Am vergangenen Dienstag hat sich der IBM Club of Excellence in Frankfurt. In den Club werden CIOs eingeladen, die sich für aktuelle IT- und CIO-Themen befassen (mit denen sich die IBM in der Regel auch beschäftigt). Diesmal stand der Arbeitsplatz der Zukunft oder wie wir neudeutsch sagen der Digital Workplace auf der Agenda. IDG hat hier mit Unterstützung diverser Sponsoren gerade eine Umfrage und Studie im deutschsprachigen Markt erstellt, die der leitende Redakteur der Computerwoche und des CIO Magazins Hans Königes in Frankfurt vorstellte. [Ein Auszug aus der Studie kann in Kürze hier gegen Registrierung heruntergeladen werden.]
IDG Umfrage zum Arbeitsplatz der Zukunft
Die zentralen Ergebnisse der Studie sind – zumindest für mich – nicht wirklich überraschend. Die Mitarbeiter wollen heutzutage flexibel arbeiten. Dies beinhaltet Wahl des Ortes (im Büro, im Home Offices, unterwegs) ebenso wie möglichst zeitliche Flexibilität (es müssen keine festen Bürostunden sein) wie auch technische Verfügbarkeit der Werkzeuge zur Kommunikation und Zusammenarbeit wie auch der notwendigen Datenbestände. Klingt banal, ist es aber sicher nicht, aber ein absolute Ntowendigkeit, gerader wenn man auch agil über Standort-, Länder- oder gar Unternehmensgrenzen arbeiten will.
Starke These von Oppermann: Vergesst Collaboration, fokussiert auf Automatisierung
Im Anschluss an Hans Königes ist dann Axel Oppermann, Analyst, Berater und Kolumnist hier auf CIOKurator in den Ring gestiegen. Und das Wort in den Ring gestiegen passt hier wirklich: Wer sich heute noch im Schwerpunkt mit der Einführung oder gar Auswahl von Kollaborationswerkzeugen auseinandersetze, habe die Zeit verschlafen. Wer es jetzt noch nicht geschafft habe, solche Tools erfolgreich einzuführen, der werde es auch in den kommenden Jahren nicht schaffen. Stattdessen solle man angesichts von Fachkräftemangel und digitaler Transformation in vielen Industrien auf Automatisierung setzen, um mögliche Einsparungen zu machen, die Effizienz zu steigern und dadurch dem Fachkräftemangel zu begegnen. Starke Worte, die dann auch zu einer regen Diskussion im Auditorium beitrugen (und auch schon hier auf CIOKurator weitergeführt wird). Hier ist ein Videointerviews zum Thema, das Gunnar Sohn im Vorfeld des Club of Excellence geführt hat. Da hat er sich quasi warm gelaufen.
Nun sind einige Tage vergangen, ich habe die Thesen mehrmals gedanklich Revue passieren lassen und muss natürlich meinen Senf hier dazu geben. Meiner Ansicht nach liegt Axel mit dem Abwatschen in der Diskussion rund um Kollaborationswerkzeugen komplett daneben. Das Thema ist sicher kein Schönwetterthema, sondern zentraler denn je, den ohne vernünftige Kommunikation und Zusammenarbeit keine Automatisierung und auch ganz sicher keine digitale Transformation. Ja, vielleicht müssen wir unsere Strategie verändern. Statt die Werkzeuge mit dem Kübel über alle Mitarbeiter, Funktionen und Bereiche zu schütten, sollten, ja müssen wir viel mehr auf die Anwendungsgebiete fixieren, die uns wirklichen Mehrwert bringen oder die wir machen müssen (Stichwort Compliance).
Erfolgreiche Kollaboration: Zielgebunden, mit fortlaufendem Coaching und transparenter „Kollaborationsvereinbarung“
Was meine ich damit? Um digital zu transformieren und Geschäft sowie Prozesse neu zu denken, brauchen wir – ich benutze das Unwort- agile Teams, denen wir die notwendigen Werkzeuge, Arbeitsweisen und Methoden an die Hand geben müssen, damit sie gut zusammen denken und arbeiten können. Und behalten wir bei unseren Szenarien im Blick, dass immer eine fortgehende Schulung, mehr Coaching denn Schulung der involvierten Mitarbeiter und vor allem eine Vereinbarung getroffen werden sollte, mit welchen Werkzeugen man wie arbeitet und wie man seine Gedanken und Arbeit festhält und dokumentiert. Je mehr ich darüber nachdenke, desto sinnvoller erscheint mir eine solche „Kollaborationsvereinbarung“, die zumindest allen im Team bekannt, oft generell transparent sein sollte: Wir arbeiten so und so mit diesen Verantwortlichkeiten und dokumentieren es hier mit diesen Werkzeugen. Man legt quasi einen Code of Conduct fest, der allen bekannt ist.
Eine weitere zentrale Aufgabe auch jenseits der Transformationsprojekte ist in den meisten Unternehmen die generelle Projektzusammenarbeit und -dokumentation. Projekte können vielfältig sein, von einem Infrastrukturprojekt bis zur Abwicklung einer Veranstaltung reichen. Wie oft mangelt es aber auch gerade auch in diesen Projekten an einer nachvollziehbaren Dokumentation? Die Veranstaltung wurde im vergangenen Jahr von Pauline Müller und Team durchgeführt. Unterdessen hat sie neue Aufgaben. Auch die Teammitglieder haben gewechselt. Wir fangen also mit der Folgeveranstaltung quasi von Null an, statt auf bestehendes Wissen und bestehende Assets aufzusetzen. Unnötige Kosten und Aufwände werden produziert. Auch hier sollte die schon beschriebene Kollaborationsvereinbarung zu Projektbeginn existieren und die Projektdokumentation an den nächsten Projektleiter mit seinem Team übergeben werden können. Verantwortlich dafür ist aus meiner Sicht der Projektleiter, der mit dem Team festlegt, wie wo dokumentiert und gearbeitet wird. Klingt ein bisschen wie Knowledge Management, ist es auch. Und Knowledge Management sollte gerade heute wieder ein Leitparadigma jedes Unternehmens sein, auch aus Compliance-Gründen, auf die ich gleich noch eingehe.
Die neue Rolle des CIO: Coach und Enabler für Kollaborationswerkzeuge
Dies waren nur zwei Beispiele, in denen Kommunikation und Kollaboration eine zentrale und unverzichtbare Rolle spielen, auch um zu den Zielen hin zu kommen, die Axel postuliert. Der CIO und die IT Abteilung müssen hier aber ihre Rolle anders verstehen und leben: Sie stellen ein Portfolio von einfach zu bedienenden Werkzeugen – Wolf Lotter: „Computer sollten uns die Zeit freischießen, damit wir wirklich Wissensarbeit leisten können.“ – wie auf einem Marktplatz zur Verfügung, aus denen die Projektleiter wählen können. Sie beraten die Projektleiter bei der Auswahl und falls diese unbedingt wirklich andere, neue Werkzeuge zu brauchen glauben (Stichwort Schatten IT), so begleiten sie das Team beratend und wohlwollend. Die IT wird zum Coach und Enabler für das Business, immer den Geschäftsnutzen im Blick habend. Oder auf deutsch: Die IT Abteilung hilft den Kolleginnen und Kollege, berät sie konstruktiv, wie sie moderne Werkzeuge zur Zusammenarbeit nutzen und hilft, wenn neue Programme wirklich nötig sind.
Und über all dem schwebt das Damoklesschwert der Security. Nein, viel zu dramatisch formuliert. Natürlich sollte die IT diejenige sein, die von Gerätesicherheit bis Sicherheit der Unternehmens- und Kundendaten die herausragende und zentrale Rolle spielt. Ob es dafür den Chief (Information) Security Officer oder einen Chief Compliance Officer geb muss, sei dahingestellt. Wie man sich organisiert – auch ein Chief Data Officer wird ja unterdessen öfters genannt, der allerdings auch noch andere Aufgaben habe dürfte oder sollte -, ist eine Frage, die jedes Unternehmen in seiner Struktur ausbilden muss.
Gerade für Einhaltung der Compliance braucht man Collaboration
Jedoch sind Security und Compliance heutzutage nicht mehr wegzudenken. Gerade die EU-Datenschutz-Grundverordnung (EU-DSVGO bzw. Englisch GDPR genannt) setzt hier neue Maßstäbe für das Management und das Löschen von Kundendaten. CIO Abteilung und IT-Abteilung müssen hier eine zentrale, orchestrierende Rolle spielen, ein Team von Datenexperten – manche nennen sie Data Scientists – bilden, die die unterschiedlichen Datentöpfe katalogisieren und kontrollieren, in denen Kundendaten liegen, und Mechanismen in Kraft setzen, wie Daten gegebenenfalls zu löschen sind.
Auch hier besteht natürlich eine Verbindung zu den oben beschriebenen Werkzeugen zur Kommunikation und Kollaboration und deren Repositories, in denen ja auch Kundendaten gehalten werden. Und auch hier gilt es wieder, ein dokumentiertes und kommunizierten Grundverständnis der Teams zu haben, die mit Kundendaten zu tun haben. Sehr oft sind dies Vertrieb, Marketing oder auch Kundendienst, die mit diesen Informationen und die – man verzeihe das Wort – für dem Umgang mit diesen Daten sensibilisiert werden müssen. Auch hier sind wieder die entsprechenden Bereichsleiter, Kundenmanager und Teamleiter gefragt, ihren Teams die entsprechenden Kenntnisse fortlaufend immer wieder zu vermitteln. Und wo sind wir da wieder, lieber Axel? Bei Werkzeugen zur Kommunikation und Kollaboration.
Paradigma: Wenn konkreter geschäftlicher Nutzen und Bedarf, dann Collaboration-Werkzeuge
Ich glaube, dass diese Werkzeuge sogar wichtiger werden. Der Ansatz muss jedoch ein anderer sein. Nicht mehr das Thema, sich für eine große Plattform zu entscheiden und die überall wenn nötig mit Gewalt aufzuoktroyieren, darf die Vorgehensweise sein. Der Geschäftszweck – mal Innovation und Transformation, Automatisierungsprojekte und mal effiziente Projektarbeit oder eben auch Einhaltung von Compliance-Richtlinien – muss im Vordergrund stehen. CIO und IT sollten aufgrund der geschäftlichen Anforderungen in der Lage sein, die richtigen Werkzeuge zu empfehlen oder gemeinsam mit dem Team auszuwählen.
Und ja, es muss einen Katalog, einen Enterprise Marketplace geben, in dem Teams Werkzeuge picken können. Nur ist dies sicher nicht mehr der festzementierte, rigoros vorgeschriebene Katalog, in dem Office und E-Mail vorgegeben wurden – und das war es dann auch in Punkte Collaboration und wehe, jemand wollte es anderes von der IT-Abteilung. Dieser neue Enterprise Marketplace muss in den angebotenen Werkzeugen wesentlich dynamischer und flexibler sein, Werkzeuge kommen, Werkzeuge gehen, die IT orchestriert und versucht nach bestem Wissen und Gewissen Sicherheit und Compliance zu gewährleisten. Der Austausch zwischen den Fachabteilungen, Projektteams und der IT ist in dieser neuen, dynamischeren Welt der Automatisierung und digitalen Transformation wesentlich enger und es wird, ja muss abteilungsübergreifende Teams und Zusammenarbeit geben. Das Enablement, die Einführung von Tools ist eine gemeinsame Aufgabe von IT und Business, in dem das Business die erwähnte „Kollaborationsvereinbarung“ trifft, wie man Werkzeuge wofür nutzt. Und dazu gehört auch essentiell die Verantwortung und die Pflichten der Fachabteilungen im Bereich Security und Compliance.
Also, lieber Alex und anläßlich der Buchmesse und in Gedenken an Marcek Reich-Ranicki: Alles Mumpitz, lieber Oppermann, das mit dem Ende der Kollaborationswerkzeuge und dem Primat der Automatisierung! Das ist kein Entweder-Oder.
(Stefan Pfeiffer)
Zum Schmunzeln und nicht auf unseren Axel gemünzt …
P.S. Zum von Axel Oppermann postulierten Thema Automatisierung habe ich mir einige bissige Kommentare gespart. Axel ist ja noch ein Jungspund und erinnert sich wahrscheinlich nicht mehr dran, wie die große Welle des Business Process Reengineerings durchs Dorf getrieben wurde – und viele Automatisierungsprojekte an den nicht abzubildenden Prozessausnahmen gescheitert sind. Aber das ist ein anderes Fass, das wir bei Gelegenheit aufmachen können.
P.P.S. CIOs, die Interesse an einer Teilnahme am IBM Club of Excellence haben, können sich gerne bei mir melden. Wir kommen am nächsten Mal am 22. November im X-Force Command Cengter der IBM in Kassel befassen, wo wir uns intensiv mit dem Thema CyberSecurity in der Praxis befassen werden.
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