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Digitale Veganer? Realistischer ist es, dass wir auf Diät gehen

19. Februar 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Die Zahl der digitalen Veganer nimmt scheinbar zu, Digitale Veganer sind diejenigen, die ohne Lösungen der Technologieriesen Amazon, Apple, Facebook, Google und Microsoft leben wollen. Sie nutzen Technologie, aber eben nicht Lösungen von „bösen“ Anbietern. Eine große Herausforderung, wie Kashmir Hill in ihrem Selbstversuch feststellen musste. Manchmal fühlte sie sich amputiert, als ob ein Körperteil fehlt. Und es ist extrem schwierig, denn die Technologien besagter Unternehmen sind überall, oft kaum sichtbar im Hintergrund.

Man glaubt, die „richtige“ und „saubere“ Lösung zu nutzen und dann stellt man fest, dass der Open Source-Messenger Signal oder auch die oft empfohlene Suchmaschine DuckDuckGo auf Amazon Web Services laufen. Oder aber im eigenen Auto läuft für uns kaum sichtbar Software von Microsoft oder Google. Gute Beispiele, wie schwer es ist, besagte Riesen zu bemerken und zu vermeiden.

Und die ganz strikten, digitalen Veganer in Europa wollen oft auch keine Software und Lösungen nutzen, die aus den USA stammen oder dort laufen: „Signals Server stehen in den USA = No GO!“ So lautete eine Antwort auf meinen Beitrag zur Nutzung von Signal. US-Unternehmen unterlägen amerikanischem Recht und Gerichte könnten die Anbieter zwingen, Schlüssel und Daten herauszugeben. Die Schatten von FBI, NSA, CIA und Co. werden vielleicht sogar zu Recht heraufbeschworen.

Digitale Veganer verteidigen und promoten Alternativen, doch sie haben oft den Geruch der Kommandozeilen-Befehle und schwieriger Bedienung. Das beste Beispiel ist Linux versus Windows am Arbeitsplatzrechner oder aber auch die Diskussion, ob man Libre Office oder Microsoft Office nehmen soll. Und was sind die leicht nutzbaren Alternativen, wenn es kein iPhone und kein Android-Smartphone sein soll?

Die Widerstände vieler Nutzer/innen sind groß, denn man ist die Lösungen besagter Riesen gewohnt, aus der Schule von klein an. Microsoft-Software bereits in der Schule ist ein gutes Beispiel. Oder wenn sich das eigene Kind schon in zartem Alter an Alexa gewöhnt, ist eine Entwöhnung im Nachhinein schwierig. Es ist ja so bequem und gewohnt.

Oft gibt es scheinbar keine Alternativen: „All meine Freunde sind auf Facebook und WhatsApp.“ Deshalb werden Nachteile in Kauf genommen, nicht wahrgenommen oder klein geredet. „Ich habe doch nichts zu verbergen“. Wie oft hört man diesen Satz selbst von intelligenten, aufgeklärten Bürger/innen? Die Datenkraken und Monopolisten haben (oft geschlossene) Ökosysteme geschaffen, aus denen normale Anwender/innen nur schwer ausbrechen können oder wollen. Oder sie operieren wie geschrieben unbemerkt im Hintergrund.

Doch das Misstrauen nimmt derzeit gerade auch in den USA zu, wo lange Jahre eher Ignoranz in punkto Datenschutz herrschte. Plötzlich werden unter dem Hashtag Techlash aber mögliche Wahlmanipulationen genauso diskutiert wie die Vermarktung der persönlichen Daten der Surfer/innen. Es wird spannend sein, zu beobachten, wohin dies gerade in den USA führen wird.

Doch seien wir realistisch. Zu digitalen Veganern wird die Mehrheit der Bevölkerung nicht werden. Wir alle werden wohl gar nicht komplett vegan leben können, denn besagte Unternehmen sind unterdessen nahezu unvermeidbar geworden. Jedoch glaube ich, dass wir stattdessen eine digitale Diät anstreben sollten. Was heißt das? Wir vermeiden die Lösungen von Amazon, Facebook, Google und Microsoft, wo wir es können. Und wir machen auch Kompromisse, denn in den USA gehostete Lösungen wie Signal oder DuckDuckGo sind immer noch besser als ein WhatsApp oder ein Facebook Messenger respektive Google.

Schon dies erfordert viel bewusstes Handeln, um das eigene digitale Ich zu ändern. Doch es geht, wenn man sich bewusst für gangbare Alternativen entscheidet, bei denen man eben keine großen Verluste an Bequemlichkeit wahrnimmt. Und es fordert viel Aufklärungs- und Überzeugungsarbeit, um auch diejenigen nach und nach aufzuklären, die nicht täglich in der Welt der modernen IT und Digitalisierung daheim sind. Mir sind aber immer mehr Anwender/-innen lieber, die in digitaler Diät leben, denn eine vernachlässigbare Zahl digitaler Veganer.

P.S. Zum Ende noch ein persönliches Outing: Wir leben privat in einer Apple-dominierten Welt. Diesen Kompromiss sind wir eingegangen. Da sind wir bequem.

(Stefan Pfeiffer)

Lesezeichen: Die US-amerikanischen Antitrust-Gesetze genügen heute nicht mehr

5. Februar 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Heute nochmals ein Lesezeichen nicht nur für meinen Freund Gunnar Sohn. Antonio Garcia-Martinez hat im November auf Wired nochmals das Antitrust-Verfahren gegen Microsoft dokumentiert. Lehrreich, wie sich der heute so großherzige Bill Gates mit seinem Baby Microsoft verhalten hat. Ein Lehrstück für die heutigen Überlegungen und Diskussionen, Facebook und vielleicht auch andere US-High-Tech-Monopolisten zu zerschlagen.

Ja, die Welt hat sich geändert. Unterdessen haben wir nicht mehr nur Microsoft, das den IT-Markt beherrscht. Wir haben die „Big Five“ – ich zitiere die Analogie von Kashmir Hill – mit Amazon, Apple, Facebook, Google und weiter Microsoft. Jeder Gigant beherrscht mehr oder weniger monopolistisch ein Segment. Pluralismus also? Na ja, eher noch schlimmer mit einer noch größeren Abhängigkeit und Chancenlosigkeit für potentielle neue Wettbewerber.

Für mich aber die Kernaussage von Antonio Garcia-Martinez: Die US-amerikanischen Antitrust-Gesetze des industriellen Zeitalters genügen nicht, um den heutigen monopolistischen Datenkraken und Tech-Konzernen zu begegnen:

Today’s titans tower over their kingdoms, secure behind their walls of user data and benefiting from extreme network effects that make serious competition from startups nearly impossible. US antitrust laws, written in the industrial age, don’t capture many of the new realities and potential dangers of these vast data empires.

über What Microsoft’s Antitrust Case Teaches Us About Silicon Valley | WIRED

Facebook, Google & Co: Die Gesetzeskeule alleine wird es nicht richten – Wir brauchen europäische Alternativen

4. Februar 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Allenthalben starke Worte angesichts der letzten Ankündigungen von Facebook, Instagram, WhatsApp und Facebook auf einer Messenger-Plattform zu vereinigen und der „Spionage App“ auf iPhones. Heribert Prantl, Mitglied der Chefredaktion der Süddeutschen Zeitung, fordert eine Zerschlagung nicht nur von Facebook, sondern gleich auch von  Amazon, Apple, Google und Microsoft. Die EU-Fusionskontrolle müsse aktiv werden. Hatten wir auch kürzlich schon bei #9vor9 diskutiert. Auch Bundesverbraucherschutzministerin  Katarina Barley stößt in dieses Horn und wird bei Jörg Schieb wie folgt zitiert: „Die EU hat ein scharfes Wettbewerbsrecht und seit einem halben Jahr auch ein starkes Datenschutzrecht …. Dieses Recht werden wir gegenüber Datenmonopolisten konsequent durchsetzen.“

Eine angekündigte Entscheidung des Bundeskartellamts gegen oder wegen Facebook steht zudem noch aus. Andreas Mundt betont, dass man eine Entscheidung auch durchsetzen könne. Und klar bin ich auch bei Jörg Schieb, der in seinem Beitrag nicht nur das von Zuckerberg gebrochene Versprechen gegenüber Anwendern und Kartellbehörden, die 3 Plattformen nicht zusammen zu legen, und auch die potentiellen Folgen für die Konsumenten darlegt. Korrekt bemerkt er, dass eine Zerschlagung nur in den USA geht. Die EU müsste mit anderen Mitteln reagieren. Und mit viel Sympathie unterstütze ich seine Idee und Forderung, dass Facebook die Schnittstellen seiner Messenger öffnen solle, damit man von beliebigen anderen Produkten wie Signal, Threema oder Telegram mit WhatsApp natürlich verschlüsselt und von Facebook abhörfrei kommunizieren könne.

Die Aufregung ist also gerade wieder einmal überall groß. Ob sie manchmal nur tagesaktuell frei nach Bruno Labbadia hochsterilisiert wird? Mir fehlt der Glaube, dass entsprechend durchschlagende gesetzliche Maßnahmen in Deutschland oder von der EU umgesetzt werden. Die Politik scheint lieber mit den Vertretern besagter Unternehmen Häppchen zu essen und die Lobbyisten von Microsoft, Google & Co verrichten ganz offensichtlich in Sinne ihrer Auftraggeber erfolgreiche Arbeit. Dass „drüben“ die FTC, die Federal Trade Commission, oder andere US-amerikanische Institutionen gerade bei all diesen US-Firmen aktiv werden und sie alle zerschlagen, wage ich zudem zu bezweifeln. Make America great again

Zudem werden gesetzliche Maßnahmen alleine nicht genügen. Ich bin der festen Überzeugung, dass parallel europäische Initiativen gestartet und finanziert werden müssten, um ein Gegengewicht zu den genannten Konzernen aufzubauen. Doch nutzen vollmundige Sonntagsreden und sich erst mal gut anhörende, aber plakative Forderungen wie die eines Peter Altmaiers nach einem europäischen KI-Konzern à la Airbus nur wenig. Die Privatwirtschaft scheint sich ganz offensichtlich nicht entsprechend engagieren zu wollen, solange nicht entsprechende staatliche Mittel fließen.

Zudem stellen Skeptiker nicht nur die generellen Erfolgsaussichten eines solchen Airbus-Konstrukts infrage, sondern bezweifeln zudem, dass man US-Amerikanern und Chinesen überhaupt noch Paroli bieten könne. In der Forschung sieht die deutsche KI-Ikone Professor Wolfgang Wahlster Deutschland und Europa noch ganz vorne: „Ja, wir haben eine exzellente KI-Forschung in Deutschland – auf Augenhöhe mit Amerika und Asien. Wir sind mit unseren Exportschlagern der deutschen Wirtschaft auch im Mittelstand für den KI-Einsatz im Internet der Dinge sehr gut gerüstet.“ Allein wo sind die europäischen Player? Es geht nicht im um ein Schlechtreden der KI-Forschung in Deutschland, wie es Gunnar Sohn schreibt. Reine Forschung wird nicht genügen, solange es keine entsprechenden europäischen Unternehmen gibt, die diese Forschung auch verwerten. Das sind aber die Akzente, die gesetzt werden müssen.

Carsten Knop wart in seinem Kommentar in der FAZ davor, „mit viel Geld das nachzubauen, was andere schon haben“. Es seien bessere Ideen notwendig. Da muss ich beispielsweise an die Forderung von Michael Seemann denken, sich als EU als Plattformbetreiber für Open Source-basierte Lösungen zu positionieren, um so wirkliche Alternativen zu den besagten Monopolisten und Datenkraken zu etablieren. „Die europäische Antwort auf den chinesischen oder kalifornischen Datenzentralismus muss eine andere sein. Wahlfreiheit, Wettbewerb, verteilte Innovation,“ denkt Carsten Knop in eine ähnliche Richtung.

Doch was muss geschehen, damit Europa endlich Gas gibt (falls es nicht eh schon zu spät ist)? Entsprechende gesetzliche Regelungen, wie mit Daten verfahren werden darf, sind die eine Seite. Doch das wird nicht genügen. Solange es keinen Marschall-Plan für Informationstechnologie in und für Europa gibt, solange sich nicht die europäischen Regierungen und Verwaltungen hinter eine europäische IT Plattform stellen, dort investieren und kritische Masse schaffen, wird nichts oder nur sehr wenig passieren. Und Facebook, Google, Microsoft, Amazon & Co werden sich weiter Datenmissbrauch und Skandale leisten können und dabei noch Rekordergebnisse verbuchen frei nach dem Motto:

Legal? Illegal? Scheissegal!

(Stefan Pfeiffer)