Führung im Social
Business: „Der Abstand in der Vertikale wird geringer"
Immer
mehr Unternehmen in Deutschland haben mit der Transformation in ein
Social Business begonnen. Soziale Netzwerke und Tools wie Team-Rooms,
Blogs, Wikis oder Profile verändern die Art und Weise der
Zusammenarbeit drastisch. Was diese Veränderung für Führungskräfte
bedeutet, habe ich meinen Kollegen Ivo Körner, VP Software Group bei
der IBM Deutschland, gefragt.
Maria
Gomez: Deutsche Unternehmen wie Bosch, Continental oder Bayer
drücken auf ihrem Weg ins Social Business mächtig aufs Gas. Was
verändert sich hier für die Mitarbeiter ganz konkret in ihrer
täglichen Arbeit?
Ivo
Körner: Vor allem können sie sehr viel produktiver arbeiten.
Klassische Zeitdiebe wie E-Mails, Telefonkonferenzen oder das
Handling von Dokument-Versionen werden sie sehr viel weniger
belästigen. Das ist aber nur ein Aspekt der Transformation. Ein
anderer betrifft die gesamte Arbeitskultur. Bislang war Arbeiten ein
lineares Abarbeiten einzelner, von den Vorgesetzten geschnürter
Arbeitspakete. Jeder Mitarbeiter hatte eine ganz bestimmte Vorgabe zu
erfüllen. Dieser starre Prozess wird in einem Social Business
aufgeweicht, genauso wie die alten hierarchischen Strukturen in
Abteilungen. Denn mit der Facebookisierung ziehen auch die Regeln des
Mitmach-Netzes in die Unternehmen ein. Aufgaben werden nicht mehr
stillschweigend erledigt, sondern gemeinschaftlich und im stetigen
Dialog mit der Community. Zugleich werden die Aufgaben sehr viel
stärker in Form von Projekten organisiert, für die sich spezielle
Teams zusammenfinden und nach erfolgreicher Erledigung wieder
auseinander gehen. Für die Mitarbeiter bedeutet das sicherlich eine
enorme Umstellung, aber zugleich wird der Job dadurch
abwechslungsreicher und eigenverantwortlicher und damit auch
attraktiver für diejenigen, die es nicht mehr anders kennen, sprich:
die Digital Natives.
Maria Gomez:Welche
Rolle spielt die Führungsperson angesichts dieser Veränderung? Was
ändert sich im Verhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeiter?
Ivo Körner: Der
Abstand in der Vertikale wird geringer, die Zusammenarbeit zwischen
Führungskraft und Mitarbeiter geschieht mehr und mehr auf Augenhöhe.
Führungskräfte müssen in viel stärkerem Maße als zuvor
Team-Player sein -- das ist ein entscheidender Unterschied zu den
alten Verhältnissen. Führungsqualitäten werden sehr viel weniger
an äußeren Symbolen festgemacht, sondern an der Sachkompetenz und
an sozialen Kriterien wie Teamfähigkeit und Kommunikationsstil. Von
beiden Seiten wird ein Stück weit erwartet, Teile des jeweils
anderen Rollenmusters zu übernehmen: Die Führungskraft muss
kritikfähig und offen sein. Der Mitarbeiter arbeitet hingegen viel
eigenständiger, muss aber zugleich seine Arbeitsergebnisse
transparenter und messbarer machen und dafür einstehen.
Maria Gomez: Besteht
damit nicht die Gefahr, dass Führungskräfte ihre Verantwortung ans
Team delegieren? Wie gestaltet sich die Rolle einer Führungskraft
2.0 genau?
Ivo Körner: Führungskräfte
sollten vor allem das machen, was eigentlich ihre natürliche Rolle
ist: mit gutem Beispiel vorangehen, also: Leading by example. Viele
Nicht-Digital-Natives unter den Managern müssen daher lernen, sich
geschickt in dieser neuen Welt zu bewegen. Auch ich habe mir viele
Fertigkeiten aneignen müssen. Die Kommunikation über unseren
Instant Messaging Dienst IBM Sametime zum Beispiel ist oftmals viel
effizienter als Mailen. Die Anzahl meiner Emails hat sich um etwa 60
Prozent reduziert, ich nutze sie fast nur noch für Formales wie
offizielle Anweisungen. Aber wichtiger als der Umgang mit den Tools
ist die Akzeptanz neuer Rolleneigenschaften: Die Führungskraft ist
heute eher Moderator als Boss, also einer, der Entwicklungen
einschätzen kann, auch wenn andere im Detail, gerade in Sachen
digitaler Zusammenarbeit, vielleicht mehr wissen. Die inhaltliche
Führung wird sich von formaler Führung abkoppeln. Das bedeutet aber
nicht, dass die Führungskraft am Ende ihre Verantwortung
weg-delegieren kann. Und deswegen hat sie natürlich auch nach wie
vor das Recht auf souveränes Entscheiden.