Entwicklung bzw. Fortschreibung der IT-Sourcing Strategie
(geschrieben von Bernd Küppers & Frank Deleiter)
Im vorangehenden Beitrag haben wir diskutiert, warum immer mehr Unternehmen IT-Sourcing betreiben und welche Möglichkeiten es dazu gibt. In diesem Artikel möchten wir nun Anregungen geben, wie man als Unternehmen seine individuelle IT-Sourcing Strategie festlegen kann.
Eine IT-Sourcing Strategie sollte Teil einer unternehmensweiten Sourcing-Strategie sein, in der die Unternehmensleitung festlegt, wie die Fertigungstiefe des Unternehmens in den einzelnen Bereichen der Organisation sein sollte bzw. nach welchen Kriterien die Fertigungstiefe zu bestimmen ist. Damit ist eine Sourcing-Strategie immer individuell auf ein Unternehmen zugeschnitten.
Die Entwicklung dieser Strategie besteht wie im Schaubild illustriert typischerweise aus mehreren Schritten:
1. Start und Strategische Analyse
Nach der Basisklärung (u.a. Grundzweck der Aufgabenstellung, Umfang der Untersuchung, strategische Rahmenbedingungen und Strukturüberblick hinsichtlich der IT- Leistungen) muss als zentraler Ausgangspunkt aller Sourcing-Überlegungen festgestellt werden, inwieweit ein Unternehmen bereit ist, Verantwortung und Ressourcen (zwischen intern und extern) zu verteilen. Dadurch kann sich der Lösungsraum der Sourcing Varianten zielgerichtet eingrenzen. Die Optionen wie „Eigenbetrieb“, „Teil-Sourcing“, „Total-Outsourcing“ ebenso wie die mögliche zukünftige Form der Zusammenarbeit werden initial bewertet und ein Sourcing-Profil definiert.
Ebenso wichtig ist die Einschätzung der Kernkompetenzen der IT. Für Kernkompetenzen einer IT sollte lediglich internes Sourcing weiter verfolgt werden. Für alle weiteren Aufgabenbereiche (Nicht-Kernkompetenzen) kann weiter auf Produktivitätserhöhung hin untersucht und damit auch die Option des externen Sourcing weiterverfolgt werden.
In der strategischen Analyse wird weiterhin ein Bewertungsmodell entwickelt und verabschiedet. Abhängig von der Granularität der Serviceblöcke sollte aus Effizienzgründen das Modell Kriterien für eine Vorfilterung enthalten, da es für manche Aufgabenbereiche bzgl. externem Sourcing keinen Sinn macht, weiter zu untersuchen. Als Filter-Kriterien eignen sich beispielsweise „Service ist Kernkompetenz“, „Gering eingestufte Reife eines Services bei IT Providern“ oder „Aufwandsteil für den Service zu gering“.
Für die verbleibenden Servicebausteine sind die Kriterien für die eigentliche Bewertung der Service-Kandidaten festzulegen. Als Bewertungskriterien eignen sich beispielsweise: Aufwand, Kosten, Volumenschwankung, heutige Einschätzung der Fertigkeiten und Grad der Industrialisierung sowie der Dokumentationsstand. Sie können Indikationen bzgl. des Nutzens von Sourcing und dem mit der Transformation zum Sourcing verbundenen Aufwand geben.
Im Vorfeld sollte geklärt sein, inwieweit vorhandene Skills im Rahmen des Projekts berücksichtigt werden sollen und ggf. durch eine optionale Organisationsanalyse mit erhoben werden sollen. Diese sind insbesondere beim Transfer von Sourcing-Kandidaten in den definierten Kernkompetenzen von Relevanz. Entsprechend ist dies bei den Kriterien dann (z.B. als Aufwand für Personaltransfer) zu berücksichtigen.
2. Bewertung ausgewählter Service-Bausteine
In dieser Phase erfolgt die eigentliche Evaluierung von Service-Bausteinen mit dem definierten Team der IT Organisation. Nach der Wertung der Kriterien sollte erkennbar sein, welche Service-Bausteine gleichzeitig einen großen Nutzen versprechen und vertretbaren Transformationsaufwand indizieren.
3. Bewertung der Steuerungsfähigkeit
In der dritten Phase wird untersucht, ob die Fähigkeiten zur Service Integration der Services von verschiedenen Dienstleistern gut genug ausgeprägt sind, oder in welchem Bereich diese Fähigkeiten noch verbessert werden sollten. Die Bewertung der Fähigkeiten zur Service Integration kann sehr gut entlang der sechs Dimensionen des IBM Service Integration Capability Models erfolgen, wie in den vorangehenden Beiträgen dieses Blogs beschrieben (4/12 bis 10/12).
Falls die Fähigkeiten zur Service Integration nicht hinreichend ausgeprägt sind, dann kann es in der Folge zu Problemen bei der Zusammenarbeit mit den Service Providern und zu spürbaren Einbußen bei der Service-Qualität kommen. Daher ist es wichtig, das richtige Maß an Fähigkeiten zur Service Integration rechtzeitig zu entwickeln – oder sich von einem erfahrenen Partner an dieser Stelle Unterstützung zu holen.
4. Entwicklung und Abstimmung der Sourcing-Strategie
In dieser Phase wird nach Kenntnis der aussichtsreichsten Service-Kandidaten ein sinnvoller Service-Schnitt entwickelt. Dabei werden typischerweise einzelne Bausteine wieder zugunsten der Volumengrößen und Steuerungsaufwände zu größeren Sourcing-Blöcken zusammengeführt. Die so entstandenen Sourcing-Blöcke werden ggf. auch um weitere angrenzende Aufgabenbereiche ergänzt, die in der Einzel-Bewertung als Service-Kandidaten nicht aussichtsreich erschienen.
Teil des Zielbilds für das Sourcing Modell ist eine Roadmap zur Optimierung der Steuerungsfähigkeit von IT Dienstleistern und ein grundlegendes Zusammenarbeitsmodell mit den Providern.
An dieser Stelle kommt bzgl. der eigentlichen Sourcing Strategie ein Meilenstein zur Abstimmung mit der Geschäftsführung, bevor es dann mit den nächsten Phasen weitergeht:
5. Vorbereitung der Umsetzung des Zielbildes
Nach der Abstimmung und Entscheidung bzgl. eines oder mehrerer Piloten sind für die ausgewählten Serviceblöcke die Anforderungen so zu beschreiben, dass ein angefragter Provider ausreichend Informationen hat, um einen RFI zu beantworten. Der Provider wird beauftragt, die Kosten für den ausgewählten Piloten zu schätzen. Weiterhin sind die Auswirkungen auf betroffene Mitarbeiter zu beleuchten und zu bewerten. Die Mitarbeiter eines Sourcing Blocks sind bzgl. ihrer Skills in andere Bereiche zu entwickeln, was mit Kosten verbunden ist. Auch die kundenspezifische Erfahrung bzgl. der Mitarbeiterfluktuation muss einfließen. Diese und andere durch personelle Veränderungen bedingte größere Kostenblöcke müssen im Business Case berücksichtigt werden.
6. Business Case für Pilotservices
Im Business Case wird die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung für einen zu definierenden (typischerweise 3-5 Jahre) Zeitraum durchgeführt. Die zwischenzeitlich beim Provider angefragten Kosten für den ausgewählten Piloten sollten jetzt vorhanden sein, damit die Ist-Kosten den Kosten des Providers plus Transformationskosten gegenübergestellt werden können. Obwohl Kosteneinsparung bei vielen Kunden gar nicht mehr als primäres Ziel einer Transformation zum Outsourcing gesehen wird, sollte immer eine angemessene Transparenz zum Kostenverlauf die Erwartungshaltung klären.
Ab diesem Punkt können die Sourcing Entscheidung getroffen werden und die Sourcing Strategie weiter umgesetzt werden. Die Ausschreibung kann beginnen.
Sourcing-Strategie-Zyklus
Da sich die Rahmenbedingungen für Unternehmen rasch verändern können, sollte die Sourcing-Strategie regelmäßig auf Aktualität geprüft und fortgeschrieben werden. Dazu sollten schon bei der ersten Entwicklung der Strategie und danach in jedem neuen Zyklus Ziele definiert werden, die in der Folge dann umgesetzt und hinsichtlich der erfolgreichen Umsetzung überprüft werden.
Diese Sourcing Ziele sollten wie üblich “SMART” („Specific, Measurable, Accepted, Realistic, Timely”) formuliert sein, damit die Aktivitäten zur Erreichung der Ziele gut als Projekt steuerbar sind.
Ein mögliches Ziel ist zum Beispiel, dass in einem Zeitraum von 6 Monaten folgendes erreicht werden soll:
• Es werden 5 Service-Kandidaten identifiziert und jeweils in einem Service-Steckbrief beschrieben
• Von diesen 5 Service-Kandidaten werden die aussichtsreichsten 1-2 Kandidaten ausgewählt und näher untersucht
• Die 1-2 Kandidaten sollen innerhalb von weiteren 6 Monaten realisierbar sein
• Die durch Sourcing realisierte Einsparung soll –nach Abrechnung der für die Service Integration entstehenden Kosten- mindestens x Mio. € p.a. betragen.
Im Beispiel wird von der Annahme ausgegangen, dass das häufig angefragte „selektive Sourcing“ im Sourcing Profil definiert wurde.
Bei regelmäßiger Überprüfung mit Blick auf diese Ziele kann die Unternehmensleitung den Stand der Umsetzung und Zielerreichung überblicken, steuernd eingreifen und ggf. den nächsten Zyklus des Strategie-Prozesses einleiten, um die Strategie zu aktualisieren.
Der typische Zeitraum für einen Strategie-Zyklus liegt bei ca. einem Jahr. Aufgrund der dynamischen Veränderungen am Sourcing-Markt liegt die Dauer bei manchen Kunden auch schon deutlich darunter.
Mit diesem Beitrag kommen wir zum Abschluss der Serie zu Service-Integration in Multi-Sourcing/ Hybrid IT. Wir bedanken uns für Ihr Interesse und hoffen, dass wir hilfreiche Anregungen geben konnten. Wir sind natürlich auch weiterhin immer ansprechbar, wenn Sie Fragen rund um die Themen Sourcing und Service-Integration haben sollten.
Zu diesen Themen werden wir auch zukünftig bei Gelegenheit hier weitere Artikel veröffentlichen.
Bis dahin nochmals Vielen Dank für Ihr Interesse.