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Und ewig grüßt das Murmeltier: Vom Enterprise 2.0 zum Digital Workplace, die Herausforderungen sind die Gleichen

7. Oktober 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Am morgigen Dienstag, dem 8. Oktober 2019, stehe ich nachmittags in Berlin. mit den ECM-Ikonen Dr. Ulrich Kampffmeyer, Drs. Hanns Köhler-KrünerProf. Dr.-Ing. Manfred Leisenberg und Tim Hood auf der Bühne der DCX Digital Content Expo. Irgendwie konnte ich mich nicht wehren, obwohl ich ja schon geraume Zeit aus dem ECM-Geschäft raus bin und darauf einen durchaus kritischen Blick werfe, wie man ja auch diesem Artikel unter dem Titel Die wahre Welt des Content Management: Jeder Zweite mailt sich Dokumente zu – Durchschnittlich hat jeder 20.000 Dateien im Dateisystem und auf dem File Server entnehmen kann, den ich quasi zur Vorbereitung des Panels geschrieben habe.

Zum Panel passt dann auch der Beitrag von auf CMSWire:

ECMs have moved from a controlled monolithic repository model to an “accessible anywhere, anytime model,” compounded with a set of business-centric services which provide a seamless and secure information experience.

über 3 Ways End Users Think Upstart ECM Vendors Can Differentiate From Industry Stalwarts

Sie hebt in ihrem Beitrag auf drei Säulen für Content Management ab: Das altbekannte Thema des Managements von Metadaten und das absolut notwendige Training der Endanwender. Diesen Punkt würde ich sogar weiter treiben: Es geht um die Überzeugungsarbeit, die man bei der Einführung von Content Services leisten muss, um aus dem Content Chaos von E-Mail-Anhängen und lokal oder auf dem Server gespeicherten Dateien herauszukommen. Schließlich nennt sie noch als dritten Punkt das Thema Compliance beziehungsweise E-Discovery:

E-discovery audit trail entails tracking and managing files and file histories en masse for the purposes of legal proceedings.

über 3 Ways End Users Think Upstart ECM Vendors Can Differentiate From Industry Stalwarts

Und diese E-Discovery muss nicht nur Dokumenten und Dateien, sondern auch E-Mails, Instant Messaging, Datenbanken, Webseiten, ja alle elektronischen Informationen umfassen, die in einem Gerichtsfall eine Rolle spielen können. Eine nicht neue, aber immer noch aktuelle oder gar brisanter werdende Anforderung.

Die Grundfrage ist: Wie schaffen
wir es, dass eine E-Mail gar nicht
erst gesendet wird?
Drew Houston, Dropbox,
zitiert nach ZeitOnline

Auch wiederum passend zum Panel die Berichte über Dropbox und Box, zwei Anbieter, die nun schon geraume Zeit im Markt sind, und eher von der Anwenderseite her kommen. Dropbox hat gerade aktuell in der deutschen Presse durch den Auftritt von Drew Houston auf der Gründerkonferenz Bits & Prezles einige Coverage bekommen. Das Unternehmen hat Dropbox Spaces vorgestellt, einen smarten Arbeitsplatz für Teams. Natürlich auch hier enthalten: Funktionen der künstlichen Intelligenz, die Dokumente – gerade auch Images klassifizieren und die Arbeit personalisieren sollen.

Man erlaube mir einen kleinen Seitenhieb: Im Bericht der FAZ vom 5. Oktober w3ird hervorgehoben, dass man nun auch CAD-Dateien anschauen könne, ohne das CAD-Programm installiert zu haben. Wau-wau, welche eine Funktion, die wir sicher noch nie vorher in einem anderen Programm hatten. Laut FAZ-Bericht hat Houston auch keine Angst, zwischen den großen Cloudspeicher-Anbietern wie Microsoft, Google oder Amazon zerrieben zu werden. Die Dropbox-Kunden fokussierten auf die Funktionen zur Zusammenarbeit, nicht auf Speicher. Ein Schelm …

Box hat wiederum auf seiner Konferenz Boxworks ebenfalls Erweiterungen und Verbesserungen seines Angebots insbesondere im Bereich Sicherheit mit Box Shields und Automatisierung mit Box Relay bekannt gegeben. Der Box CEO Aaron Levie hebt dabei auf eine heterogene Welt mit vielen Anwendungen und Apps ab, und das trotz Office 365:

We are no longer in an era where you can buy all of your technology stack from one, or two, or three, or five vendors … We work with customers that have 50, or 100, or 200 applications in their enterprise …

über BoxWorks 19 – Connecting teams, content – and now apps – Phil Wainewright , diginomica

Klar, ein Anbieter wie Box muss sich im Best-of-Breed-Ansatz positionieren und hebt deshalb seine Integrationen mit Adobe, mit Slack und anderen Anbietern hervor. Auf dem Bild, das Phil Wainewright in seinem Artikel auf diginomica von der Boxworks 19 veröffentlicht hat, sieht man nicht umsonst Box, Slack, Zoom sowie Akta, daneben Simplify how we work.

Phil schließt seinen Beitrag mit folgender Schlussfolgerung:

There will be no single platform that offers a complete collaborative canvas. Instead each enterprise will stitch together their own unique best-of-breed combination. In aiming to support them in that endeavor, Box, Dropbox and Slack are all heading in the right direction — …

über BoxWorks 19 – Connecting teams, content – and now apps

Die Kolleginnen und Kollegen von Microsoft mögen das ganz anders sehen.

Schließen möchte ich als jemand, der sehr stark in der Collaboration-Ecke verwurzelt ist, mit einem Zitat von Barb Mosher Zinck schließen:

It’s not perfect, but the tools have advanced greatly. We need to focus on helping employees use those tools in the best way possible. And we aren’t done yet.

über From Enterprise 2.0 to the digital workplace – how far have we come?

Barb bezieht sich dann auf Gartner, lieber Hanns, die schreiben:

The Digital Workplace enables new, more effective ways of working; raises employee engagement and agility; and exploits consumer-oriented styles and technologies.

Ja, die Technologien haben sich seit der Enterprise 2.0-Diskussion geändert. Insbesondere die mobile Revolution, Smartphone und Tablets haben das Nutzerverhalten sicher revolutioniert. Jedoch haben sich andere Herausforderungen kaum verändert: Benutzerakzeptanz, Finden von Informationen und Compliance-Anforderungen. Diese Aspekte haben wir schon vor 20 Jahren diskutiert und eingefordert. Und ewig grüßt das Murmeltier.

(Stefan Pfeiffer)

Die wahre Welt des Content Management: Jeder Zweite mailt sich Dokumente zu – Durchschnittlich hat jeder 20.000 Dateien im Dateisystem und auf dem File Server

23. September 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

„Fast jeder Zweite mailt sich Dokumente, statt Cloud-Speicher zu nutzen“, so titelt Michael Kroker in seinem Beitrag vom 4. September 2019 im Blog auf Wiwo.de und stellt dort die Ergebnisse einer Studie des amerikanischen Softwareanbieters Citrix
vor. Dass viele sich noch selbst per E-Mail Dokumente zuschicken, kann ich im eigenen Umfeld nur bestätigen.

Selbst wenn Onlinespeicher wie iCloud oder Onedrive vorhanden sind, ist Otto Normalverbraucher:in noch immer nicht mit der Nutzung vertraut. Oder aber man traut „der Cloud“ nicht. Es muss also noch einfacher werden oder so voreingestellt sein, dass die Dateien und Dokumente automatisch dort landen und dann auch genutzt werden. Und hier schreibe ich gerade nur von Onlinespeichern, keinen klassischen Content Services wie Box oder Dropbox.

Und ja, in vielen Anwendungsfällen und Unternehmen müssen wir natürlich auch die Frage nach Datenschutz und Compliance stellen. Sollten, ja dürfen Dokumente im privaten Onlinespeicher ablegt oder an die private E-Mail geschickt werden? Sensible, geschäftsrelevante Dokumente aus dem Geschäfts- und Unternehmensumfeld gehören ganz sicher weder in private E-Mail-Postfächer noch auf private Festplatten oder Cloud-Speicher.

[Natürlich gibt es Unternehmen, die es nach dem Bring Your Own Device-Prinzip erlauben, auf privaten Geräten Unternehmendaten zu verarbeiten, aber dann sind diese Geräte in der Regel entsprechend „geschützt“, werden vom Unternehmen über Endpoint Management-Systemen kontrolliert. So etwas muss man als privater Besitzer der Geräte auch wollen und akzeptieren.]

Eine andere von Michael vorgestellte Studie der Aikux.com GmbH hat festgestellt, dass jeder PC-Nutzer in deutschen Unternehmen im Durchschnitt mehr als 20.000 Dateien im Dateisystem lokal und auf Servern abgelegt hat. Davon seien nur 15 Prozent relevant. Beim Rest handele es sich um „Dark Data – das heißt: mit unbekanntem Wert fürs Unternehmen – oder ROT-Data: Also redundant, obsolet oder trivial„. Hinzu kämen noch weitere Dateien, die unstrukturiert in Sharepoint, Cloud-Speichern oder Exchange-Postfächern lägen.

Content Management im Spannungsfeld  von Zusammenarbeit, Wissensmanagement, Automatisierung, Compliance … und Benutzerakzeptanz und -freundlichkeit

Dazu will die schon zitierte Citrix-Studie herausgefunden haben, dass erst 12 Prozent aller Beschäftigten am Arbeitsplatz Content Services wie Box, Dropbox oder SharePoint im Einsatz haben. Für mich erstaunlich, dass so wenige Unternehmen bereits Content Services im Einsatz haben sollen. Doch wesentlich relevanter ist die Erkenntnis, dass diese Systeme und Services durchaus nicht automatisch die Probleme im magischen Spannungsfeld von Collaboration/Zusammenarbeit, Informations- und Wissenssuche, Automatisierung und Compliance lösen:

Zusammenarbeit: Dass Content Services im Einsatz bedeutet nicht, dass dadurch sofort besser zusammengearbeitet wird. Dafür gibt es vielfältige Gründe, die von Benutzerfreundlichkeit über Benutzerfaulheit bis zu fehlendem Verständnis und mangelhafter Schulung reichen. Selbst wenn Anwender Content Services nutzen: Wie viele von Ihnen haben das Thema Versionierung verstanden? In der Regel wird doch die Datei als eigenständiges Dokument Dies_ist_die_Version3.docx gespeichert.

Und Dateianhänge waren und sind der Tod jeder Zusammenarbeit.

Informationen, Wissen finden: Wäre aus meiner Sicht nicht so schlimm, wenn Inhalte, Wissen vernünftig erschlossen und auffindbar wären. Doch wie geschieht das oder wo ist das der Fall.  Wir sind mit in vielen, ja den meisten Anwendungsgebieten mit einer strukturierten Verschlagwortung (dem „Aktenplan“) gescheitert. Selbst eine einfache Verschlagwortung nimmt kaum ein Anwender vor. Und wenn Schlagworte vergeben werden, „passen“ die dann? Maximal werden Ordnerstrukturen, Verzeichnisse mit Unterverzeichnissen angelegt. Kennen wir ja vom Explorer.

Wie findet man also dann Informationen? Systeme zur übergreifenden Suche in Unternehmen (Enterprise Search) sind meiner Wahrnehmung nach noch immer die Ausnahme. Und in großen Unternehmen gibt es alleine für Dokumenten- und Dateiablage verschiedene Töpfe und Systeme, so dass die Suche meist nur in einem der Systeme funktioniert. Der Rest bleibt außen vor. Wie soll dann gar Wissensmanagement funktionieren, das Wissen und Knowhow, das bei Mitarbeitern und im Unternehmen vorhanden ist, erschlossen werden? In Firmen herrscht Corporate Amnesia, wie es Eileen Brown einmal formuliert hat.

In meinem jetzigen beruflichen Umfeld bei Acoustic, dem ehemaligen IBM Watson Marketing, bin ich auch mit dem Thema unter etwas anderer Perspektive befasst. Wie verwalte ich meine Dokumente und Dateien vernünftig, so dass ich sie auf meiner Webseite, in meinen E-Mailings, in Social Media und anderen Kanälen nutzen kann? Dazu ist man dann ein „Headless CMS“ entwickelt, das künstliche Intelligenz zur Verschlagwortung und damit Erschließung der Inhalte einsetzt.

Ich drücke es etwas flapsig aus: „Die künstliche Intelligenz“ schaut sich die Bilder, Videos, Texte, Sprachdateien, Grafiken, die in einem Content Hub gespeichert werden, an und weist passende Schlagworte zu. Über diese Schlagworte kann dann beispielsweise ein Web Content Management-System das richtige Bild auf der Webseite einbinden, das Marketing Automation-Tool die richtige Grafik für den E-Mail-Newsletter ziehen. „Kopflos“ sind diese Content Services also in der Beziehung, dass sie ein Repository, einen intelligenten Topf von Dateien und Daten für andere Systeme zur Verfügung stellen. Ein Ansatz, der vielleicht auch in ganz anderen Einsatzszenarien wie Kundenservice bedenkenswert wäre?

Automatisierung: Vielleicht ist die Nutzung von Dateien und Dokumenten in strukturierten Prozessen, in der Personalarbeit, in Buchführung und Finanzen der Bereich, in dem Dokumentenmanagement noch am besten funktioniert. Die Dokumente sind klar und eindeutig zuzuordnen. Heil Welt!? Doch gibt es sicherlich noch genug Bereiche jenseits des unstrukturierten, kreativen Arbeitens, die in höherem Maße automatisiert werden könnten. Das Thema Kundendienst und -service habe ich oben ja bereits genannt. Automatisierung wird in diesen Bereichen aber wahrscheinlich flexibler sein müssen. Auch hier könnten von künstlicher Intelligenz unterstützte Assistenzsysteme – Stichwort Chatbots – ihren Teil beitragen.

Compliance: Und schließlich sind Content Services beziehungsweise der Umgang mit Dokumenten und Dateien auch noch den unendlichen Weiten der Compliance-Anforderungen ausgesetzt. Nicht erst seit der DSGVO gelten Vorschriften für den Datenschutz oder auch für die vorgeschriebenen Aufbewahrungfristen von Dokumenten oder unterschiedlichsten gesetzlichen Aspekten. Da passen noch immer in E-Mail-Postfächern oder auf privaten Festplatten gespeicherte Dokumente – auch wenn nur ein geringer Bruchteil Compliance-relevant sein sollte – so gar nicht ins Bild.

Lang sind die Zeiten her, in denen ich mich als Marketingverantwortlicher beim ECM- und Archivanbieter FileNet und zuvor im Vertrieb von Dokumentenmanagement-Systemen intensiv mit diesen Themen auseinandergesetzt habe. Heute spielen mehr Devices – Smartphones, Tablets, Notebooks -, andere Architekturen und Technologien – Stichwort Cloud -, deutlich mehr Content-Formate – was wird noch im Bereich Sprache und Video auf uns zukommen? – und auch neue Kommunikationskanäle – z.B. Messenger im privaten und beruflichen Umfeld – eine Rolle.

Content Management: Ich bin über 10 Jahre weg, die Probleme sind geblieben

Jedoch scheinen viele der grundlegenden Herausforderungen im Dokumenten- und Dateimanagement – oder neudeutsch bei den Content Services – geblieben und noch immer nicht maßgeblich vorangetrieben oder gelöst worden zu sein. Auch heute noch kämpfen wir mit der Nutzerakzeptanz, mit verbesserungswürdiger und -fähiger Zusammenarbeit bis zum produktiven Teilen und der wirklich einfachen Erschließung von Informationen und Wissen. Die dicken Bretter werden weiter gebohrt. Ob wir durch neue Bohrer wie künstliche Intelligenz endlich deutlicher vorankommen, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.

Panel auf der DCX 2019 in Berlin: „Content Services and the Challenges of Automation“

Mein Weggefährte Dr. Ulrich Kampffmeyer, mit dem ich seit langen Jahren freundschaftlich verbunden bin, hat mich bekniet und überzeugt am 8. Oktober 2019 in Berlin auf der DCX Digital Content Expo 2019 an einer von ihm moderierten Paneldiskussion unter dem Titel „Content Services and the Challenges of Automation“ teilzunehmen. Ich habe mich erfolglos gewehrt, da Content Services nun seit geraumer Zeit nicht mehr in meinen beruflichen Fokus liegen. Aber in alter Verbundenheit steige ich also in die Bütt und werde mich (in englischer Sprache) Koryphäen wie Prof. Dr.-Ing. Manfred Leisenberg, Professor for Computer Science an der FHM Bielefeld, Drs. Hanns Köhler-Krüner, Managing Vice President, Content, Insight & Legal bei der Gartner Group, und Tim Hood, EMEA Sales Director bei Hyland stellen. Das Panel beginnt um 14:30 Uhr.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von S. Hermann & F. Richter auf Pixabay
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Quelle: Citrix