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Es ist kompliziert – Urheberrecht, die Plattformen und die Bagatellschranke – Eines der Themen von #9vor9

26. Januar 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Und natürlich kamen wir bei #9vor9 nicht um ein Digitalthema der Woche herum: Nach den Plaudereien von Herrn Ramelow wird natürlich diskutiert, wie sich Politiker (und generell jeder „Geheimnisträger“, prinzipiell jeder) auf Clubhouse (und eigentlich allen öffentliche Medien) verhalten sollte. Clubhouse-Room mit 1.000 Teilnehmer:innen ist Öffentlichkeit. Punkt. Und da helfen auch Klugscheißereien, dass Informationen vertraulich blieben, wenn man sage, dies sei „off the records“, von angeblich so kompetentn Beratern nicht. Auch dann wäre das bei der Anzahl von Zuhörer:innen durchgesickert. Manche sogenannte PR Berater:innen haben es auch noch nicht verstanden. Damit sei aber an dieser Stelle genug. Nur eine Randbemerkung: Twitter stellt gerade eine potentielle Alternative namens Twitter Spaces – hier ein erster Eindruck von Ralph Kühnl – Betatestern zur Verfügung. Und mache läuten schon das Ende von Clubhouse ein. Sehe ich nicht so.

Im Zentrum unserer Sendung stand das leider sehr komplexe Thema Urheberrecht angestoßen durch das Streitgespräch auf Zeit online und in DIE ZEIT zwischen Rezo und einem der FAZ-Herausgeber Carsten Knop. Und leider ist das Thema nicht einfach und auch kein deutsches oder europäisches Problem, wie wir an den Urheberrechtsdiskussionen rund um Google in Australien sehen. Würde Google wirklich so weit gehen und Australien quasi dicht machen, wenn dort Lizenzgebühren an die Verlage gezahlt werden müssten? Geht ein Leben ohne Google (Search) überhaupt?

„Kann es sein, dass es ist wie im Casino, am Ende gewinnt immer Google?“, fragt der:die Interviewer:in von Zeit Online auch Rezo und Carsten Knop. Dem scheint wohl so zu sein und in einem sind sich Verlage, Kreative und ie Netzgemeinde einig: Man will die Rechte gegenüber Plattformen wie Google eben stärken. Das Wie scheint der Knackpunkt zu sein. Sind es Uploadfilter, die durch ihre Algorithmen verhindern, dass lizenzrechtlich fragwürdige Inhalte hochgeladen werden? Werden dadurch vielleicht „Kreative“ behindert und es kommt zum Oberblocking?

Uploadfilter sind nicht neu. Man sieht keinen nackten Busen auf Facebook … Auch rund um die Veröffentlichung rechter Hetze und generell von Hassrede sind sie – zusätzlich zu Content-Moderator:innen – im Gespräch. Aber natürlich müssen Algorithmen immer wieder überprüft und gegebenenfalls justiert werden, denn es hat sich auch gezeigt, dass sie fehlerhaft oder auch diskriminierend sein können. Ohne sie wird es aber wahrscheinlich nicht gehen.

Man wird angesichts der wirklich komplexen Situation – Carsten Knop spricht von einem Gestrüpp rund um Urheberrechte, in dem man sich verheddert – Kompromisse finden müssen. Und wenn es statt der 1.000 Zeichen eines Zeitungsartikels, die man zitieren darf, dann nun nur 500 Zeichen sein dürfen, wäre das aus meiner Sicht auch ok. Die Bundesregierung scheint sie – auf wessen Druck wohl? – noch enger fassen zu wollen. Im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI vom 26. Januar 2021 wird von maximal  160 Zeichen eines Textes, von 15 statt ursprünglich 20 Sekunden eines Videos und einer Dateigröße von 125 Kilobyte Datengröße statt vormals 250 Kilobyte bei Fotos geschrieben. Da haben die Lobbyisten wohl kräftig gewirkt, wenn es dazu kommen sollte aus meiner Sicht zu kräftig. Man wird wohl eine Bagatellschranke definieren müssen und ich bin bei Rezo, dass man das alltägliche Verhalten der meisten Bürgerinnen und Bürger legalisieren und Meinungsfreiheit nicht beschneiden sollte. Vor allem sollte es für genau diese Zielgruppe einfach und verständlich formuliert und kommuniziert werden.

Auch steht außer Frage, dass die Plattformen stärker reguliert und in die Pflicht genommen werden sollten. Dass gilt auch für die Verwendung und Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Können die Plattformen aktiv auf die Inhaber von Inhalten (Texte, Bilder, Videos) zugehen und sich die Rechte einholen, etwas zu veröffentlichen, gegebenenfalls etwas zahlen? Carsten Knop will die Plattformen aus dieser Verantwortung nicht entlassen. Es ist und bleibt komplex: Meinungsfreiheit der Bürger:innen und der Netzgemeinde auf der einen Seite, berechtigtes Interesse von Verlagen und auch Kreativen an ihren Inhalten auf der anderen Seite und von eigentlich fast allen gewollt die stärkere Regulierung und auch „Besteuerung“ der Plattformen stehen in Wechselwirkung.

Ich gebe auch zu, dass ich das Gejammere vieler Verlage und entsprechender Interessenvertreter, die von einem Plattformschutzgesetz fabulieren, nur sehr eingeschränkt akzeptieren. Hier wurden über Jahre entsprechende neue Modelle zur Monetarisierung der Inhalte meist nicht durchdacht. Das gilt übrigens auch und gerade für die Lokalberichterstattung. Und immer wieder Bezahlschranken an jeder Ecke einzurichten und bindende Abonnements zu fordern, um an Inhalte zu kommen, kann aus meiner Sicht weiterhin nicht die Lösung sein. Doch das ist ein anderes (aber naheliegendes) Thema.

Lars hat dann noch die Newsletter-Plattform Substack ins Gespräch gebracht. In einem vom ihm zitierten Beitrag werden E-Mail-Newsletter als zukunftsträchtiges Medium definiert, ein Medium, dass in der Aufmerksamkeitspotenzierungsökonomie der sozialen Medien nicht so leicht zu manipulieren sei. Die Renaissance des E-Mails Newsletters ante portas, einem Kommunikationskanal, den gerade wir Marketers schon fast zwei Jahrzehnte bedient haben, vielleicht sogar als old-fashioned vergessen haben. Nein, so weit würde ich nicht gehen, wenn ich mir so meinen Posteingang betrachte. Der Newsletter als Alternative zu traditionellen Medien und Chance für den Lokaljournalismus? Auch da habe ich Fragezeichen in den Augen.

Last but not least noch ein Hinweis von mit auf den FAZ Digitec Podcast, bei dem Carsten Knop – schon wieder der 😉 – und Alexander Armbruster quasi einen Nachbarn von mir zu Besuch hatten: Stefan Schigg von der Software AG (deren Hauptquartier knappe 500 Meter von unserer Wohnung entfernt liegt). Da kommen einige knackige Aussagen dabei heraus, Der Zug für Hyperscaler, die großen weltweit präsenten Cloud-Anbieter, die überall ihre Rechenzentren haben, sei vorbei. Da könne man nicht mehr nachziehen, einfach zu teuer, eine solche Infrastruktur neu aufzubauen. Den Deutschen (und Europäern) bliebe es nur, Nischenmärkte zu bedienen und dort Lösungen anzubieten. Im Gespräch kam dann auch die europäische Cloud-Initiative Gaia-X nicht gut weg, an der jetzt ja auch die Hyperscaler partizipieren. Da haben Lars und ich auf jeden Fall nochmals Nachholbedarf und ein Experte müsste uns aufklären. Vielleicht finden wir ja einen Gast für #9vor9 aus dem Gaia-X-Umfeld. Gerne melden!

In diesem Sinne eine gute Woche – und die Podcastversion nicht vergessen:

Und natürlich gibt es #9vor9 auch wieder als Podcast auf den bekannten Plattformen und hier im Netz.

Und versprochen, wir merken uns jetzt: Bodo Ramelow gleich MP von Thüringen.

Lars & Stefan

Social Media-Splitter: Behörden raus aus #SocialMedia, bei scheinbaren Shitstorms erst mal Ruhe bewahren und Social Entertainment in 2020

6. Januar 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Eine weitere wichtige Nachricht rund um soziale Medien und das Netz: Der Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Stefan Brink will oder muss zum 31. Januar 2020 Twitter verlassen und sein Konto löschen, da er als Datenschutzbeauftragter und Aufsichtsbehörde nicht gleichzeitig Nutzer eines womöglich datenschutzrechtlich problematischen Netzwerkes sein könne. Hintergrund ist eine Entscheidung des Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) von 2018 und dessen Überführung in ein Urteil durch das Bundesverwaltungsgericht Ende 2019.

Unternehmen und öffentliche Verwaltung raus aus sozialen Medien?

Demnach tragen neben den Betreibern sozialer Netzwerke auch die Nutzer Mitverantwortung, wenn beispielsweise Twitter im Hintergrund Nutzerdaten für Werbezwecke sammele.

Laut Brink könnte das Folgen für die Nutzung von sozialen Medien durch Behörden und auch Privatunternehmen haben. „Nur Privatpersonen bleiben vom Regime der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verschont“, so u.a. die FAZ. Doch könnte es durchaus weitgehende Konsequenzen haben, so Brink, der wie folgt zitiert wird:

Wenn nicht alle öffentlichen Stellen unsere Einschätzung teilen, müssen wir möglicherweise von unseren Aufsichtsbefugnissen Gebrauch machen und anordnen, dass zum Beispiel Behörden soziale Medien verlassen.

Baden-Württemberg: Datenschützer verlässt Twitter: Folgenreich für Behörden? – n-tv.de

Werden also beispielsweise Polizei oder Feuerwehren und „tausend andere staatliche Stellen, die ihre Öffentlichkeitsarbeit, dem allgemeinen Trend zur Digitalisierung folgend, inzwischen weitgehend über soziale Medien abwickeln„, künftig nicht mehr über die bekannten sozialen Kanäle informieren (dürfen)?

Statt konsequenter gegen Twitter, Facebook und andere Plattformanbieter vorzugehen, soll durch Druck auf Behörden und Unternehmen also Druck auf besagte Konzerne ausgeübt werden? Ob das ein erfolgversprechendes Konzept ist? Die für besagte Plattformen in Europa zuständige Datenschutzbehörde in Irland ist nach allgemeiner Beobachtung nicht sehr aktiv … Es wird sicher spannend, wie es in 2020 in dieser Frage weiter geht.

Nach Umweltsau rät Rezo nicht nur dem WDR: Auf keinen Fall überhastet reagieren

Einen lesenwerten und bemerkenswerten Beitrag hat Rezo auf Zeit Online nach der Umweltsau-Posse und der verfehlten Reaktion des WDR geschrieben. Er gibt 5 nützliche Tipps, wie man in Situationen reagieren sollte, in denen die Sau durch das Social Media-Dorf getrieben wird.

@Rezomusik’s wichtigste Empfehlung nach der Umweltsau-Posse: Auf keinen Fall überhastet reagieren. Es kann durchaus sein, dass eine kleine Interessengruppe ihr Süppchen kocht.

Rezo verweist auch auf den Beitrag auf Spiegel Online, in dem analysiert wird, wie im Fall echte Empörung von Hörern und gesteuerte Empörung zusammen gekommen sind. Der Spiegel bezieht sich auf eine Datenauswertung von Luca Hammer, die zeigt, wie Rechte und Rechtsextreme schnell auf den Zug aufgesprungen sind und ihre Horden erfolgreich mobilisiert haben. Der Spiegel zitiert Patrick Stegemann, dessen Buch „Die rechte Mobilmachung“ im Januar erscheint:

Es werden sehr viele Köder ausgeworfen – und sobald etwas verfängt, geht die Maschine so richtig los, dann geht es rund.

WDR-„Umweltsau“-Skandalisierung: Die Empörungsmaschine läuft heiß – SPIEGEL ONLINE

TikTok zeigt den Trend: Social Entertainment

#TikTok definiert das, was soziale Netzwerke sind, neu, meint @eMarketer. Es geht nicht mehr primär um „netzwerken“ und vernetzen. Es geht gerade den jüngeren Anwendern wohl nicht nur in den USA um Social Entertainment. Alles so schön bunt hier …

While TikTok users can create a profile and interact with a network of contacts (which makes it a social network in our definition), the primary activity is watching or creating short videos. That makes TikTok part of a new type of “social entertainment” that’s capturing the attention of teens and young adults worldwide.

TikTok’s Year in Review: How the App Transformed Social Networking in 2019 – eMarketer Trends, Forecasts & Statistics

Und Facebook ist ihnen zu persönlich, politisch und negativ, so eine Umfrage in den USA vom Mai 2019 von Edison Research. Immerhin nehmen sie auch das Thema Datenschutz wahr.

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(Stefan Pfeiffer)

Und wer zwitschern mag:

Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Stefan Brink will oder muss zum 31. Januar 2020 #Twitter verlassen. Müssen Unternehmen und öffentliche Verwaltung raus aus sozialen Medien? #DSGVO #SocialMedia

@Rezomusik’s wichtigste Empfehlung nach der Umweltsau-Posse: Auf keinen Fall überhastet reagieren. Es kann durchaus sein, dass eine kleine Interessengruppe ihr Süppchen kocht.

#TikTok definiert das, was soziale Netzwerke sind, neu, meint @eMarketer. Es geht nicht mehr primär um „netzwerken“ und vernetzen. Es geht gerade den jüngeren Anwendern wohl nicht nur in den USA um Social Entertainment. Alles so schön bunt hier …

Kurz zitiert: Die Macht der YouTuber und ein wachsendes politisches Interesse bei Jugendlichen #GehtWählen

25. Mai 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Einige knackige Aussagen aus dem Morning Briefing von Gabor Steingart vom 24. Mai zu YouTuber Rezo, Greta Thunberg und anderen, die in sozialen Medien aktiv sind und im Gegensatz zu vielen „konventionellen“ Politikern gehört werden:

Politische Polemiken wie die von Rezo, LeFloid oder Tilo Jung (siehe Foto) entfalten auf YouTube eine publizistische Wirkung, wie sie früher nur Rudolf Augstein, Alice Schwarzer und Sebastian Haffner erreichten. …

Alle etablierten Mächte spüren den Gezeitenwechsel: Die klassischen TV-Talkshows werden von der Jugend nicht boykottiert, sie bleiben nur ausgeschaltet. Die etablierten Politiker werden nicht bekämpft, nur ignoriert. Reklame wirkt, aber oft abstoßend. Die Verbandsfürsten senden weiter ihre Botschaften, aber es fehlt an willigen Empfängern.

über Gabor Steingart. Das Morning Briefing.

Steingart zitiert in seinem Beitrag die Shell-Studie, nach der sich 2015 46 Prozent der zwischen 12- und 25-Jährigen für Politik interessieren. 2002 waren es nur 34 Prozent. Gut so, solange nicht die Radikalen gestärkt werden. Ach ja, von diesem stärkeren Interesse, das sich über dieses Neuland Internet artikuliert, haben die etablierten, politischen Parteien nichts oder nicht viel.

Dieses Interesse äußert sich auch in den „Friday for Future“-Demonstrationen. Matthias Trautsch kommentiert und begrüßt im Rhein-Main-Teil der FAZ (!!!) am 25. Mai das Engagement:

Statt weiter auf dem Vorwurf des Schwänzens … herumzureiten, sollten sich die Erwachsenen bedanken, das es „Friday for the Future“ gibt. Die junge, angeblich so unpolitische Generation hat es geschafft, ein im wahrsten Sinne des Wortes existentielles Thema so weit auf die Tagesordnung zu bringen, dass es nun als mitentscheidend für die Europawahl gilt. ..

Ja, der Vorwurf trifft zu. … Manche Äußerung ist polemisch, unfair, naiv, oder schlicht falsch. Genau wie in den Diskussionen im Landtag oder im Römer und in überhaupt jedem politischen Diskurs. Wichtig ist, dass der Diskurs geführt wird, auch zwischen den Generationen, Wenn das ein paar Stunden Unterricht kostet, hat es sich gelohnt.

Zurück zum Thema YouTuber, soziale Medien und „Neuland“. Constantin von Lijnden titelt in der FAZ auf Seite 2 und zitiert damit den Direktor der Landesmedienanstalt Nordrhein-Westfalen Tobias Schmid:

Eine Reichweite, von der mancher Sender nur träumen kann

Vielleicht sollte das endlich zu denken geben. Von Lijnden erklärt in seinem Beitrag auch die kommerziellen Mechanismen, die insbesondere auf YouTube greifen. Viele YouTuber sind keine Amateure, die mal die Kamera anwerfen. Sie leben teilweise von Werbeeinnahmen und Product Placement, doch gilt bei gesellschaftlichen Themen „in der Szene“ der Kodex, damit kein Geld zu verdienen.

Klar ist, dass diese Szene nicht nur die Politik und die Politiker herausfordert: Auch die klassischen Medien sollten sich besser Gedanken machen und dabei nicht nur mit der Urheberkeule drohen. Die ganze Thematik ist sicher nicht einfach und vielschichtig: „Im Netz“ kann gehetzt und polemisiert werden. Das Netz kann aber auch aufrütteln und Dinge in eine positive Richtung bewegen, wie wir gerade sehen. Wir sind noch in einer Findungsphase, in der freiwillig auferlegte Verhaltensweisen und gesetzliche vorgegebene Regeln entwickelt, diskutiert und erprobt werden müssen. Nicht nur Politiker und klassische Verlage und Medien, wir alle sollten, ja müssen uns im Sinne einer demokratischen Gesellschaft damit konstruktiv auseinandersetzen.

Und nicht vergessen: Morgen sollten alle wählen gehen, wie es auch „die YouTuber“ fordern! Ein No Brainer, dass die Radikalen keine Option sind. Eine persönliche demokratische Entscheidung, ob man den Haken bei CDU/CSU und SPD setzt.

Titelbild von Gerd Altmann auf Pixabay