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Digitalabgabe, Community-Journalismus, Fake News und lahmgelegte Kreisverwaltung bei #9vor9

13. Juli 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Kurz vor der Sommerpause, die wir wie viele andere prominentere Talksshows einlegen, haben Lars und ich heute einen bunten Strauss an Themen behandelt. Nachgelegt zum Thema Cybersecurity – man erinnere sich an die vorhergehende Sendung – haben wir mit Katastrophenfall ausgelöst durch einen Hackerangriff im Landkreis Anhalt-Bitterfeld. Dort musste die Verwaltung ihre Arbeit weitgehend einstellen. Das Thema Sicherheit bleibt … sicher und wird uns alle beschäftigen, vor allem, wo gerade auch die öffentliche Verwaltung nicht gerade die besten Noten in puncto Security ausgestellt bekommt.

Das Thema Community-Journalismus brachte dann Lars auf die Agenda. Anlass ist die Etablierung des Begriffs durch den Medienjournalisten Peter Turi, der in einem Artikel und einer Podcast-Episode das Thema erklärt.

Was ist Community-Journalismus, und wie unterscheidet er sich vom traditionellen Journalismus? Ziel des Community-Journalismus ist es, eine klar definierten Zielgruppe dauerhaft mit nachhaltigen Angeboten zu informieren, inspirieren und zur Kommunikation zu verleiten. Im Community-Journalismus, wie wir bei turi2 ihn verstehen, sind alle nicht nachhaltigen und exkludierenden Methoden verboten – vor allem Clickbaiting und Paid-Content-Teasing. Das heißt: Wir locken niemanden mit übergeigten Überschriften, wir lehnen jede Form von Clickbaiting ab, wir emotionalisieren nicht, wir erklären niemandem, wie er die Welt zu sehen hat, wir legen keine Inhalte hinter Bezahlschranken, wir drängen niemanden, Abos abzuschließen, uns Geld oder Daten zu spenden.

Die Journalistin* der Zukunft baut der Community eine Bühne (* Männer sind mitgemeint) – Peter Turi in Der Journalist

Starke Statements und Versprechen und sicherlich eine nützliche Anregung gerade für Communities, vielleicht besonders in der lokalen Berichterstattung oder Journalismus für bestimmte Interessengebiete, also eine spitze Zielgruppe. Beim Stichwort übergeigte Überschriften und Emotionalisierung mussten wir beide natürlich an BILD denken, die dies seit Jahrzehnten bewusst auch mit klarer politischer Motivation betreiben. Ich habe dann noch mal nachgeschaut: Günter Wallraff hat sein erstes BILD-Buch Der Aufmacher. Der Mann, der bei „Bild“ Hans Esser war 1977 veröffentlicht. An vielen Methoden hat sich nichts geändert und BILD hat weiterhin eine breite Leserschaft, die sich durch diese Art des Journalismus berieseln, gar manipulieren lässt.

Die Idee, im und durch einen qualitativ hochwertigen Journalismus Communities zu bilden, halte ich als jemand der sich mit Communities und Community Management in anderen Bereichen auseinandergesetzt hast, für hoch interessant. Wie Lars berichtet, geht DIE ZEIT wohl sehr bewusst in diese Richtung, war mir nicht bewusst. Neben der Aktivierung von Communities halte ich Qualitätsjournalismus weiterhin für extrem wichtig. Noch wichtiger ist es, Medien- und Nachrichtenkompetenz zu vermitteln. Gerade in Zeiten immer größer werdender Informationsflut über soziale Medien, Streamingdienste und klassische Kanäle ist es wichtig, Fake News erkennen und bewerten zu können. Eine Aufklärungsaufgabe übrigens nicht nur für die Generation Z, über die heise hier berichtet.

Zum Schluss der heutigen Episode gehen wir noch kurz auf die angedachte, weltweite Digitalabgabe für Unternehmen ein, die während eines G20-Finanzministertreffens in Venedig beschlossen wurde…und wenig später wieder wohl auf Druck der USA verschoben und relativiert wurde. Im Visier waren bei der Mindeststeuer natürlich vor allem die großen Digitalkonzerne Amazon. Apple, Google, Facebook und Co. Der Rächer der Enterbten und Supersteuerheld Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ist sich weiter „vollkommen sicher“, dass sich die G-20-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Gipfeltreffen im Oktober einigen werden. Ich hoffe, es kommt zu dieser Steuer. Das Thema wird uns begleiten und wir laden dazu sicher noch einmal jemanden ein, der sich damit besser auskennt.

Viel Spaß beim Zuschauen und Hören und einen schönen Sommer! Wir sind dann wahrscheinlich wieder am 10. August on air und berichten nicht nur über unsere Ferien- und Urlaubserlebnisse!


#9vor9 – Digitalthemen der Woche erscheinen auch immer als Podcast unter https://9vor9.podigee.io/ und sind natürlich über die gängigen Podcast-Plattformen abrufbar.

Kurz kuratiert nach Halle: Zu Killerspieldebatten und notwendiger digitaler Zivilcourage

16. Oktober 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Einige aus meiner Sicht bemerkenswerte Zitate nach dem Anschlag in Halle. Sonja Peteranderl schreibt auf Spiegel Online im Netzwelt-Newsletter:

Das Beispiel zeigt, wie schnell jede Plattform – ob Spieleportal, Livestream-Dienst, soziales Netzwerk oder eben eine Bewertungsseite – für Hetze und Hass missbraucht werden kann, wenn sie schlecht oder nicht moderiert wird. …

Je mehr Nutzer Beiträge bei den Plattformbetreibern melden und online gegen Hass angehen, desto höher ist die Chance, dass die Beiträge möglichst schnell entfernt werden. Auch digitale Zivilcourage entscheidet mit, wie viel Raum Hass im Netz erhält.

über Anschlag in Halle: Digitale Zivilcourage beginnt beim Dönerimbiss – SPIEGEL ONLINE

Und Lisa Hegemann kommentiert auf Zeit Online unter dem Titel Nicht schon wieder die Killerspieldebatte:

Und ja, man darf sich nicht gleich der Diskussion darüber verschließen, dass auch rechtsradikale Gruppen Games für ihre Zwecke nutzen. …

Doch deswegen gleich alle, die Computerspiele spielen, unter Generalverdacht stellen und sie mit mörderischen Terroristen gleichsetzen? Das ist Unsinn. … Man kann es nicht oft genug schreiben: Korrelation ist nicht Kausalität.

über Attentat in Halle: Nicht schon wieder die Killerspieldebatte | ZEIT ONLINE

Dazu der auch viel zitierte Tweet von SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil:

Markus Reuter schreibt auf netzpolitik.org:

Und warum erweisen etablierte Medien, allen voran die Bild-Zeitung, dem Attentäter einen Dienst und verbreiten seine Bilder? Während der Livestream auf der Gaming-Plattform Twitch laut Aussage des Unternehmens fünf Menschen erreichte, die Aufzeichnung später von 2.200 gesehen wurde, spielt die Bild-Zeitung Millionen Menschen den vollen Namen, die Bilder und die Botschaften des Attentäters in die Newsfeeds und in die Zeitung.

über Antisemitischer Anschlag von Halle: Der Livestream ist nicht das Problem – netzpolitik.org

Er warnt vor einer Beschränkung des Livestreamings im Internet. Sie wäre eine reale Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit.

Laut heise online nimmt die CDU den Anschlag zum Anlass, ein umfangreiches Überwachungspaket fürs Internet zu schnüren. Der CDU-Bundesvorstand dränge auf eine Meldepflicht „strafrechtlich relevanter Fälle“ auf sozialen Netzen und Spieleplattformen sowie Vorratsdatenspeicherung.

Wir brauchen adäquate Möglichkeiten für Ermittlungen der Behörden im Darknet, bei der Überwachung von Messenger-Diensten, der Speicherung und Analyse relevanter Daten sowie bei Online-Durchsuchungen.

über Nach Halle-Attentat: CDU fordert umfangreiches Überwachungspaket fürs Internet | heise online

Der oben schon einmal zitierte Markus Reuter schreibt dazu unter der Überschrift Mehr Netzkompetenz für Ermittler statt Massenüberwachung:

Der Anschlag von Halle ist noch nicht einmal aufgeklärt, die Toten noch nicht unter der Erde, da werden die altbekannten Instrumente aus der Schublade geholt: Vorratsdatenspeicherung, Staatstrojaner, Verschlüsselung knacken, Messenger überwachen, politische Datenbanken anlegen und schärfere Gesetze sowieso. …

Egal was passiert, mehr Überwachung soll es richten. Jedes Mal.

über Mehr Netzkompetenz für Ermittler statt Massenüberwachung – netzpolitik.org

Sein Plädoyer:

Human Intelligence und die Wachsamkeit von familiären und freundschaftlichen Umfeldern können hier viel mehr leisten als irgendeine Massenüberwachung.

über Mehr Netzkompetenz für Ermittler statt Massenüberwachung – netzpolitik.org

(Stefan Pfeiffer)

 Bild von Maret Hosemann auf Pixabay