Sein persönliches Adressbuch ist aktuell. Die Telefonnummern und
E-Mail-Adressen der wichtigsten Ansprechpartner sind immer à jour, oft
leider nur im persönlichen Adressbuch und nicht im CRM-System der Firma.
Aber das ist eine andere Geschichte. Beim Kunden ist er bekannt wie ein
bunter Hund und durchaus geschätzt, denn er ist auch ein Kümmerer, der
genau weiß, dass er seinen Kunden auch jenseits des gerade getätigten
Deals helfen muss. Er will ja wieder Geschäfte mit dem Kunden machen,
denn zufriedene Kunden kaufen wieder oder mehr. Otto ist ein
Kommunikator, er redet gerne (und viel), baut Beziehungen auf und pflegt
sie. Natürlich hat Otto auch ein Profil auf XING, vernetzt sich dort
mit seinen Kunden und Interessenten und nutzt XING (nur) als Adressbuch.
Otto weiß auch, dass er seine Kollegen aus der Technik und dem
Projektgeschäft braucht, denn er ist niemand, der sich in technische
Details oder Spezifikationen vertieft. Also pflegt er auch intensiv sein
firmeninternes Netzwerk, den Kontakt zu Architekten und
Servicepersonal. Bis in die Produktentwicklung kennt er Leute und nutzt
diese Kontakte, oft auch zum Leidwesen der Vorgesetzten, denn Otto
pflegt durchaus an den normalen oder vorgeschriebenen Prozessen vorbei
zu gehen. Dies führt ab und an zu Spannungen, aber man verzeiht ihm,
denn er ist erfolgreich und im Grunde genommen ein netter Kerl. Wie
beschrieben, Otto ist einfach der erfolgreiche Vertriebsprofi alter
Schule. Er lebt von seinen externen und internen Beziehungen und seinem
Netzwerk.
Seit einiger Zeit beobachte ich nun einen neuen Schlag Vertriebler.
Ich nenne ihn mal Julian. Julian ist ein junger Kerl, der frisch von der
Uni oder Berufsakademie ins Unternehmen gekommen ist. Julian ist
logischerweise mit StudiVZ und Facebook aufgewachsen. Er nutzt das auch
privat, um mit seinen Freunden weltweit Infos auszutauschen. Da ist
natürlich der nächste Schritt nicht weit, denn Julian ist ja ein helles
Kerlchen. Warum nicht soziale Netzwerke auch für seinen Vertriebsjob
einsetzen? Also fängt er an, sich intensiv auf XING zu vernetzen. Julian
recherchiert Ansprechpartner bei seinen Kunden und hat auch keine
Hemmschwelle, diese über das soziale Netzwerk zu kontaktieren. Mal
reagieren die Ansprechpartner positiv, mal reagieren sie nicht. Doch
Julian geht noch mindestens einen Schritt weiter. Er prüft, welche
Onlinecommunities oder Gruppen es auf XING (und anderswo) gibt, in denen
"seine" Themen, sein Vertriebsgebiet und seine Branchen diskutiert
werden. Dort wird er Mitglied, liest mit und reagiert, wenn sich
Ansatzpunkte ergeben. Wenn die entsprechenden Communities Treffen
vereinbaren, geht er natürlich auch hin, um Kunden und Interessenten
nicht nur virtuell, sondern auch persönlich kennenzulernen. Daneben
schaut er sich genau ab, was Otto so treibt und kopiert dessen "Best
Practises". Auch Julian weiss, wie wichtig Beziehungen und sein Netzwerk
für seinen Erfolg sind.
Julian hat verstanden, wie er soziale Medien in seinem beruflichen
Umfeld einsetzen kann, um sich mit seinen Kunden zu vernetzen und
erfolgreicher zu sein. Er ist experimentierbereit und probiert Kanäle
wie Twitter aus, auch wenn er dort (noch) nicht viele seiner Kunden
findet. Über die sozialen Netze lädt er Interessenten und Kunden zu
Events und Webinars ein. Und nach einer Weile traut er sich auch, in den
Communities zu kommentieren und eigene Beiträge zu schreiben. Im
Idealfall hat Julian Hilfestellungen, wie er sich in den sozialen Medien
bewegt. Das können sogenannte Social Media Guidelines sein. Das sollten
auch Kolleginnen und Kollegen sein, die ihn beraten, wenn er Fragen
hat. Mit denen bespricht er, wie offensiv er öffentlich gegenüber dem
Wettbewerb sein kann, wie er auf Kritik reagiert und vieles mehr. Julian
ist kein offizieller Unternehmenssprecher, aber nach einer Weile ist er
online als Mitarbeiter der Firma bekannt, ein Gesicht, das man mit dem
Unternehmen identifiziert.
Aufbauend auf dem, was ihm Otto vorlebt, setzt Julian einen weiteren
Kommunikations- und Vernetzungskanal hinzu: soziale Medien und soziale
Netzwerke. Dieser neue Kanal hat seine eigenen Regeln und Normen, die
Reichweite ist eine andere, denn Äußerungen sind "öffentlicher" als im
persönlichen Telefongespräch oder Treffen. Aber natürlich ist diese
Reichweite auch eine Chance. Nun höre ich wieder die Skeptiker:
- "Im Business-to-Business (B2B) spielt das keine Rolle."
- "Für meine Themen gibt es keine Communities. Die sind viel zu speziell."
- "Über soziale Medien erreiche ich nur das Fussvolk und nicht die Entscheider."
- "Ich kann doch nicht überall aktiv sein, Twitter, Facebook, XING,
LinkedIn, Google ... Was denn noch? Da hab ich keine Zeit für. Ich muss
verkaufen."
In all diesen Einwändern steckt auch ein Fünkchen Wahrheit, aber
- das Fussvolk sind "Influencer", die Geschäfte beinflussen und zu denen sollte man auch eine Beziehung haben,
- man muss nicht überall hyperaktiv sein, sondern man kann sich die Community oder das Netzwerk aussuchen, wo man sich wohl fühlt,
- Studien
weisen unterdessen nach, dass ein großer Teil von Kaufentscheidungen im
B2B durch soziale Netzwerke und Onlinediskussionen beeinflusst werden,
- man kann (zusammen mit Marketing) auch Themen pushen und Communities
aufbauen, um zu einem Komplex als "Thought Leader" aufzutreten und
Interessenten so abzuholen.
Wie gerade erwähnt sind schon heute Einkäufer, Entscheider und
Influencer massiv in sozialen Netzwerken aktiv. Und dies wird immer
weiter zunehmen, denn die jüngere Generation scheint noch
netzwerkaffiner und noch stärker "social" zu sein. Wir bewegen uns
massiv ins "Social Business", in denen die erfolgreich sind, die sich
auch über soziale Kanäle extern und intern vernetzen. Julian ist einfach
der Otto der nächsten Generation, der Vertriebsprofi, der weiß, wie
wichtig ein persönliches Beziehungsgeflecht ist. Und fortschrittliche
Unternehmen werden Julian auf seinem Weg begleiten, unterstützen und
coachen, ihm Datenflatrate und Smart Phone zur Verfügung stellen.
Die Ottos und Julians gibt es nicht nur im Vertrieb. Im Marketing
gibt es sie ebenso: Die Marketingkollegen, die die Klaviatur des
konventionellen Methoden des Marketings beherrschen, und diejenigen, die
Social Media on top setzen. Die Referenten des IBM Social Business JamCamps,
das wir im Oktober durchführen, habe ich zu großen Teilen über meine
sozialen Netze gewonnen. Über "Social Media Monitoring" bin ich auf
eloquente Experten aufmerksam geworden, habe mit ihnen Kontakt
aufgenommen, mich mit ihnen vernetzt und sie vom JamCamp überzeugen
können. Darunter sind technische Experten und Digital Residents ebenso
wie CIO's und CMO's. Kommunikationsabteilungen haben meist schon
realisiert, dass nicht nur Journalisten heute Einfluss nehmen. Sie gehen
auf Blogger und Online Influencer zu und behandeln sie ebenso wie die
Journalisten. Produktentwicklung: Unternehmen verstehen immer mehr, wie
sinnvoll es sein kann, in sozialen Netzwerken zuzuhören oder gar dort
Input einzuholen, um die eigenen Produkte kundengerecht
weiterzuentwickeln. HR-Abteilungen realisieren, dass sie High Potentials
gut über soziale Medien identifizieren können. Die Einsatzgebiete für
Unternehmen sind vielfältig und vielleicht noch nicht durchdekliniert,
aber spätestens jetzt ist der Zeitpunkt, sich auf den Weg zum "Social
Business" zu begeben.
Ich füge hier einmal eine Grafik von Forrester hinzu, auf die ich
heute gestossen bin. Sie zeigt einige Einsatzgebiete (leider nicht mein
Beispiel Vertrieb) auf. Weitere werden folgen: