Posts Tagged: ‘Shitstorm’

Social Media endlich ernst nehmen: “Es gibt noch viel zu tun. Und es ist höchste Zeit” | Jörgen Camrath

16. Januar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Die Tage habe ich mal in alten Blockbeiträgen gekramt, weil ich einige unter dem Motto #Vor10Jahren hervorholen wollte. Dabei bin ich natürlich auf viele, viele Artikel und Zitate zum Thema Social Media gestoßen. Das reicht von der auch heute noch diskutierten Frage des ROI von Social Media bis zur idealistischen Vision des Mitmach-Webs. Und ich habe damals schon geschrieben, dass man das Netz ernst nehmen soll, dass man dort nicht nur offiziöse Nachrichten absondern soll, sondern vielmehr zuhören soll und Dialog führen muss. Community Management lagen mir immer sehr am Herzen und das vor allem aus dem Mehrwertgedanken für Unternehmen.

Da stoße ich dann auf den Beitrag von Jörgen Camrath, der genau diese Überschrift trägt.

Selbst im Jahr 2020 wird immer noch viel zu oft über die Arbeit von Kolleg*innen aus der Social-Media- und Community-Abteilung gelächelt. Die müssen ja nur irgendwas im Netz posten, heißt es. Und dabei auf Inhalte ihrer Kolleg*innen zurückgreifen. Null Eigenleistung. Das kann doch jede*r. So die Vorurteile. Dabei bedeutet Social Media so viel mehr. Egal ob haupt- oder nebenberuflich. Community-Arbeit ist vielseitig und abwechslungsreich.

Nehmt Social Media endlich ernst

Jörgen bricht eine Lanze für alle Social Media und Community Manager und plädiert für die Anerkennung deren Arbeit. Ja, die Zeiten und die Anforderungen haben sich geändert. Von solchem Hass, vom Ausmaß der Radikalisierung und von dieser Art von Shitstorms sind wir damals nicht ausgegangen. Es bleibt aber das Plädoyer, diesen Job und die entsprechenden Mitarbeiter endlich in jeder Beziehung ernst zu nehmen.

Die Ereignisse rund um den WDR oder auch gerade Siemens zeigen, wie wichtig die entsprechende Kompetenz ist. Aber ich möchte nicht nur auf diesen Negativbeispielen herum reiten, sondern auch heute noch auf die Chancen sozialer Medien und von lebendigen Communities hinweisen. So oder so:

Es gibt noch viel zu tun. Und es ist höchste Zeit.

schreibt Jörgen Camrath in Nehmt Social Media endlich ernst

… schreibt Jörgen Camrath in Nehmt Social Media endlich ernst und Recht hat er. Auch nach mehr als 10 Jahren.

(Stefan Pfeiffer)

#9vor9: Gerade angesichts von Hassreden und Shitstorms mehr Sachlichkeit, Nüchternheit, Kompetenz und nicht zuletzt Respekt

7. Januar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Atemlos mit #9vor9 in die erste Sendung des neuen Jahres. Gunnis ECamm hat es heute nicht getan und ich musste deshalb schnell übernehmen und senden. Sorry für die anfänglichen technischen Problemchen. Heute im Zentrum von #9vor9 die Art und Weise wie derzeit vor allem auf Twitter diskutiert, leider oft auch diffamiert und beleidigt wird.

Hier wie versprochen noch eine Links zu Artikeln, die wir in #9vor9 erwähnt haben. Gunnar hat in einem Beitrag für mehr Nüchternheit und sachliche Auseinandersetzung im Sinne der Bonner Bundesrepublik geworben – und so eine Aufforderung von einem Berliner. Und das gilt sicherlich für gar manche Diskussion, die heute insbesondere auf Twitter geführt und manchmal – frei nach Labbadia – auch von gewissen Interessengruppen „hochsterilisiert“ wird.

Erhöhte Obacht als, wenn die Sch… hochkocht und derzeit in sehr vielen Fällen tiefbraune Süppchen gekocht werden. Nicole Diekmann, die vor einem Jahr Opfer eines Shitstorms wurde, schreibt:

Was sich im ersten Moment wie ein furchtbarer Tsunami angefühlt hatte, dem ich völlig alleingelassen und wehrlos ausgeliefert war, war ausgelöst worden durch einen harten Kern von rechten Accounts. Sie rotten sich immer mal wieder zusammen und versuchen, Themen zu besetzen.

Versagen im sozialen Netz: „Die Empörungsmaschinerie sprang trotzdem an“

Es bedeutet, wie es Lars gesagt hat, genau hinschauen. Im Umgang helfen hier auch die Tipps von Rezo, der zu mehr Gelassenheit rät, denn mancher Sturm ist nur ein Stürmchen:

Nur zwei Prozent der Deutschen nutzen täglich Twitter. … Medienforscher warnen deshalb bezüglich Twitter-Deutschland vor „verzerrten Relevanzrahmen und Stimmungsbildern, welche mit denen der Gesamtbevölkerung nur wenig zu tun haben“. … Wenn nur 0,001 Prozent der deutschen Bevölkerung (immerhin 830 Leute) sich halbwegs aktiv vernetzen und jeweils mehrere Tweets schreiben, können sie im Alleingang easy die deutschen Twitter-Trends (also die am häufigsten genutzten Hashtags) dominieren.

WDR: Die Umweltsau im Twitter-Dorf | ZEIT ONLINE

Das heißt sicher nicht, dass man Themen und Threads auf Twitter nicht ernst nehmen soll. Das heißt auch nicht, dass man nicht hart diskutieren kann und soll. Doch hier benutze ich immer gerne Aretha Franklin und ihren Klassiker Respect. Sich sachlich auseinandersetzen, aber immer Respekt vor anderen Personen und Meinungen haben. Toleranz und Respekt enden dann, wenn unsere Grundwerte und Grundordnung verlassen wird, andere bedroht werden.

Es heißt aus meiner Sicht auch, Solidarität gegenüber denjenigen zu zeigen, die Opfer eines Shitstorms sind oder geworden sind. Margarete Stokowski hat dazu einen bemerkenswerten Artikel geschrieben. Man kann in der Sache anderer Meinung sein, aber Beschimpfungen und gar Morddrohungen gehen gar nicht. Hier muss man losgelöst von sachlichen Differenzen zusammen stehen.

Wie hat es der Sprachwissenschaftler Joachim Scharloth nach seiner Analyse von Texten und Kommentar von 29 rechten Internetportalen formuliert: Beschimpfungen sind die Sprache der neuen Rechten.

Ich glaube, dass es tatsächlich eine kulturelle Frage ist, ob wir im Netz Diskurse auf diesem Niveau führen wollen.

Sprachforschung – Die Schmähgemeinschaft der neuen Rechten

Er schlägt vor, Provokationen und Provokateur:innen in sozialen Netzwerken nach Möglichkeit zu ignorieren, sie zu blockieren und ihnen die Bühne nehmen. Da ist er auch wieder bei Rezo und vielen anderen, die sich mit den Mechanismen sozialer Medien auseinandersetzen. Ich zitiere nochmals Nicole Diekmann:

Wir alle müssen wissen, wie zumindest die wichtigsten Plattformen funktionieren. Wissen. Wir müssen nicht mitmischen. Wir müssen sie nicht mal mögen. Love your friend, know your enemy.

Versagen im sozialen Netz: „Die Empörungsmaschinerie sprang trotzdem an“

In unzureichendem Maße haben das ganz offensichtlich viele Entscheider:innen gerade auch in in Medien- und Rundfunkhäusern, aber auch in der Politik getan. Gerade dort brauchen wir mehr Kompetenz. Shitstorms wird es weiter geben.

Das Interesse gewisser Kreise an ihnen ist zu groß, die Stimmung zu aufgeheizt, die Maschinerie zu gut geölt, die Politik zu machtlos …, und die Plattformen den Algorithmen zu hörig, die Geld einbringen und Wut als Motor brauchen.

Versagen im sozialen Netz: „Die Empörungsmaschinerie sprang trotzdem an“

Aber gerade deshalb sind Nüchternheit, Sachlichkeit, Solidarität und Rückgrat mehr denn je gefragt.

Zum Thema Klimawandel und Umwelt war Gunnar optimistisch, dass es in unserem Jahrzehnt voran geht und nach und nach Lösungen geschaffen werden. Da ist er einer Meinung mit dem Zukunftsforscher Matthias Horx, dessen Interview ich hier wie @ITBeobachter versprochen verlinke und zitiere:

Die 20er-Jahre werden auch das Jahrzehnt der Ökologie. Die Wirtschaft wird sich weg von den fossilen Energien bewegen und es wird zu neuen Kooperationen im globalen Raum kommen. Die Klimaerwärmung, diese allumfassende Bedrohung, erzeugt einen grossen Druck auf die Gesellschaft, die sich zunächst mal in Hysterie und Streit ausdrückt. Gleichzeitig erkennen wir Anzeichen, die in eine andere Richtung weisen. Allen voran: das Auftauchen von Greta Thunberg. In der Geschichte war das immer so, dass sich solche Symbole zeigten, wenn sich die Gesellschaft in ihrem tiefsten Innern verändert. Ich denke da etwa an Jeanne d’Arc im 15. Jahrhundert oder an John F. Kennedy zu Beginn der Industriemoderne.

Zukunftsforscher Matthias Horx: «Die 20er-Jahre werden die Dekade des digitalen Aufräumens» | St.Galler Tagblatt

Er thematisiert hier auch den Konflikt der Generationen, den wir in #9vor9 angesprochen haben. Den hat es übrigens immer gegeben, bei den 68ern, Friedensbewegung und vorher, wie ja auch Gunnar und Lars bemerkt haben. Das entbindet jedoch nicht davon, gerade auch die jüngere Generation und deren Formen der Kommunikation zu verstehen.

Weil ich selbst angesichts mancher Eskalation und Beschimpfung deprimiert und frustriert war, habe ich habe in unserem Videocast bemerkt, dass wir uns auch die Laune nicht durch radikale Spinner verderben lassen sollten. Wir müssen gegen halten, aber auch unser Leben und das Zusammensein mit Freunden genießen. Ich hoffe auch, dass Matthias Horx recht hat:

Die 20er-Jahre werden das Jahrzehnt des digitalen Aufräumens werden und von vernünftigeren und menschlicheren Anwendungen geprägt sein. Wir nennen das den «Humanistischen Digitalismus».

Zukunftsforscher Matthias Horx: «Die 20er-Jahre werden die Dekade des digitalen Aufräumens» | St.Galler Tagblatt

Der Begriff des „Humanistischen Digitalismus“ gefällt mir sehr gut und deshalb ende ich diesen Beitrag dann auch sachlich-nüchtern-optimistisch.

(Stefan Pfeiffer)

Social Media-Splitter: Behörden raus aus #SocialMedia, bei scheinbaren Shitstorms erst mal Ruhe bewahren und Social Entertainment in 2020

6. Januar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Eine weitere wichtige Nachricht rund um soziale Medien und das Netz: Der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Stefan Brink will oder muss zum 31. Januar 2020 Twitter verlassen und sein Konto löschen, da er als Datenschutzbeauftragter und Aufsichtsbehörde nicht gleichzeitig Nutzer eines womöglich datenschutzrechtlich problematischen Netzwerkes sein könne. Hintergrund ist eine Entscheidung des Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2018 und dessen Überführung in ein Urteil durch das Bundesverwaltungsgericht Ende 2019.

Unternehmen und öffentliche Verwaltung raus aus sozialen Medien?

Demnach tragen neben den Betreibern sozialer Netzwerke auch die Nutzer Mitverantwortung, wenn beispielsweise Twitter im Hintergrund Nutzerdaten für Werbezwecke sammele.

Laut Brink könnte das Folgen für die Nutzung von sozialen Medien durch Behörden und auch Privatunternehmen haben. „Nur Privatpersonen bleiben vom Regime der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verschont“, so u.a. die FAZ. Doch könnte es durchaus weitgehende Konsequenzen haben, so Brink, der wie folgt zitiert wird:

Wenn nicht alle öffentlichen Stellen unsere Einschätzung teilen, müssen wir möglicherweise von unseren Aufsichtsbefugnissen Gebrauch machen und anordnen, dass zum Beispiel Behörden soziale Medien verlassen.

Baden-Württemberg: Datenschützer verlässt Twitter: Folgenreich für Behörden? – n-tv.de

Werden also beispielsweise Polizei oder Feuerwehren und „tausend andere staatliche Stellen, die ihre Öffentlichkeitsarbeit, dem allgemeinen Trend zur Digitalisierung folgend, inzwischen weitgehend über soziale Medien abwickeln„, künftig nicht mehr über die bekannten sozialen Kanäle informieren (dürfen)?

Statt konsequenter gegen Twitter, Facebook und andere Plattformanbieter vorzugehen, soll durch Druck auf Behörden und Unternehmen also Druck auf besagte Konzerne ausgeübt werden? Ob das ein erfolgversprechendes Konzept ist? Die für besagte Plattformen in Europa zuständige Datenschutzbehörde in Irland ist nach allgemeiner Beobachtung nicht sehr aktiv … Es wird sicher spannend, wie es in 2020 in dieser Frage weiter geht.

Nach Umweltsau rät Rezo nicht nur dem WDR: Auf keinen Fall überhastet reagieren

Einen lesenwerten und bemerkenswerten Beitrag hat Rezo auf Zeit Online nach der Umweltsau-Posse und der verfehlten Reaktion des WDR geschrieben. Er gibt 5 nützliche Tipps, wie man in Situationen reagieren sollte, in denen die Sau durch das Social Media-Dorf getrieben wird.

@Rezomusik’s wichtigste Empfehlung nach der Umweltsau-Posse: Auf keinen Fall überhastet reagieren. Es kann durchaus sein, dass eine kleine Interessengruppe ihr Süppchen kocht.

Rezo verweist auch auf den Beitrag auf Spiegel Online, in dem analysiert wird, wie im Fall echte Empörung von Hörern und gesteuerte Empörung zusammen gekommen sind. Der Spiegel bezieht sich auf eine Datenauswertung von Luca Hammer, die zeigt, wie Rechte und Rechtsextreme schnell auf den Zug aufgesprungen sind und ihre Horden erfolgreich mobilisiert haben. Der Spiegel zitiert Patrick Stegemann, dessen Buch „Die rechte Mobilmachung“ im Januar erscheint:

Es werden sehr viele Köder ausgeworfen – und sobald etwas verfängt, geht die Maschine so richtig los, dann geht es rund.

WDR-„Umweltsau“-Skandalisierung: Die Empörungsmaschine läuft heiß – SPIEGEL ONLINE

TikTok zeigt den Trend: Social Entertainment

#TikTok definiert das, was soziale Netzwerke sind, neu, meint @eMarketer. Es geht nicht mehr primär um „netzwerken“ und vernetzen. Es geht gerade den jüngeren Anwendern wohl nicht nur in den USA um Social Entertainment. Alles so schön bunt hier …

While TikTok users can create a profile and interact with a network of contacts (which makes it a social network in our definition), the primary activity is watching or creating short videos. That makes TikTok part of a new type of “social entertainment” that’s capturing the attention of teens and young adults worldwide.

TikTok’s Year in Review: How the App Transformed Social Networking in 2019 – eMarketer Trends, Forecasts & Statistics

Und Facebook ist ihnen zu persönlich, politisch und negativ, so eine Umfrage in den USA vom Mai 2019 von Edison Research. Immerhin nehmen sie auch das Thema Datenschutz wahr.

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(Stefan Pfeiffer)

Und wer zwitschern mag:

Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Stefan Brink will oder muss zum 31. Januar 2020 #Twitter verlassen. Müssen Unternehmen und öffentliche Verwaltung raus aus sozialen Medien? #DSGVO #SocialMedia

@Rezomusik’s wichtigste Empfehlung nach der Umweltsau-Posse: Auf keinen Fall überhastet reagieren. Es kann durchaus sein, dass eine kleine Interessengruppe ihr Süppchen kocht.

#TikTok definiert das, was soziale Netzwerke sind, neu, meint @eMarketer. Es geht nicht mehr primär um „netzwerken“ und vernetzen. Es geht gerade den jüngeren Anwendern wohl nicht nur in den USA um Social Entertainment. Alles so schön bunt hier …

Lehre aus Linnemann-Shitstorm: Erhöhte Obacht angesagt

11. August 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich bin auch drauf reingefallen, auf die Überschrift, auf die kolportierte Schlagzeile, dass Kinder ohne Deutschkenntnisse nicht auf eine Grundschule gehörten. Doch hätte ich mich aufgeregt, wenn dort gestanden hätte, dass Kinder, die kein Deutsch können, erst einmal einen Deutschkurs machen sollten, um entsprechende grundlegende Sprachkenntnisse zu haben. Sicher nicht.

Die von Journalisten der Rheinischen Post zugespitzte Überschrift war zugespitzt, irreführend, ist so nicht gefallen und hat zu einem Shitstorm geführt. Thomas Knüwer nimmt das in seinem lesenswerten Blogbeitrag auseinander: „Ein Interview wird hinter einer Bezahlwand versteckt, eine zugespitzte Meldung soll das Interesse fördern. Doch es ist die Zuspitzung, die sich verbreitet, nicht das Urstück.“ Und Sascha Lobo seziert auf Spiegel Online, wie ein Shitstorm am Beispiel Linnemann entsteht: „Weder die Kritiker noch die Verteidiger des Politikers haben das Ursprungsinterview gelesen, beide schwören trotzdem, dass allein ihre Deutung der Situation richtig ist.“

Was lerne ich (wieder einmal) selbst daraus? Immer nochmals nachrecherchieren und nachlesen, die Quellen prüfen, bevor man sich aufregt … Wenn man es kann und die Information nicht wie in diesem Fall hinter einer Bezahlschranke steht und man nicht jedes Medium abonnieren will.

Bild von Gerd Altmann auf Pixabay