Newsfeed … ist für immer mehr Nutzer der zentrale Informationsstrom, … Doch die Reihung willkürlich zusammengesuchter Texte zu subjektiven Informationsströmen führt zur Einseitigkeit. Genauso wie im richtigen Leben gruppieren sich die Leute im Netz um ihresgleichen: Heimat ist nicht der Platz der feurigen Debatte, Heimat ist die Geborgenheit unter Gleichdenkenden.

Dabei war es ein Teil des Traums, dass die sozialen Medien, diese Meisterwerke der Kommunikationstechnologie, den Schweigsamen eine Stimme geben, den Unterdrückten eine Möglichkeit zum Protest verschaffen, …

Der Schwarm werde es richten, sagen unverdrossen die Optimisten. Die Menschheit sei ja nun vereint durch das eine Medium. Doch den Schwarm gibt es nicht. Es gibt nur Schwärme. Die schwimmen selbstbewusst durch die Weiten der digitalen Sphären. Nur begegnen sie sich seltener, verlernen langsam die gemeinsame Sprache.

via Cyberwelt: Das Netz der Fremden – Denk ich an Deutschland – FAZ.

Ich kann dem nicht ganz folgen. Das Netz – ich benutze den Begriff einfach mal so, obwohl man das sicher näher definieren müsste – hat auf jeden Fall neue Reichweiten und Möglichkeiten geschaffen, sich unabhängig von klassischen Medien zu gruppieren oder zu informieren. Doch nicht erst seit dem Netz haben sich Gleichgesinnte gesammelt und oft nur “ihre” Meinung zugelassen, nur ihre Publikationen und Medien gelesen und gehört. Ignoranz und Intoleranz sind nicht mit oder durch das Netz entstanden.

Bei aller Sympathie für unabhängige Medien: Wurde nicht das Netz und seine Mechanismen von vielen der klassischen Medien schlicht verschlafen? Von wegen Vermittlung zwischen Fachleuten und Laien: Wieviele Bürger haben denn die klassischen Medien noch erreicht bzw. erreichen sie noch? Ja, das Netz wird auch von Fanatikern und Radikalen missbraucht. Ja, sogar demokratische Regierungen haben abgehört, hören ab und verletzen die Rechte des Einzelnen.

ABER: Das Netz ist eine nicht aufzuhaltende Transparenzmaschine, NSA hin, Blockadeversuche her. Der arabische Frühling wäre nie ohne das Netz möglich gewesen – mit allen Konsequenzen, mit denen wir jetzt zu kämpfen haben. Das Netz und die damit erzeugte Öffentlichkeit ist die stärkste Waffe für Unterdrückte. Ja, wir brauchen dort mehr Diskurs, Quailität und Inhalte, weniger Propaganda und Infiltration. Vermittler, nicht Fanatiker sind gefragt. Aber das Glas ist nicht halb leer. Es ist mindestens halb voll.


Filed under: Deutsch Tagged: Internet, Netz, Politik

[DE] Statt Social-Media-Skepsis müssen Politik und Eliten Akzeptanz für gesellschaftliche Veränderung vorleben

26. November 2013 Posted by Stefan Pfeiffer

Ein hervorragender Beitrag von Michael Bechtel, dem ich nur zustimmen kann. Wir müssen gestalten, nicht verweigern.

Software an sich macht Kommunikation und Kooperation nicht besser, die Menschen müssen das mit Hilfe der Software tun. … Menschen, die sich an ihre E-Mail-Kommunikation klammern und gegenüber jeder Form von Web-2.0-Plattformen fremdeln, werden das nicht umsetzen. Das bekamen alle Unternehmen zu spüren, die als Vorreiter Social-Media-Plattformen einführten. Die Blockade beginnt bereits im Management, wo die Angst vor Kontroll- und Machtverlust umgeht. Und die Masse der Mitarbeiter lässt weder gern von alten Gewohnheiten noch sieht sie ein, sich den Risiken einer Dialogkommunikation auszusetzen, der sich die Chefs entziehen.

Die Menschen müssen Veränderung wollen

Enterprise 2.0 entsteht nicht schon dadurch, dass im Unternehmen Web 2.0 Werkzeuge verfügbar sind. Die ist bisher nicht in Sicht. Nicht nur die netzaffinen Führungskräfte der nächsten Generation sind für den Kulturwandel notwendig, sondern auch die Fachkräfte, die nicht mühsam auf den Gebrauch einer unternehmensinternen Social-Media-Plattform gedrillt werden müssen, sondern Lebenserfahrung aus dem eigenen Umgang mit dem Netz bereits mitbringen und den Nutzen sehen. Gewiss kann das die Politik nicht alleine richten, aber gefragt ist sie doch. Politiker, denen beim Thema Internet zwanghaft nur Vorratsdatenspeicherung und Überwachung einfällt, tragen Mitschuld an der negativen Einstellung. Da helfen dann auch Ausbaupläne für das Netz nicht. Auch 100 Gbit/sec am Rechner des letzten Deutschen würden nicht den Durchbruch bringen, solange Politik und Eliten nicht die Akzeptanz für die gesellschaftliche Veränderung vorleben, die mit dem Web 2.0 einher gehen.

via Schlagworte: Social-Media-Skepsis bremst Innovation in den Unternehmen.


Filed under: Deutsch Tagged: ChangeManagement, e20, Netz, Politik, SocBiz

[DE] Die Deutschen und das Netz: “Neuland” gestalten …

3. Juli 2013 Posted by StefanP.

Das Internet ist für die Politik – quer durch alle Kontinente und Länder und quer durch alle Systeme – ein willkommenes Kontroll-Tool, im übrigen aber ein Störfall. Das Internet macht Politik anstrengend. Die Selbstorganisationskräfte sind riesig, das Kommunikationspotential auch für politische Inhalte unendlich. Die Dynamik, die das Internet politisch entfalten kann, hat es nicht erst im arabischen Frühling oder zuletzt in der Türkei bewiesen. Eine Dynamik, die viele Politiker in ihrer digitalen Inkompetenz oft peinlich lächerlich hat erscheinen lassen; zuletzt Angela Merkel mit ihrer “Neuland”-Bemerkung bei Obamas Besuch.
Die schlimmste Bedrohung der politischen Klasse – … – ist die Transparenz, die das Internet bietet. … Und Initiativen per Internet sind viel zu schnell und quecksilbrig, um der Politik eine Chance zu geben, auch nur halbwegs zeitnah angemessen reagieren zu können.
So dumm, wie man die Politik gerne darstellt, ist sie aber nicht. Sie weiß, dass sie das Internet nicht mehr loswerden kann. Dazu hat es sich zu sehr als positiver Wirtschaftsfaktor, als sensationeller Produktivitäts-Multiplikator und als Echtzeit-Kommunikationstool bewährt. Die Büchse der Pandora ist geöffnet und lässt sich nicht mehr schließen. …
… Die wirksamste Waffe gegen das Internet ist wohl, es umfassend – und nachhaltig (hier passt die Politphrase) in Misskredit zu bringen. Und was eignet sich besser dafür, als es als allgegenwärtige Überwachungskrake jenseits aller Negativszenarien (Orwells “1984″ u.v.a.) zu desavouieren?

Michael Konitzer auf Carta.info: Die Dekonstruktion des Internets

An dieser Analyse ist viel dran. Wenn ich sehe, wie viele sich aus Angst in meinem Bekanntenkreis schon heute dem Netz verweigern. Sehr oft sind es unter meine Bekannten gerade Lehrer, die Angst vor Mobbing im Netz haben … Vorfälle wie Prism potenzieren noch die 1984er Vorbehalte und verstärken die Verweigerungshaltung beziehungsweise die negative Grundeinstellung zum Netz. Ob Merkel und Konsorten einfach darauf setzen, dass die breite Wählermasse eh skeptisch gegenüber dem Netz eingestellt ist, dies in der Tat noch immer “Neuland” für sie ist und diese Themen eh nicht wahlentscheidend sind?

Demgenüber steht die Wahlkampfstrategie eines Obama, der durch den gezielten Einsatz des sozialen Netzes wohl die entscheidenden Wählerstimmen geholt hat. Aber vielleicht sind wir in der Nutzung und Akzeptanz des Netzes einfach noch nicht so weit wie die USA. Das eigentliche Problem ist, dass wir uns in Deutschland jenseits einer kleinen Netzelite einfach noch nicht konstruktiv und genug mit dem Netz auseinandersetzen. Die Betonung liegt auf nicht verweigernd, sondern auf konstruktiv, analytisch, gestaltend, über den Tellerrand einer nur piratisierenden Netzsplittergruppe hinaus blickend.


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