Posts Tagged: ‘Verlage’

Es ist kompliziert – Urheberrecht, die Plattformen und die Bagatellschranke – Eines der Themen von #9vor9

26. Januar 2021 Posted by Stefan Pfeiffer

Und natürlich kamen wir bei #9vor9 nicht um ein Digitalthema der Woche herum: Nach den Plaudereien von Herrn Ramelow wird natürlich diskutiert, wie sich Politiker (und generell jeder „Geheimnisträger“, prinzipiell jeder) auf Clubhouse (und eigentlich allen öffentliche Medien) verhalten sollte. Clubhouse-Room mit 1.000 Teilnehmer:innen ist Öffentlichkeit. Punkt. Und da helfen auch Klugscheißereien, dass Informationen vertraulich blieben, wenn man sage, dies sei „off the records“, von angeblich so kompetentn Beratern nicht. Auch dann wäre das bei der Anzahl von Zuhörer:innen durchgesickert. Manche sogenannte PR Berater:innen haben es auch noch nicht verstanden. Damit sei aber an dieser Stelle genug. Nur eine Randbemerkung: Twitter stellt gerade eine potentielle Alternative namens Twitter Spaces – hier ein erster Eindruck von Ralph Kühnl – Betatestern zur Verfügung. Und mache läuten schon das Ende von Clubhouse ein. Sehe ich nicht so.

Im Zentrum unserer Sendung stand das leider sehr komplexe Thema Urheberrecht angestoßen durch das Streitgespräch auf Zeit online und in DIE ZEIT zwischen Rezo und einem der FAZ-Herausgeber Carsten Knop. Und leider ist das Thema nicht einfach und auch kein deutsches oder europäisches Problem, wie wir an den Urheberrechtsdiskussionen rund um Google in Australien sehen. Würde Google wirklich so weit gehen und Australien quasi dicht machen, wenn dort Lizenzgebühren an die Verlage gezahlt werden müssten? Geht ein Leben ohne Google (Search) überhaupt?

„Kann es sein, dass es ist wie im Casino, am Ende gewinnt immer Google?“, fragt der:die Interviewer:in von Zeit Online auch Rezo und Carsten Knop. Dem scheint wohl so zu sein und in einem sind sich Verlage, Kreative und ie Netzgemeinde einig: Man will die Rechte gegenüber Plattformen wie Google eben stärken. Das Wie scheint der Knackpunkt zu sein. Sind es Uploadfilter, die durch ihre Algorithmen verhindern, dass lizenzrechtlich fragwürdige Inhalte hochgeladen werden? Werden dadurch vielleicht „Kreative“ behindert und es kommt zum Oberblocking?

Uploadfilter sind nicht neu. Man sieht keinen nackten Busen auf Facebook … Auch rund um die Veröffentlichung rechter Hetze und generell von Hassrede sind sie – zusätzlich zu Content-Moderator:innen – im Gespräch. Aber natürlich müssen Algorithmen immer wieder überprüft und gegebenenfalls justiert werden, denn es hat sich auch gezeigt, dass sie fehlerhaft oder auch diskriminierend sein können. Ohne sie wird es aber wahrscheinlich nicht gehen.

Man wird angesichts der wirklich komplexen Situation – Carsten Knop spricht von einem Gestrüpp rund um Urheberrechte, in dem man sich verheddert – Kompromisse finden müssen. Und wenn es statt der 1.000 Zeichen eines Zeitungsartikels, die man zitieren darf, dann nun nur 500 Zeichen sein dürfen, wäre das aus meiner Sicht auch ok. Die Bundesregierung scheint sie – auf wessen Druck wohl? – noch enger fassen zu wollen. Im Tagesspiegel Background Digitalisierung & KI vom 26. Januar 2021 wird von maximal  160 Zeichen eines Textes, von 15 statt ursprünglich 20 Sekunden eines Videos und einer Dateigröße von 125 Kilobyte Datengröße statt vormals 250 Kilobyte bei Fotos geschrieben. Da haben die Lobbyisten wohl kräftig gewirkt, wenn es dazu kommen sollte aus meiner Sicht zu kräftig. Man wird wohl eine Bagatellschranke definieren müssen und ich bin bei Rezo, dass man das alltägliche Verhalten der meisten Bürgerinnen und Bürger legalisieren und Meinungsfreiheit nicht beschneiden sollte. Vor allem sollte es für genau diese Zielgruppe einfach und verständlich formuliert und kommuniziert werden.

Auch steht außer Frage, dass die Plattformen stärker reguliert und in die Pflicht genommen werden sollten. Dass gilt auch für die Verwendung und Veröffentlichung von urheberrechtlich geschützten Inhalten. Können die Plattformen aktiv auf die Inhaber von Inhalten (Texte, Bilder, Videos) zugehen und sich die Rechte einholen, etwas zu veröffentlichen, gegebenenfalls etwas zahlen? Carsten Knop will die Plattformen aus dieser Verantwortung nicht entlassen. Es ist und bleibt komplex: Meinungsfreiheit der Bürger:innen und der Netzgemeinde auf der einen Seite, berechtigtes Interesse von Verlagen und auch Kreativen an ihren Inhalten auf der anderen Seite und von eigentlich fast allen gewollt die stärkere Regulierung und auch „Besteuerung“ der Plattformen stehen in Wechselwirkung.

Ich gebe auch zu, dass ich das Gejammere vieler Verlage und entsprechender Interessenvertreter, die von einem Plattformschutzgesetz fabulieren, nur sehr eingeschränkt akzeptieren. Hier wurden über Jahre entsprechende neue Modelle zur Monetarisierung der Inhalte meist nicht durchdacht. Das gilt übrigens auch und gerade für die Lokalberichterstattung. Und immer wieder Bezahlschranken an jeder Ecke einzurichten und bindende Abonnements zu fordern, um an Inhalte zu kommen, kann aus meiner Sicht weiterhin nicht die Lösung sein. Doch das ist ein anderes (aber naheliegendes) Thema.

Lars hat dann noch die Newsletter-Plattform Substack ins Gespräch gebracht. In einem vom ihm zitierten Beitrag werden E-Mail-Newsletter als zukunftsträchtiges Medium definiert, ein Medium, dass in der Aufmerksamkeitspotenzierungsökonomie der sozialen Medien nicht so leicht zu manipulieren sei. Die Renaissance des E-Mails Newsletters ante portas, einem Kommunikationskanal, den gerade wir Marketers schon fast zwei Jahrzehnte bedient haben, vielleicht sogar als old-fashioned vergessen haben. Nein, so weit würde ich nicht gehen, wenn ich mir so meinen Posteingang betrachte. Der Newsletter als Alternative zu traditionellen Medien und Chance für den Lokaljournalismus? Auch da habe ich Fragezeichen in den Augen.

Last but not least noch ein Hinweis von mit auf den FAZ Digitec Podcast, bei dem Carsten Knop – schon wieder der 😉 – und Alexander Armbruster quasi einen Nachbarn von mir zu Besuch hatten: Stefan Schigg von der Software AG (deren Hauptquartier knappe 500 Meter von unserer Wohnung entfernt liegt). Da kommen einige knackige Aussagen dabei heraus, Der Zug für Hyperscaler, die großen weltweit präsenten Cloud-Anbieter, die überall ihre Rechenzentren haben, sei vorbei. Da könne man nicht mehr nachziehen, einfach zu teuer, eine solche Infrastruktur neu aufzubauen. Den Deutschen (und Europäern) bliebe es nur, Nischenmärkte zu bedienen und dort Lösungen anzubieten. Im Gespräch kam dann auch die europäische Cloud-Initiative Gaia-X nicht gut weg, an der jetzt ja auch die Hyperscaler partizipieren. Da haben Lars und ich auf jeden Fall nochmals Nachholbedarf und ein Experte müsste uns aufklären. Vielleicht finden wir ja einen Gast für #9vor9 aus dem Gaia-X-Umfeld. Gerne melden!

In diesem Sinne eine gute Woche – und die Podcastversion nicht vergessen:

Und natürlich gibt es #9vor9 auch wieder als Podcast auf den bekannten Plattformen und hier im Netz.

Und versprochen, wir merken uns jetzt: Bodo Ramelow gleich MP von Thüringen.

Lars & Stefan

Nur kurz mal wieder gek…: Kein Anschluss mit diesen Schnarchnasen-Verlagen

14. September 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich ärgere mich gerade mal wieder maßlos über die Plus-Abos der Verlage: Diesmal ein Beitrag auf Spiegel Online, den ich einzeln kaufen würde. Ich werde aber ganz sicher dafür kein Abonnement anschließen.

Auf Blendle konnte ich den Beitrag heute noch nicht einzeln erwerben. Eigentlich dürfte man Artikel solcher Verlage nicht zitieren, verbreiten, zwitschern. Man müsste die entsprechenden Verlage boykottieren. Eigentlich.

Kommt endlich im 21. Jahrhundert an und legt die alten Abokonzepte ad acta. Ihr müsst neue Mischfinanzierungskonzepte entwickeln! Thomas Knüwer, Gunnar Sohn, Richard Gutjahr und andere haben sich ja ausführlich dazu geäußert.

#9vor9: 5G ausgehebelt, die Krux mit den Verlagen und warum IT-Projekte der öffentlichen Hand scheitern

3. September 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Er treibt sich in Berlin herum, unser Gunnar Sohn, und deshalb durfte ich #9vor9 am 3. September technisch hosten. Welch eine Herausforderung am frühen Morgen, diesmal in der Besatzung Lars Basche, Gunni und meiner einer. Themen waren heute Alternativen zu 5G, die die Industrie im Niedrigbandbereich entdeckt, die Krux mit öffentlichen IT Projekten, die immer zu scheitern scheinen oder finanziell aus dem Ruder laufen, wie auch das Thema, dass Verlage einfach keine neuen Geschäfts- und Bezahlmodelle für das Netz entwickeln.

Bild von mohamed Hassan auf Pixabay

Leseempfehlung: Noch 5 Jahre Galgenfrist, damit Verlage sich endlich reformieren, transformieren, ändern …

2. September 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Das deutsche Verlagsweisen zeichnet sich nicht gerade durch Innovationskraft und Kreativität aus. Der Überlebenswille manifestiert sich darin, bestehende Verhältnisse möglichst einzementieren zu wollen. Das Leistungssschutzrecht und der Zwang, auch online „die Zeitung“ zu abonnieren,  sind zwei eindeutige Zeichen, dass die Verlage das Internet-Zeitalter noch immer nicht verstanden und die Herausforderungen wirklich angenommen haben. Des Themas, das auch mich immer wieder erregt, hat sich jetzt mit großer Leidenschaft Thomas Knüwer angenommen und er spricht mir in vielerlei Beziehung aus dem Herzen.

Kein Mut zu Experimenten sind ebenso kennzeichnend wie der Unwille, vielleicht die Unfähigkeit sich mit neuen Modellen einer Mischfinanzierung auseinanderzusetzen. Immer wieder rege ich mich darüber auf, dass die Verlage mich in Abonnements zwingen wollen. Wie kennzeichnend für das Internet möchte ich aber gezielt nur die Infos, die mich interessieren, und nicht überteuerte Preise zahlen oder unzählige „Zeitungen“ abonnieren. Auch Blendle, die ein solches Modell versuchten, scheinen aufzugeben. Thomas bringt es auf den Punkt:

Der Kauf eines Abos oder eines Einzelartikels oder eines E-Papers muss so simpel sein wie der Einkauf eines Artikels beim größten aller Onlinehändler – dies ist der Maßstab, an dem sie sich messen lassen müssen.

über Weil der Verlag sich ändern muss – Version 2019

Thomas sagt das Ende der gedruckten BILD und anderer WELT-en voraus. In fünf Jahren werde es keine Printausgaben mehr geben. Und dies sei die Frist, die den traditionellen Verlagen noch verbleibe, um sich zu reformieren.

Eine klare Leseempfehlung meinerseits!

Und als Nachtrag zwei persönliche Erfahrungen der vergangenen Tage:

  • Gerade versuche ich, den Spiegel-Artikel Geplante Modernisierung Neue Bundes-IT wird zum Milliardenfiasko einzeln zu erwerben, gebe es aber gleich auf, Mag ja meine Dummheit sein, aber wenn ich als einigermaßen netzaffiner Anwender schon scheitere …
  • Die Rheinische Post berichtet regelmäßig über meine Borussia, die galoppierenden Fohlen, die leider gerade an den Bullen gescheitert sind. Ja, ich weiß, lieber Gunnar. Also mein Preußen Münster, lieber Thomas. Aber auch hier kommt immer öfter die Bezahlschranke, wenn ich über Fohlen Hautnah die Presseberichte zu den Fohlen aufrufe.

(Stefan Pfeiffer)

Weiter in der Abofalle: Keine einzelnen Beiträge mehr kaufen auf Blendle

28. Juni 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Das Thema, wie honoriere ich gute Artikel guten Journalismus, ist nicht neu im Blog und die Diskussion bleibt, wie man Journalisten fair entlohnt und wie wir aus der Abofalle der Verlage rauskommt. Ein Angebot, auf das ich per E-Mail als Antwort zu diesem Beitrag aufmerksam gemacht wurde, ist Blendle. Der Service bietet an, einzelne Artikel zum Preis zwischen 0,50 und 1,50 Euro zu kaufen. Allerdings fehlen die Beiträge vieler Verlage, die nicht mitmachen. Ich gebe zu, dass ich dann doch eher selten dort Beiträge erworben habe.

Nun berichtet Marcel Weiß, dass Blendle die Möglichkeit, einzelne Artikel zu kaufen, wohl aufgibt, da sich das Micropayment-Modell wohl nicht rechnet. Er habe schon 2015 geschrieben, dass Micropayments zu hohe Transaktionskosten verursache und deshalb genau für das oben genannte Modell Zahlung pro Artikel ungeeignet seien. Ein iTunes für Zeitungsartikel mache keinen Sinn.

Vor Jahren habe ich über Flattr und Kachingle geschrieben, Micropayment-Services, über die man freiwillig dem Schreiber oder auch Künstler einen Betrag überweisen konnte und sollte. Tex Drieschner, Sänger und Moderator hat 2010 noch drauf gehofft, wie er auch in diesem Video sagt. Abgehoben haben auch diese Dienste leider nicht. Auf welchen Seiten findet man heute noch einen Flattr-Button? Und welcher Bloganbieter oder gar Verlag baut das als Standard in seine Seiten ein?

So bleiben wir wohl in den Abonnement-Fallen der Verlage gefangen. Leider. Die Umsonst-Kultur, im Netz der Be- und Verharrungswille der Verlage, die fehlende Verbreitung eines gängigen Micropayment-Dienstes, all das führt derzeit dazu, das Autoren oft nicht oder schlecht honoriert werden und Leser/Hörer/Seher nur sehr schwer, einzelne Beiträge erwerben können.

Musst erst wieder einer der Netzriesen kommen, die so etwas aufgrund ihrer Masse vermarkten, siehe die Pläne zu Apple News, was ja dann doch wieder an iTunes für Verlage erinnert? Oder hat gar eine Kryptowährung wie Libra das Potential, als durch den Facebook-Konzern im Netz weit verbreitetes und wahrscheinlich, ja leider akzeptiertes Zahlungsmittel das Potential, einen solchen Markt aufzumischen?

(Stefan Pfeiffer)

Foto by Picspree

Journalismus – Bergbau des 21. Jahrhunderts? Die Zeiten waren nicht immer so rosig und Jammern nutzt nix

16. Juni 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Michael Kroker hat in seinem Rant auf die Situation der Print- und TV-Medien, des Journalismus generell hingewiesen. Es werden immer weniger gedruckte Zeitungen, der TV Konsum nimmt ab und viele Journalisten – in den USA 50 Prozent in den vergangenen 20 Jahren – verlieren ihren Job. Michael zitiert Sven Hansel, der schon vor Jahren Journalismus mit dem Bergbau verglichen hat.

Als jemand, der Journalismus studiert und während des Studiums frei als Journalist gearbeitet hat, stutze ich aufgrund verschiedener Aspekte. Erst einmal: Die journalistische Welt war nicht immer so rosig, oft im Nachhinein verklärt Wer kennt noch Zeilengeld? 22 Pfennig pro Zeile und 20 Mark für ein Bild von der Lokalzeitung. Auch das war Realität im Journalismus. Pure Ausbeutung vor allem junger Leute, die diesen Beruf ergreifen wollten. Gut, dadurch habe ich Journalismus von der Pike auf gelernt, auf Karnevalssitzungen, bei den legendären Karnickelzüchtern, aber ich nach einer Weile auch in Berichterstattung über die Lokalpolitik.

Die Welt des Journalismus war nicht so rosig, wie es im Rückblick scheint

Dann kam ein kurzer Boom durch „die Privaten“. In der Zeit habe ich in der Neue Medien-Redaktion der FAZ gearbeitet. Wir haben damals die neueste Nachrichten über BTX (Bildschirmtext) verteilt, „ein interaktiver Onlinedienst der Telefon und Fernsehschirm zu einem Kommunikationsmittel kombinierte„, ein Rohrkrepierer, der durch das Internet bald überflüssig wurde. Die Redaktion hat damals in der Gründungszeit der privaten Radiosender und des Privatfernsehens die Sender auch mit Radio- und TV-Berichten versorgt. In Erinnerung habe ich noch immer meine erste Radioreportage über und mit Konrad Zuse oder den per Telefon übermittelten „Livebericht“ von der SPD Südhessen, bei der die rote Heidi zur Vorsitzenden gewählt wurde.

Die FAZ hat dann im Rückblick zu schnell aufgegeben und die Neue Medien-Redaktion geschlossen. Sehr schade auch für mich, denn mein damaliger Chef hatte mir eine Festanstellung nach dem Studium in Aussicht gestellt. Und um es kurz zu machen: So bin ich dann für die Computerzeitschriften (PC Praxis, Windows etc.) gearbeitet, Word und WordPerfect getestet, weil die einfach besser zahlten. Und vom IT-Journalismus war es nicht weit in Public Relations und dann noch kürzer in Marketing für Software-Hersteller und -Distributoren.

Nicht alles war Gold, was da geschrieben wurde

Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass es Dutzende von Zeitschriften und Magazinen rund um IT Themen gab. Allein für das spezielle Thema Dokumentenmanagement komme ich zeitweise auf vier bis fünf Publikationen. Mein Freund Uli Kampffmeyer weiß es bestimmt genauer. All das ist Geschichte. Die Zahl der Printmedien ist auch in diesem Segment dramatisch zurück gegangen.

Doch auch hier sollte man, möchte ich die Kirche im Dorf lassen. Diese Magazine waren nicht alles Qualitätsmedien mit tiefgehenden Reportagen und Berichten. Es waren sicher  nicht immer Artikel hehrer, journalistischer, investigativer Helden, die tief gebohrt, brillant geschrieben oder gesprochen haben. Mit Grauen denke ich noch an die vielen Telefonanrufe zurück, in denen man mir – ich war da bereits „in der Wirtschaft“ tätig und hatte aus Sicht der Redaktionen und Anzeigenakquisiteure Geld – Advertorials andrehen wollte. Und, Euer Ehren, ich gestehe meine Schuld ein, denn auch ich bin einmal gekauft mit Bild auf der Titelseite eines solchen Magazins gelandet.

Unterdessen sind nicht nur in der IT-Presse viele Jobs verloren gegangen. Viele kompetente Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich arbeiten durfte, haben ihren Job verloren und das ist natürlich sehr schade. Doch es war schon immer nicht alles qualitativ Gold, was da vermeintlich glänzte, getextet wurde.

Verlage haben Zeichen der Zeit verschlafen – und tun es noch

Vor allem haben aber Verlage und Redaktionen die Entwicklung verschlafen. Oben schreibe ich von „Neuen Medien“. Damit war einmal Bildschirm- und Videotext oder Privatradio und -fernsehen gemeint. Neue Medien sind heute mehr denn je Online-Medien im „Netz“. Neue Medien sind heute soziale Medien mit vielfältigen Kanälen und Formaten, einigen dominanten Playern. Neue Medien sind auch andere, neue Formate. Nicht mehr nur Text, sondern Podcasts und Videos, die technisch im Prinzip jeder produzieren kann. Nochmals explizit: Technisch kann es eigentlich jeder hinbekommen, ob die inhaltliche Qualität  – wobei das zu definieren wäre – und Sorgfaltspflicht gewahrt ist, ist eine andere Frage,

Die digitalen Transformation ist für Verlage und im Journalismus Realität. Man kann jetzt rumweinen und nörgeln, aber das nutzt meiner Ansicht nach nichts. Die Verlage, aber auch wir Journalisten – ich zähle mich noch immer dazu – müssen uns den neuen Realitäten stellen, uns mit neuen Formaten und neuen Bezahlmodellen auseinandersetzen. Auch deshalb finde ich das Experiment von Gabor Steingart und seinem Team beispielsweise sehr spannend. Vielleicht kommt es doch nochmal zu einem Meinungsaustausch.

Im heutigen Journalismus (und im Marketing) sind Experimente gefragt

Und deshalb finde ich Plattformen, wie Piqd spannend, wo Autoren Artikel empfehlen und kuratieren. Und ja, auch hier stellt sich übrigens die Frage, wie sich eine solche Plattform rechnet und wie Autoren wie honoriert werden. Um so etwas zu fördern, habe ich den Talk zu Automatisierng im Livestudio der IBM in Berlin vor kurzem organisiert. Eine ähnliche Kooperation hatten wir dann auch zum Thema Open Source in der öffentlichen Verwaltung mit t3n.

Und das ist auch meine Brücke hinüber zu meinem jetzigen Job. Seit Jahren „mache“ ich Marketing für IT Firmen und vermarkte Produkte. Um es noch klarer und undeutsch zu sagen: Ich versuche Firmen im sogenannten B2B-Umfeld „meine“ Produkte zu verkaufen. Und auch dieses Verkaufen, die Art, wie Marketing „gemacht“ wird, ändert sich, auch wenn es manch einer der Altvorderen nicht wahr haben will. In der Verlagen zeigt das die die unsägliche EU-Urheberrechtsreform, mit der man viele netzaffine, nicht nur junge Leute abhängt.

Die Veränderung im Journalismus ist wahrnehmbar. Im Marketing, in der Unternehmenskommunikation mag sie noch unsichtbarer, schleichender sein, doch auch dort ändern sich Formen und Formate, Berufsbilder und Jobs. Es geht nicht mehr nur darum, Interessenten auf Veranstaltungen mit Häppchen vom fliegenden Buffet und Frontalvorträgen zu befriedigen. Auch hier müssen wir – wie im Journalismus – neue Formate probieren und austesten, denn NEIN, wir verkaufen nicht nur durch Suchmaschinenoptimierung (SEO) oder durch das Tracking des Online-Klickverhaltens. Diese Themen sind extrem wichtig. Marketingfachleute sollten sich damit auskennen, aber es (zumindest im B2B Umfeld) noch mehr gefragt.

Qualität, interessante Formate, guter Informationsgehalt, unterhaltsame, zeitgemäße Aufbereitung, die Bereitschaft zum Dialog und ebenso die Bereitschaft zum Experiment zählen nicht erst seit heute im Marketing und im Journalismus. Genau deshalb habe ich alle Jahre neue Dinge probiert, vom Theaterstück über das Unternehmen 2.0 (könnte man mal aktualisieren und auffrischen) über die Bloggertouren im Bus quer durch Deutschland, bei der wir Bundeswehr, hansgrohe, BASF oder die Bertelsmann-Stiftung besucht haben, bis jetzt zum Livestudio, in dem wir neue Videoformate ausprobieren.

Es gab immer einen Strukturwandel der Öffentlichkeit – auch heute wieder

Wir erleben allenthalben einen Strukturwandel und müssen darauf reagieren. Und das ist bei Leibe nicht neu. Nicht im Marketing, nicht im Journalismus. Ich gehe mal nicht bis zum werten Herrn Gutenberg zurück, aber man denke an den Siegeszug von Radion und Fernsehen und die damit verbundenen Veränderungen, Jobs die entstanden und verschwunden sind. Und heute erleben wir, dass Online-Inhalte, Video- und Audioformate den Medienkonsum und das Informationsverhalten erneut verändern. Das Rezo-Video ist das aktuellste und beste Beispiel. Viele „junge Leute“ hören nicht mehr auf klassische Medien. Sie beziehen ihre Meinung online auch von Nicht-Journalisten. Meiner Ansicht nach wurde viel zu lange gepennt und nun sind Jammern und der Beharrungswille gerade in den klassischen Verlagen groß, weil die Welt sich mal wieder weiter dreht.

Wir sprechen heute vom (gerade Modewort) Influencern, von Storytellern und Markenbotschaftern: „Unternehmen benötigen engagierte digitale Mitarbeiter,“ schreibt Klaus Eck. „Netzwerke werden zu Medien-Plattformen und Medien zu Netzwerk-Plattformen und Unternehmen zu Medien und Netzwerken“, so das Titelbild eines Gesprächs zwischen Gunnar Sohn und Klaus.

Nicht erst seit kurzem sind die traditionellen Verlage gefragt, sich entsprechend zu ändern. Der Journalismus, die Journalisten ändern sich. Neue finanziell und personell tragfähige Modelle müssen entwickelt und getestet werden. Vielleicht muss es ganz andere, neue, noch nicht gedachte Modelle geben, nicht nur für die Reportagen über die „große Politik“, sondern beispielsweise auch für die lokale Berichterstattung, wie gerade Gunnar auf dem Barcamp in Koblenz diskutiert hat.

Und auch Marketing und Unternehmenskommunikation ändert sich. Der Pressespiegel sollte für die Unternehmen nicht mehr der wichtigste Gradmesser dafür sein, dass man in seiner Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Das Engagement online und offline in Communities, das Partizipieren in Diskussionen, der Wille auch Kritik auszuhalten, aber auch mit Argumenten gegen zu halten, all das ist sowohl im Journalismus, wie auch in Marketing und PR gefragter denn je. Es geht um eine anständige Informations-, Streit-, Kommunikations- und Diskussionskultur im Journalismus, aber auch bei Unternehmen und Institutionen. The Times They Are A-Changin‘. Wieder einmal.

Und man mag mir gegen Ende noch ein Statement verzeihen: Wir dürfen den Populisten nicht die neuen Öffentlichkeiten überlassen. Es gab schon mehrmals Zeiten, in denen sie die Klaviatur der modernen Massenmedien besser gespielt haben als die demokratischen Kräfte. Das darf nicht wieder passieren. Deshalb dürfen wir gerade auch die sozialen Kanäle nicht den Demagogen und mit einfachen Antworten zu verführen Suchenden überlassen.

(Stefan Pfeiffer)

Bild von Herbert Aust auf Pixabay

 

Apple: Vergleichsweise weniger Skandale, aber das mag sich ändern

24. Februar 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich habe hier bereits über das Experiment von Kashmir Hill geschrieben, die fünf das Netz, Desktop und mobile Geräte weitgehend beherrschenden Konzerne Amazon, Facebook, Google und Microsoft berichtet und zu einer digitalen Diät aufgerufen. Fünf, Moment, da fehlt doch einer. Stimmt. Apple habe ich noch nicht behandelt.

In den vergangenen Monaten gab es eine interessante Entwicklung: Tim Cook hat sich als weißer Ritter des Datenschutzes gegenüber den Datenkraken positioniert. Er lobt die DSGVO und fordert ähnliche Gesetze in den USA. Gut so, auch wenn man ihm unterstellen könnte, er mache das, weil das Geschäftsmodell von Apple ein anderes ist. Noch lebt man vor allem von Hardware – und das jenseits aller Unkenrufe gut:

Apple makes its money by selling hardware (and taking a generous cut from app sales), not by selling its users’ data or running ads (at least, not anymore).

über I Cut Apple Out of My Life. It Was Devastating

Unser Haushalt und unsere IT ist wie die von Kashmir auch veräppelt und ich kann ihreStatement teilen:

Being asked to remove Apple from my life was like being asked to remove a part of my body that was incredibly useful but that I could live without, like a finger or an eyeball.

über I Cut Apple Out of My Life. It Was Devastating

Man gerät in eine Abhängigkeit. Meine Frau liebt ihr iPhone und legt es oft abends kaum zur Seite (Stichwort Second Screen). Und das nimmt eine noch zentralere Position für sie ein, dass es nun auch per Carplay das Navigationssystem ihres Autos ist. Ich nutze auch diverse Apple-Geräte und gerade auch die Apple Watch mit dem Fitness Tracking geißelt mich jeden Tag. Nur das Smart Home haben wir noch nicht im Einsatz: zu wenige zu teure Geräte, bei denen ich noch glaube, dass sich die Nachrüstung unserer Wohnung nicht lohnt oder zu schwierig ist.

Zwischenfazit: Wenn man sich in das Apple-Ökosystem begibt, wird man sehr schnell davon abhängig, kommt auch schwer wieder raus. Parallel dazu nimmt die Unzufriedenheit angesichts einer wahrgenommenen Hochpreisigkeit und Hochnäsigkeit von Apple auch bei treuen Apple-Fans zu.

Zurück zum Fakt, dass Apple über lange Jahre vom iPhone gelebt hat, ja noch lebt, sich aber die Kaufzyklen zu reduzieren scheinen, da die Innovation noch bessere Kamera alleine nicht mehr zieht. Anwender nutzen ihr Gerät länger. Deshalb will man jetzt mehr Geld mit Services  – Video, Gaming, Musik, News – machen.

Apple_pivots_to_media_as_iPhone_sales_fall_- Axios
Copyright: Data: Company earnings reports; Chart: Axios Visuals

Und schon kommt Apple, das bisher im Vergleich zu Facebook, Google und Co deutlich weniger Skandale zu verzeichnen hat, mehr in die Schlagzeilen. Die derzeitige Diskussion um Apple News, den Nachrichtendienst, der wohl am 25 März starten soll, ist ein deutliches Zeichen dafür. Apple streitet sich nun mit den Verlagen darüber, wer welches Stück vom Kuchen bekommt. Und Apple möchte natürlich ein gewaltiges Stück. davon. Und viele Verlage, deren Werbeeinnahmen massiv zu Facebook und Google gewandert sind, wehren sich dagegen, dass nun auch die Einnahmen für bezahlte Inhalte abnehmen.

Bedenklich, auch wenn ich persönlich gerne einen solchen Nachrichtendienst hätte, der mir über die verschiedenen Publikationen hinweg, die Informationen liefert, die ich lesen und für die ich bezahlten würde. Blendle hat mich bisher noch nicht überzeugt. Ein solcher Dienst wird früher oder später kommen müssen, allein für welchen Preis für Verlage, Journalisten und Konsumenten. Bei der Schnarchnasigkeit und dem Unverständnis des Konzepts Internet deutscher Verlage – vielleicht von Verlagen insgesamt, wie es ja gerade auch die gegenwärtige Diskussion um Uploadfilter und Leistungsschutzrecht zeigt – scheint es mir eher wahrscheinlich, dass Giganten wie eben Apple die Sahne abschöpfen werden.

(Stefan Pfeiffer)

 

 

 

 

 

Offener Brief an die Verleger und Verlage: Hört vor allem online mit Euren Sch…-Aboangeboten auf und bietet ein zeitgemäßes, übergreifendes Angebot an!

4. Januar 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich bin wirklich willens – und tue es auch -, für journalistische Beiträge, generell wertvolle und inspirierende Inhalte die mich interessieren, Geld zu bezahlen.

Ich bin aber nicht bereit, für jede Publikation – ob online oder Print – ein Abonnement anzuschliessen. Das wird mir zu teuer. Und das kann und will ich einfach nicht alles lesen.

Ich selektiere die Artikel, die mich interessieren. Ich stosse auf die Beiträge über Twitter, Twitter-Listen, meine Feeds in feedly oder Empfehlungen. Andere nutzen Facebook. Instagram, Xing, WhatsApp, LinkedIn … Das ist, wie heute Information konsumiert wird.

Liebe Verlage, kommt endlich aus Eurer Wagenburg raus. Die Welt hat sich geändert. Klassische Abos sind nicht mehr zeitgemäß und so werdet ihr noch weiter abnippeln.

Denkt mal über andere innovative Modelle nach. So schwer ist es nicht. Tut Euch zusammen. Schafft einen Pool, bei dem man Geld hinterlegt und dann verlagsübergreifend gezielt einzelne Artikel einkaufen kann. ICH würde das tun. VIELE, die ich kenne, würden das tun.

Und wenn Ihr ganz fortschrittlich seid, seid Ihr sogar mutig und baut eine Zufriedenheitskomponente ein. FLATTR gab es schon mal. Schon mal davon gehört? Nur war und ist die Bezahlung dort freiwillig. Denkbar, dass man für einen Artikel einen Basisbeitrag zahlt und wenn er einem besonders gut gefällt, zahlt man freiwillig mehr? Ich glaube, das könnte funktionieren.

Was gibt es denn zu verlieren? Einfach mal Rat einholen und schnell ausprobieren.

So verliert ihr immer mehr Leser.

In diesem Sinne

Stefan Pfeiffer