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Digitalthemen bei #9vor9: Ist der Einzelhandel wirklich schon so digital? Und von journalistscher Nabelschau statt stilsicherer Sorgfalt und Etikette

20. Mai 2020 Posted by Stefan Pfeiffer

Ich gebe zu, dass es mir gar nicht so aufgefallen ist: die „No Hyperlink“-Politik, die wohl das journalistische Projekt bzw. die einzelnen Projekte von The Pioneer (wie das Morning Briefing oder das Tech Briefing) praktizieren. Lars Basche hat uns heute bei #9vor9 darauf aufmerksam gemacht. Geht eigentlich gar nicht. Geht vor allem nicht, wenn man die vollmundigen Ankündigungen von Gabor Steingart über neuen Journalismus liest.

In meiner journalistischen Ausbildung habe ich immer gelernt, Quelle mindestens zweimal zu prüfen (bzw. die Fakten) und diese auch zu benennen. Im „Netz“ habe ich gelernt, dass man zu seinen Quellen verlinkt. Zu all diesen Praktiken stehe ich auch weiterhin voll und ganz und praktiziere es auch (hoffentlich immer).

Was mir dieser Tage im Morning Briefing sauer aufgestoßen ist, ist die Beschimpfung und Herabwürdigung von Saskia Esken als „bedürftig“. Auch das geht aus meiner Sicht gar nicht. Bei aller kontroversen sachlichen Diskussion und bei aller Lust an Formulierungen sollte immer der Respekt vor anderen im Gedächtnis bleiben. Und dementsprechend gilt es auch zu schreiben und zu sprechen. Dabei kann jedem von uns etwas heraus rutschen, was nicht korrekt ist. Dann gilt es aber auch den Mut und Anstand zu haben, sich zu entschuldigen.

Wir drei von #9vor9, Gunnar, Lars und ich, hatten den Eindruck, dass bei ThePioneer unterdessen die Selbstinszenierung und -beweihräucherung von Gabor Steingart ein nahezu unerträgliches Maß einnimmt. Ein Fegefeuer der Eitelkeiten auf der einen Seite. Bewusste Provokation auf der anderen Seite, um Aufmerksamkeit zu erzielen. Schade, das Vorgehen erinnert frappierend an Boulevard-Blätter, die wir alle kennen. Und besonders schade, weil ich das Projekt an und für sich für sehr interessant halte.

Eingestiegen sind wir allerdings mit dem Tech Briefing vom 15. Mai von Daniel Fiene, der eine Bitkom-Studie behandelt, die ein wesentlich digitaleres Bild des deutschen Einzelhandels zeichnet als das, dass wir wahrnehmen. Ich hatte im vorhergehenden #9vor9 ja auf die nicht so berauschenden Erfahrungen in Darmstadt verwiesen. Wir alle sahen hier noch viel Nachholbedarf, gerade auch auf regionaler und lokaler Ebene, wo Plattformen gerade für den Einzelhandel eine wichtige Möglichkeit bieten könnte, beispielsweise in einer gemeinsamen Auslieferung von waren.

Und losgelöst von unseren Werbeblocks: Gunnar stellt noch ein Projekt vor, bei dem Stellenanzeigen als Indikator für die Konjunkturpolitik benutzt werden. Und apropos Stellenanzeigen: einen Ausblick auf die nächste Sendung gibt es auch noch.

Und brav noch einige Links mit dem von Gunnar erwähnten Projekt:

Und das Livestudio als Podcast findet Ihr beispielsweise hier bei Apple (aber natürlich auch bei Deezer, Spotify oder Google).

Politische Themen: Wann muss ein CEO Stellung beziehen? Muss ein CEO überhaupt Stellung beziehen?

4. Juli 2019 Posted by Stefan Pfeiffer

Klare Kante, die Reinhard Sprenger, promovierter Philosoph, Berater und Autor, in einem Interview mit der Wirtschaftswoche angesichts eines Tweets von Siemens-Chef Joe Kaeser zur Sea Watch-Affaire zeigt.

Manager verwalten Geld, das nicht ihnen gehört, und sind Angestellte von Aktionären. Diese müssten sie eigentlich erst um Erlaubnis fragen, ob sie sich zu solcherlei fremden Themen äußern dürfen.

über Sea Watch: Warum Siemens-Chef Kaeser besser nicht getwittert hätte

Firmenchefs dürfen sich demnach nicht zu gesellschaftspolitischen Ereignissen. Sie haben gefälligst Geld zu verdienen. Das ist ihr Auftrag. Dem Wirtschaftsführer solle hoffentlich egal sein, „ob ein moralisch einwandfreier Mensch oder ein Unhold seine Produkte kauft“. Sprenger warnt vor derzeit populistischem „Greenwashing“. Unternehmen müssten neutrale Begegnungszonen sein. Und vor allem Geld verdienen, füge ich hinzu.

Joe Kaeser sieht das offensichtlich anders, wie er schon vor geraumer Zeit geschrieben hat. Auch wenn er kein politisches Mandat habe, auch wenn sein Amt als Vorstandvorsitzender ihn nicht dazu bevollmächtige, im Namen seines Unternehmens, der Mitarbeiter oder der Aktionäre zu politischen Themen zu sprechen, müsse er Stellung beziehen können, dürfen, müssen, meint Kaeser.

Zwei Welten prallen aufeinander: Das althergebrachte und in der Regel praktizierte Verhalten von Wirtschaftsführern, sich aus politischen und gesellschaftlichen Themen heraus zu halten. Oder muss gerade auch ein Vorstand zu brisanten politischen Aspekten Stellung beziehen, wenn sie oder er es für wichtig und angebracht hält? Wohl wissentlich, dass die Aussagen trotz des gängigen Zusatzes „es ist nur eine private Meinung und nicht die meines Unternehmens “ im „Impressum“ von sozialen Medien bewusst oder unbewusst überlesen werden. Man werde – so konstatiert auch Kaeser – „Privatmann und CEO nicht voneinander trennen“.

Meine 2 Cents: Unternehmenslenker müssen öffentlich klare Ansagen machen und Aussagen treffen, wenn aus ihrer Sicht Grenzen überschritten werden. Mir sind solche Äußerungen lieber, als dass man still ist und still hält. Das hatten wir in der deutschen Geschichte schon einmal. Es wurde geschwiegen, geduldet, ja auch gespendet und gefördert. So etwas darf nicht mehr passieren.  Wegschauen gilt nicht mehr. Das sollten wir gelernt haben. Deshalb stimme ich Kaeser zu:

Ein CEO kann, darf, soll politisch sein. Manchmal muss er sogar politisch sein, wie ich finde.

Quelle: Wie politisch soll/kann/darf ein CEO sein?

Es muss nicht immer Twitter sein, aber es ist ein Indiz, dass nur 6 der 30 deutschen DAX-Chefs dort aktiv sind und Flagge zeigen. Ja, Vorstände, ein CEOs, Unternehmenslenker sind zuerst Besitzern und Aktionären verpflichtet. Sie müssen und sollen Gewinn erwirtschaften. Doch sie sollten auch jenseits des nächsten Quartalsendes denken und wo sie es – sinnvollerweise in Abstimmung mit Vorstand, Geschäftsführung, gegebenenfalls auch Mitbestimmung – für richtig und wichtig erachten, handeln und Stellung beziehen. Nicht à la TrumpÄsche Dauerbeschallungsmaschine, sondern gezielt und klar.

Solch pointierte, öffentliche Aussagen können und werden zu Konflikten und auch – wie im Falle Kaeser – zu Anfeindungen und Bedrohungen der eigenen Person und Familie führen. Wer trotzdem den Mut hat, öffentlich für demokratische und humanistische Prinzipien eintritt, der hat meine Hochachtung. Dazu muss ich nicht mit alle seinen öffentlichen Aussagen inhaltlich übereinstimmen.

P.S. Im größeren Kontext könnte man jetzt noch das Thema Corporate Responsibility oder Corporate Citizienship – Verantwortung der Unternehmen für die Gesellschaft – aufmachen, aber das ist vielleicht mal eines separaten Artikels wert.

(Stefan Pfeiffer)

 

 

 

 

 

„Kennen die Konzerne kein Maß, verlieren die Gesellschaften ihre Mitte“ – Gabor Steingart

3. Dezember 2018 Posted by Stefan Pfeiffer

Seine derzeitige Promotion von Friedrich Merz in den morgentlichen Briefings gehen mir zugegebenermaßen gegen den Strich. Da wird mir Merz zu sehr zur Intelligenzbestie und zum wirtschaftlichen Heilsbringer „hochsterilisiert“. Aber Gabor Meingart bringt auch immer wieder lesens- und zitierwerte Beiträge und da kann ich nicht widerstehen.

Hier anläßlich der Diskussion um die Renditeziele von 20 Prozent bei Unilever:

Denn das Generalproblem der Politik, das Abgehängtsein der Wähler oder ihre Angst davor, entsteht genau hier: in den Großkonzernen. Scheitern die Betriebsräte, hat der politische Reparaturbetrieb kaum eine Chance. Eigentum verpflichtet, heißt es in unserer Verfassung, auch zu Maß und Mitte, würde man gerne hinzufügen. Die Arbeitsteilung ist von teuflischer Art: Kennen die Konzerne kein Maß, verlieren die Gesellschaften ihre Mitte.

über Gabor Steingart. Das Morning Briefing. – 3.12.2018

Und ich kann nur zustimmend nicken, nicht nur, aber auch wegen des seit Jahren herrschenden Quartalswahnsinns bei börsendatierten Unternehmen. Gegen gesundes Wirtschaften und Gewinn ist nichts zu sagen, aber eben mit Maß. Ob Herr Merz das auch so sieht, lieber Gabor Steingart?

Zur Klimakatastrophe:

Die politische Klasse, die mit Wichtigtuer-Pose vor der Klimakatastrophe warnt, nimmt sich erkennbar selbst nicht ernst. Sie predigt Wasser und tankt Benzin.

über Gabor Steingart. Das Morning Briefing. – 3.12.2018

(Stefan Pfeiffer)